Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.Die Zehende Predigt Hoffart treiben kan jederman/ in den Leinwad-Läden und bey den Wäschensiehet man es: Manche Maden-Säcke haben Säcke an/ die/ wann mans zusammen rechnet/ wol etlich hundert Gulden antreffen. Wo sind die Thränen? Es ist die heutige Welt ärger als die Juden/ die beweinen ihr Vaterland Jährlich auff den Tag/ als Jerusalem eingenommen worden. Usque ad praesentem diem, perfidi coloni, post interfectionem servo- rum, & ad extremum Filii DEI, excepto planctu prohibentur ingredi Hierusalem; & ut ruinam suae eis flere liceat civitatis, precio redimunt; ut qui quondam emerant sanguinem Christi, emant lachrymas suas. Et ne fletus quidem eis gratuitus sit; videas in die, quo capta est a Ro- manis, & diruta Hierusalem venire populum lugubrem; conflnere decrepitas mulierculas, & senes pannis annisque obsitos, in corporibus & in habitu suo, iram domini demonstrantes, &c. Das ist: Die un- treuen Reebleute/ nach dem sie die Knechte (GOttes/) und endlich gar seinen Sohn ermordet/ dörffen biß auff den heutig- en Tag in Jerusalem nicht kommen/ als mit Thränen; und müssens mit Gelt bezahlen/ daß sie den Untergang ihrer Stadt/ und Steinhauffen beweinen mögen; Also daß sie auch die Thränen nicht umsonst haben; Man siehet auff den Tag/ da Jerusalem von den Römern ist eingenommen und verstohret worden/ wie das betrübte Volck daher kommet/ die alten Wei- ber herzu schneyen/ die von schlechter Kleidung und Jahren verschimmelte alten Greise herzu kriechen/ und auch mit ihren Leibern und Kleidern von GOttes Zorn predigen: das elende Volck komt zu Hauff/ und nach dem das Creutz des HErrn von seiner Aufferstehung schimmert und strahlet/ und als ein Sieges-Fähnlein auff dem Oelberg gläntzet/ beweinen die elenden Leute den Untergang ihrer Stadt/ und ist niemand der Mitleiden mit ihnen hat; Wann die Thränen noch auff de- nen Wangen stehen/ und die Arme noch voller Streich-Mä- ler/ und das Haar noch zerstreuet/ ist schon der Soldat da/ und fordert Geld/ daß sie nur mehr weinen dörffen. So schreibet Hieronym. über das Erste Cap. Sophoniae. Nun unser Vaterland ligt in der Aschen/ wo ist ein Jeremias/ der tantzet
Die Zehende Predigt Hoffart treiben kan jederman/ in den Leinwad-Laͤden und bey den Waͤſchenſiehet man es: Manche Maden-Saͤcke haben Saͤcke an/ die/ wann mans zuſammen rechnet/ wol etlich hundert Gulden antreffen. Wo ſind die Thraͤnen? Es iſt die heutige Welt aͤrger als die Juden/ die beweinen ihr Vaterland Jaͤhrlich auff den Tag/ als Jeruſalem eingenommen worden. Uſque ad præſentem diem, perfidi coloni, poſt interfectionem ſervo- rum, & ad extremum Filii DEI, excepto planctu prohibentur ingredi Hieruſalem; & ut ruinam ſuæ eis flere liceat civitatis, precio redimunt; ut qui quondam emerant ſanguinem Chriſti, emant lachrymas ſuas. Et ne fletus quidem eis gratuitus ſit; videas in die, quo capta eſt à Ro- manis, & diruta Hieruſalem venire populum lugubrem; conflnere decrepitas mulierculas, & ſenes pannis anniſque obſitos, in corporibus & in habitu ſuo, iram domini demonſtrantes, &c. Das iſt: Die un- treuen Reebleute/ nach dem ſie die Knechte (GOttes/) und endlich gar ſeinen Sohn ermordet/ doͤrffen biß auff den heutig- en Tag in Jeruſalem nicht kommen/ als mit Thraͤnen; und muͤſſens mit Gelt bezahlen/ daß ſie den Untergang ihrer Stadt/ und Steinhauffen beweinen moͤgen; Alſo daß ſie auch die Thraͤnen nicht umſonſt haben; Man ſiehet auff den Tag/ da Jeruſalem von den Roͤmern iſt eingenommen und verſtohret worden/ wie das betruͤbte Volck daher kommet/ die alten Wei- ber herzu ſchneyen/ die von ſchlechter Kleidung und Jahren verſchimmelte alten Greiſe herzu kriechen/ und auch mit ihren Leibern und Kleidern von GOttes Zorn predigen: das elende Volck komt zu Hauff/ und nach dem das Creutz des HErꝛn von ſeiner Aufferſtehung ſchimmert und ſtrahlet/ und als ein Sieges-Faͤhnlein auff dem Oelberg glaͤntzet/ beweinen die elenden Leute den Untergang ihrer Stadt/ und iſt niemand der Mitleiden mit ihnen hat; Wann die Thraͤnen noch auff de- nen Wangen ſtehen/ und die Arme noch voller Streich-Maͤ- ler/ und das Haar noch zerſtreuet/ iſt ſchon der Soldat da/ und fordert Geld/ daß ſie nur mehr weinen doͤrffen. So ſchreibet Hieronym. uͤber das Erſte Cap. Sophoniæ. Nun unſer Vaterland ligt in der Aſchen/ wo iſt ein Jeremias/ der tantzet
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Die Zehende Predigt
Hoffart treiben kan jederman/ in den Leinwad-Laͤden und bey den Waͤſchen
ſiehet man es: Manche Maden-Saͤcke haben Saͤcke an/ die/ wann mans
zuſammen rechnet/ wol etlich hundert Gulden antreffen. Wo ſind die
Thraͤnen? Es iſt die heutige Welt aͤrger als die Juden/ die beweinen ihr
Vaterland Jaͤhrlich auff den Tag/ als Jeruſalem eingenommen worden.
Uſque ad præſentem diem, perfidi coloni, poſt interfectionem ſervo-
rum, & ad extremum Filii DEI, excepto planctu prohibentur ingredi
Hieruſalem; & ut ruinam ſuæ eis flere liceat civitatis, precio redimunt;
ut qui quondam emerant ſanguinem Chriſti, emant lachrymas ſuas.
Et ne fletus quidem eis gratuitus ſit; videas in die, quo capta eſt à Ro-
manis, & diruta Hieruſalem venire populum lugubrem; conflnere
decrepitas mulierculas, & ſenes pannis anniſque obſitos, in corporibus
& in habitu ſuo, iram domini demonſtrantes, &c. Das iſt: Die un-
treuen Reebleute/ nach dem ſie die Knechte (GOttes/) und
endlich gar ſeinen Sohn ermordet/ doͤrffen biß auff den heutig-
en Tag in Jeruſalem nicht kommen/ als mit Thraͤnen; und
muͤſſens mit Gelt bezahlen/ daß ſie den Untergang ihrer Stadt/
und Steinhauffen beweinen moͤgen; Alſo daß ſie auch die
Thraͤnen nicht umſonſt haben; Man ſiehet auff den Tag/ da
Jeruſalem von den Roͤmern iſt eingenommen und verſtohret
worden/ wie das betruͤbte Volck daher kommet/ die alten Wei-
ber herzu ſchneyen/ die von ſchlechter Kleidung und Jahren
verſchimmelte alten Greiſe herzu kriechen/ und auch mit ihren
Leibern und Kleidern von GOttes Zorn predigen: das elende
Volck komt zu Hauff/ und nach dem das Creutz des HErꝛn
von ſeiner Aufferſtehung ſchimmert und ſtrahlet/ und als ein
Sieges-Faͤhnlein auff dem Oelberg glaͤntzet/ beweinen die
elenden Leute den Untergang ihrer Stadt/ und iſt niemand der
Mitleiden mit ihnen hat; Wann die Thraͤnen noch auff de-
nen Wangen ſtehen/ und die Arme noch voller Streich-Maͤ-
ler/ und das Haar noch zerſtreuet/ iſt ſchon der Soldat da/ und
fordert Geld/ daß ſie nur mehr weinen doͤrffen. So ſchreibet
Hieronym. uͤber das Erſte Cap. Sophoniæ.
Nun unſer Vaterland ligt in der Aſchen/ wo iſt ein Jeremias/ der
Thraͤnen vergießt? Der Thraͤnen-Brunn iſt allenthalben verſtopfft/ nie-
mand iſt/ der es ihme zu Hertzen gehen laͤßt: Solte der verlohrne Sohn
ſich alſo erzeigt haben/ er wuͤrde nimmer keine Gnad haben zu hoffen ge-
habt; ſolte er fuͤr ſeinen Vater gekommen ſeyn mit Spielleuten/ und ge-
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