Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Drosera rotundifolia. Cap. 6.
Ende eines leicht gerösteten Schenkelbeins eines Schafes abgeschnitten.
Dieselben wurden auf drei Blätter gelegt, welche ärmliche kleine
Pflanzen in meinem Gewächshause im Laufe des November trugen;
es schien mir im höchsten Grade unwahrscheinlich, dasz eine so harte
Substanz unter so ungünstigen Umständen verdaut werden würde.
Nichtsdestoweniger waren nach 48 Stunden die Würfel bedeutend ge-
löst und in äuszerst kleine Kugeln verwandelt, die von durchsichtiger,
sehr saurer Flüssigkeit umgeben waren. Zwei dieser Kugeln waren
bis zu ihrem Mittelpunkte vollständig aufgeweicht, während die dritte
noch einen sehr kleinen, unregelmäszig geformten Kern von solidem
Knorpel enthielt. Ihre Oberfläche erschien unter dem Mikroskope
merkwürdig von vorspringenden Leisten gezeichnet, was dafür sprach,
dasz der Knorpel von dem Secrete ungleichmäszig corrodirt war. Ich
brauche kaum zu sagen, dasz Würfel desselben Knorpels, eine gleich
lange Zeit in Wasser gelassen, nicht im Geringsten afficirt wurden.

Während einer günstigeren Jahreszeit wurden mäszig grosze
Stückchen des abgehäuteten Ohres einer Katze, welches Knorpel,
Bindegewebe und elastisches Gewebe enthält, auf drei Blätter gelegt.
Einige der Drüsen wurden mit Speichel berührt, was eine sofortige
Einbiegung veranlaszt. Zwei von den Blättern fiengen sich nach drei
Tagen wieder auszubreiten an und das dritte am fünften Tage. Es
wurde nun der flüssige Rückstand, der auf den Blattscheiben übrig
gelassen war, untersucht; in einem Falle bestand derselbe aus
vollkommen durchsichtiger klebriger Substanz; in den andern zwei
Fällen enthielt er etwas elastisches Gewebe und allem Anscheine nach
Überrreste halbverdauten Zellgewebes.

Faserknorpel (aus den Zwischenwirbelbändern vom Schwanze
eines Schafes). -- Mäszig grosze und kleine Stückchen (die letzteren
ungefähr Zoll grosz) wurden auf neun Blätter gebracht. Einige
derselben wurden ordentlich, manche wiederum sehr wenig eingebogen.
Im letztern Falle wurden dann die Stückchen über die Scheiben hin
gezogen, so dasz sie gehörig mit dem Secrete bestrichen und dabei
auch viele Drüsen gereizt wurden. Alle diese Blätter breiteten sich
nach nur zwei Tagen wieder aus, so dasz sie von dieser Substanz nur
unbedeutend gereizt worden waren. Die Stückchen waren nicht ver-
flüssigt, waren aber sicher in einem veränderten Zustande, waren ge-
schwollen, viel durchscheinender, und so zart, dasz sie sich leicht zer-
setzten. Mein Sohn Francis stellte etwas künstlichen Magensaft dar,

Drosera rotundifolia. Cap. 6.
Ende eines leicht gerösteten Schenkelbeins eines Schafes abgeschnitten.
Dieselben wurden auf drei Blätter gelegt, welche ärmliche kleine
Pflanzen in meinem Gewächshause im Laufe des November trugen;
es schien mir im höchsten Grade unwahrscheinlich, dasz eine so harte
Substanz unter so ungünstigen Umständen verdaut werden würde.
Nichtsdestoweniger waren nach 48 Stunden die Würfel bedeutend ge-
löst und in äuszerst kleine Kugeln verwandelt, die von durchsichtiger,
sehr saurer Flüssigkeit umgeben waren. Zwei dieser Kugeln waren
bis zu ihrem Mittelpunkte vollständig aufgeweicht, während die dritte
noch einen sehr kleinen, unregelmäszig geformten Kern von solidem
Knorpel enthielt. Ihre Oberfläche erschien unter dem Mikroskope
merkwürdig von vorspringenden Leisten gezeichnet, was dafür sprach,
dasz der Knorpel von dem Secrete ungleichmäszig corrodirt war. Ich
brauche kaum zu sagen, dasz Würfel desselben Knorpels, eine gleich
lange Zeit in Wasser gelassen, nicht im Geringsten afficirt wurden.

Während einer günstigeren Jahreszeit wurden mäszig grosze
Stückchen des abgehäuteten Ohres einer Katze, welches Knorpel,
Bindegewebe und elastisches Gewebe enthält, auf drei Blätter gelegt.
Einige der Drüsen wurden mit Speichel berührt, was eine sofortige
Einbiegung veranlaszt. Zwei von den Blättern fiengen sich nach drei
Tagen wieder auszubreiten an und das dritte am fünften Tage. Es
wurde nun der flüssige Rückstand, der auf den Blattscheiben übrig
gelassen war, untersucht; in einem Falle bestand derselbe aus
vollkommen durchsichtiger klebriger Substanz; in den andern zwei
Fällen enthielt er etwas elastisches Gewebe und allem Anscheine nach
Überrreste halbverdauten Zellgewebes.

Faserknorpel (aus den Zwischenwirbelbändern vom Schwanze
eines Schafes). — Mäszig grosze und kleine Stückchen (die letzteren
ungefähr Zoll grosz) wurden auf neun Blätter gebracht. Einige
derselben wurden ordentlich, manche wiederum sehr wenig eingebogen.
Im letztern Falle wurden dann die Stückchen über die Scheiben hin
gezogen, so dasz sie gehörig mit dem Secrete bestrichen und dabei
auch viele Drüsen gereizt wurden. Alle diese Blätter breiteten sich
nach nur zwei Tagen wieder aus, so dasz sie von dieser Substanz nur
unbedeutend gereizt worden waren. Die Stückchen waren nicht ver-
flüssigt, waren aber sicher in einem veränderten Zustande, waren ge-
schwollen, viel durchscheinender, und so zart, dasz sie sich leicht zer-
setzten. Mein Sohn Francis stellte etwas künstlichen Magensaft dar,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="92"/><fw place="top" type="header">Drosera rotundifolia. Cap. 6.</fw><lb/>
Ende eines leicht gerösteten Schenkelbeins eines Schafes abgeschnitten.<lb/>
Dieselben wurden auf drei Blätter gelegt, welche ärmliche kleine<lb/>
Pflanzen in meinem Gewächshause im Laufe des November trugen;<lb/>
es schien mir im höchsten Grade unwahrscheinlich, dasz eine so harte<lb/>
Substanz unter so ungünstigen Umständen verdaut werden würde.<lb/>
Nichtsdestoweniger waren nach 48 Stunden die Würfel bedeutend ge-<lb/>
löst und in äuszerst kleine Kugeln verwandelt, die von durchsichtiger,<lb/>
sehr saurer Flüssigkeit umgeben waren. Zwei dieser Kugeln waren<lb/>
bis zu ihrem Mittelpunkte vollständig aufgeweicht, während die dritte<lb/>
noch einen sehr kleinen, unregelmäszig geformten Kern von solidem<lb/>
Knorpel enthielt. Ihre Oberfläche erschien unter dem Mikroskope<lb/>
merkwürdig von vorspringenden Leisten gezeichnet, was dafür sprach,<lb/>
dasz der Knorpel von dem Secrete ungleichmäszig corrodirt war. Ich<lb/>
brauche kaum zu sagen, dasz Würfel desselben Knorpels, eine gleich<lb/>
lange Zeit in Wasser gelassen, nicht im Geringsten afficirt wurden.</p><lb/>
          <p>Während einer günstigeren Jahreszeit wurden mäszig grosze<lb/>
Stückchen des abgehäuteten Ohres einer Katze, welches Knorpel,<lb/>
Bindegewebe und elastisches Gewebe enthält, auf drei Blätter gelegt.<lb/>
Einige der Drüsen wurden mit Speichel berührt, was eine sofortige<lb/>
Einbiegung veranlaszt. Zwei von den Blättern fiengen sich nach drei<lb/>
Tagen wieder auszubreiten an und das dritte am fünften Tage. Es<lb/>
wurde nun der flüssige Rückstand, der auf den Blattscheiben übrig<lb/>
gelassen war, untersucht; in einem Falle bestand derselbe aus<lb/>
vollkommen durchsichtiger klebriger Substanz; in den andern zwei<lb/>
Fällen enthielt er etwas elastisches Gewebe und allem Anscheine nach<lb/>
Überrreste halbverdauten Zellgewebes.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Faserknorpel</hi> (aus den Zwischenwirbelbändern vom Schwanze<lb/>
eines Schafes). &#x2014; Mäszig grosze und kleine Stückchen (die letzteren<lb/>
ungefähr <formula notation="TeX">\frac {1}{20}</formula> Zoll grosz) wurden auf neun Blätter gebracht. Einige<lb/>
derselben wurden ordentlich, manche wiederum sehr wenig eingebogen.<lb/>
Im letztern Falle wurden dann die Stückchen über die Scheiben hin<lb/>
gezogen, so dasz sie gehörig mit dem Secrete bestrichen und dabei<lb/>
auch viele Drüsen gereizt wurden. Alle diese Blätter breiteten sich<lb/>
nach nur zwei Tagen wieder aus, so dasz sie von dieser Substanz nur<lb/>
unbedeutend gereizt worden waren. Die Stückchen waren nicht ver-<lb/>
flüssigt, waren aber sicher in einem veränderten Zustande, waren ge-<lb/>
schwollen, viel durchscheinender, und so zart, dasz sie sich leicht zer-<lb/>
setzten. Mein Sohn <hi rendition="#k">Francis</hi> stellte etwas künstlichen Magensaft dar,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0106] Drosera rotundifolia. Cap. 6. Ende eines leicht gerösteten Schenkelbeins eines Schafes abgeschnitten. Dieselben wurden auf drei Blätter gelegt, welche ärmliche kleine Pflanzen in meinem Gewächshause im Laufe des November trugen; es schien mir im höchsten Grade unwahrscheinlich, dasz eine so harte Substanz unter so ungünstigen Umständen verdaut werden würde. Nichtsdestoweniger waren nach 48 Stunden die Würfel bedeutend ge- löst und in äuszerst kleine Kugeln verwandelt, die von durchsichtiger, sehr saurer Flüssigkeit umgeben waren. Zwei dieser Kugeln waren bis zu ihrem Mittelpunkte vollständig aufgeweicht, während die dritte noch einen sehr kleinen, unregelmäszig geformten Kern von solidem Knorpel enthielt. Ihre Oberfläche erschien unter dem Mikroskope merkwürdig von vorspringenden Leisten gezeichnet, was dafür sprach, dasz der Knorpel von dem Secrete ungleichmäszig corrodirt war. Ich brauche kaum zu sagen, dasz Würfel desselben Knorpels, eine gleich lange Zeit in Wasser gelassen, nicht im Geringsten afficirt wurden. Während einer günstigeren Jahreszeit wurden mäszig grosze Stückchen des abgehäuteten Ohres einer Katze, welches Knorpel, Bindegewebe und elastisches Gewebe enthält, auf drei Blätter gelegt. Einige der Drüsen wurden mit Speichel berührt, was eine sofortige Einbiegung veranlaszt. Zwei von den Blättern fiengen sich nach drei Tagen wieder auszubreiten an und das dritte am fünften Tage. Es wurde nun der flüssige Rückstand, der auf den Blattscheiben übrig gelassen war, untersucht; in einem Falle bestand derselbe aus vollkommen durchsichtiger klebriger Substanz; in den andern zwei Fällen enthielt er etwas elastisches Gewebe und allem Anscheine nach Überrreste halbverdauten Zellgewebes. Faserknorpel (aus den Zwischenwirbelbändern vom Schwanze eines Schafes). — Mäszig grosze und kleine Stückchen (die letzteren ungefähr [FORMEL] Zoll grosz) wurden auf neun Blätter gebracht. Einige derselben wurden ordentlich, manche wiederum sehr wenig eingebogen. Im letztern Falle wurden dann die Stückchen über die Scheiben hin gezogen, so dasz sie gehörig mit dem Secrete bestrichen und dabei auch viele Drüsen gereizt wurden. Alle diese Blätter breiteten sich nach nur zwei Tagen wieder aus, so dasz sie von dieser Substanz nur unbedeutend gereizt worden waren. Die Stückchen waren nicht ver- flüssigt, waren aber sicher in einem veränderten Zustande, waren ge- schwollen, viel durchscheinender, und so zart, dasz sie sich leicht zer- setzten. Mein Sohn Francis stellte etwas künstlichen Magensaft dar,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/106
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/106>, abgerufen am 05.05.2024.