Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666.

Bild:
<< vorherige Seite

Predigt.
ihn einen Narren schilt/ alle deß Todes schuldig sind/ aber einer eines
schärffern/ als der andere. Ob auch wol der täglichen Sünden/ so von
den Wiedergebohrnen aus menschlicher Schwachheit begangen/ die sie al-
sobald bereuen und umb Gnade bitten/ verziehen werden/ nicht als für sich
selbst so gering und lässig/ daß sie keine Straffe verwirckten; sondern
umb Christi Verdienst willen: So bleibt doch gewiß/ aus den Zeugnüs-
sen der Schrifft/ daß auch die geringste Sünde/ wann sie ins Liecht für
GOttes Angesicht gestellt/ den rigor deß Gesetzes nicht vertragen mag:
Jst keine Sünde für sich und an sich selbst lässig/ sondern sie flucht und
vermaledeyet den Menschen zum Verdamnüß. Dann es vergreifft sich
an der unendlichen Barmhertzigkeit Gottes/ nicht nur der grosse/ sondern
auch der kleine Sünder/ verdient derowegen so wol unendliche Straffe/
und höllisches Feuer/ als jener. Was wollen wir sagen/ wann sich solche
lässige Sünden vermehren? Minutae sunt guttae, sagt Augustinus
Tract. 13. in Johann. quae flumina implent; minuta sunt grana are-
nae: sed si multa arena imponatur, premit atq; opprimit. Hoc facit
sententia neglecta, quod facit fluctus irruens.
Es sind kleine
Tröpfflein/ aber sie machen einen grossen Fluß/ sind kleine
Sandkörnlein/ aber sie beschwären das Schiff: Also geringe
Sünden offt gethan/ versencken den Menschen ins ewige
Verderben.
Der endliche Zweck ist die oben angeregte Asphalia und
Gewißheit eines Wercks/ daß es in Gott gethan. Dann wann ein Christ
das Gebot für sich hat/ so mag ers getrost darauf wagen/ und thut demnach
alsdenn ein gutes Werck/ so gar/ wann auch der Event nach Gottes Wil-
len solte anders ablauffen. Gleichwie Abraham recht gethan/ daß er dem
klaren Gebot Gottes nachgekommen/ seinen Sohn zu schlachten. Ob es
gleich Gottes Schluß und Wille nicht war/ daß er ihn würcklich schlachten
solte. GOtt begnügte sich mit seinem guten Willen. Gleichwie David
nach dem geoffenbahrten Willen Gottes recht daran gewest/ daß er den
Gottesdienst zu befördern/ dem HErrn ein Hauß zu bauen fürgenommen/
ob gleich in Eventu nicht David/ sondern Salomon nach Göttlichem
Willen den Tempel erbauet: Also magst du freylich ordentliche Wege
und Mittel brauchen/ unterdeß GOtt walten lassen; Bist du kranck/ so
ist Gottes geoffenbahrter Gebots-Wille/ du solt dich selbst nicht tödten/ du
solt Artzney brauchen; Ob gleich Gottes Schluß und Willen nach du
die Schuld der Natur bezahlen und sterben müssest.

Huc ad hunc ignem, & calesces plus satis! Hieher ihr Heiligen im
Pabst humb zu diesem Probier Feuer/ das Silber durchs Feuer siebenmal

bewäh-

Predigt.
ihn einen Narren ſchilt/ alle deß Todes ſchuldig ſind/ aber einer eines
ſchaͤrffern/ als der andere. Ob auch wol der taͤglichen Suͤnden/ ſo von
den Wiedergebohrnen aus menſchlicher Schwachheit begangen/ die ſie al-
ſobald bereuen und umb Gnade bitten/ verziehen werden/ nicht als fuͤr ſich
ſelbſt ſo gering und laͤſſig/ daß ſie keine Straffe verwirckten; ſondern
umb Chriſti Verdienſt willen: So bleibt doch gewiß/ aus den Zeugnuͤſ-
ſen der Schrifft/ daß auch die geringſte Suͤnde/ wann ſie ins Liecht fuͤr
GOttes Angeſicht geſtellt/ den rigor deß Geſetzes nicht vertragen mag:
Jſt keine Suͤnde fuͤr ſich und an ſich ſelbſt laͤſſig/ ſondern ſie flucht und
vermaledeyet den Menſchen zum Verdamnuͤß. Dann es vergreifft ſich
an der unendlichen Barmhertzigkeit Gottes/ nicht nur der groſſe/ ſondern
auch der kleine Suͤnder/ verdient derowegen ſo wol unendliche Straffe/
und hoͤlliſches Feuer/ als jener. Was wollen wir ſagen/ wann ſich ſolche
laͤſſige Suͤnden vermehren? Minutæ ſunt guttæ, ſagt Auguſtinus
Tract. 13. in Johann. quæ flumina implent; minuta ſunt grana are-
næ: ſed ſi multa arena imponatur, premit atq; opprimit. Hoc facit
ſententia neglecta, quod facit fluctus irruens.
Es ſind kleine
Troͤpfflein/ aber ſie machen einen groſſen Fluß/ ſind kleine
Sandkoͤrnlein/ aber ſie beſchwaͤren das Schiff: Alſo geringe
Suͤnden offt gethan/ verſencken den Menſchen ins ewige
Verderben.
Der endliche Zweck iſt die oben angeregte Aſphalia und
Gewißheit eines Wercks/ daß es in Gott gethan. Dann wann ein Chriſt
das Gebot fuͤr ſich hat/ ſo mag ers getroſt darauf wagen/ und thut demnach
alsdenn ein gutes Werck/ ſo gar/ wann auch der Event nach Gottes Wil-
len ſolte anders ablauffen. Gleichwie Abraham recht gethan/ daß er dem
klaren Gebot Gottes nachgekommen/ ſeinen Sohn zu ſchlachten. Ob es
gleich Gottes Schluß und Wille nicht war/ daß er ihn wuͤrcklich ſchlachten
ſolte. GOtt begnuͤgte ſich mit ſeinem guten Willen. Gleichwie David
nach dem geoffenbahrten Willen Gottes recht daran geweſt/ daß er den
Gottesdienſt zu befoͤrdern/ dem HErrn ein Hauß zu bauen fuͤrgenommen/
ob gleich in Eventu nicht David/ ſondern Salomon nach Goͤttlichem
Willen den Tempel erbauet: Alſo magſt du freylich ordentliche Wege
und Mittel brauchen/ unterdeß GOtt walten laſſen; Biſt du kranck/ ſo
iſt Gottes geoffenbahrter Gebots-Wille/ du ſolt dich ſelbſt nicht toͤdten/ du
ſolt Artzney brauchen; Ob gleich Gottes Schluß und Willen nach du
die Schuld der Natur bezahlen und ſterben muͤſſeſt.

Huc ad hunc ignem, & caleſces plus ſatis! Hieher ihr Heiligen im
Pabſt humb zu dieſem Probier Feuer/ das Silber durchs Feuer ſiebenmal

bewaͤh-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0759" n="735"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Predigt.</hi></fw><lb/>
ihn einen Narren &#x017F;chilt/ alle deß Todes &#x017F;chuldig &#x017F;ind/ aber einer eines<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;rffern/ als der andere. Ob auch wol der ta&#x0364;glichen Su&#x0364;nden/ &#x017F;o von<lb/>
den Wiedergebohrnen aus men&#x017F;chlicher Schwachheit begangen/ die &#x017F;ie al-<lb/>
&#x017F;obald bereuen und umb Gnade bitten/ verziehen werden/ nicht als fu&#x0364;r &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o gering und la&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig/ daß &#x017F;ie keine Straffe verwirckten; &#x017F;ondern<lb/>
umb Chri&#x017F;ti Verdien&#x017F;t willen: So bleibt doch gewiß/ aus den Zeugnu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en der Schrifft/ daß auch die gering&#x017F;te Su&#x0364;nde/ wann &#x017F;ie ins Liecht fu&#x0364;r<lb/>
GOttes Ange&#x017F;icht ge&#x017F;tellt/ den <hi rendition="#aq">rigor</hi> deß Ge&#x017F;etzes nicht vertragen mag:<lb/>
J&#x017F;t keine Su&#x0364;nde fu&#x0364;r &#x017F;ich und an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t la&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig/ &#x017F;ondern &#x017F;ie flucht und<lb/>
vermaledeyet den Men&#x017F;chen zum Verdamnu&#x0364;ß. Dann es vergreifft &#x017F;ich<lb/>
an der unendlichen Barmhertzigkeit Gottes/ nicht nur der gro&#x017F;&#x017F;e/ &#x017F;ondern<lb/>
auch der kleine Su&#x0364;nder/ verdient derowegen &#x017F;o wol unendliche Straffe/<lb/>
und ho&#x0364;lli&#x017F;ches Feuer/ als jener. Was wollen wir &#x017F;agen/ wann &#x017F;ich &#x017F;olche<lb/>
la&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Su&#x0364;nden vermehren? <hi rendition="#aq">Minutæ &#x017F;unt guttæ,</hi> &#x017F;agt <hi rendition="#aq">Augu&#x017F;tinus<lb/>
Tract. 13. in Johann. quæ flumina implent; minuta &#x017F;unt grana are-<lb/>
næ: &#x017F;ed &#x017F;i multa arena imponatur, premit atq; opprimit. Hoc facit<lb/>
&#x017F;ententia neglecta, quod facit fluctus irruens.</hi> <hi rendition="#fr">Es &#x017F;ind kleine<lb/>
Tro&#x0364;pfflein/ aber &#x017F;ie machen einen gro&#x017F;&#x017F;en Fluß/ &#x017F;ind kleine<lb/>
Sandko&#x0364;rnlein/ aber &#x017F;ie be&#x017F;chwa&#x0364;ren das Schiff: Al&#x017F;o geringe<lb/>
Su&#x0364;nden offt gethan/ ver&#x017F;encken den Men&#x017F;chen ins ewige<lb/>
Verderben.</hi> Der endliche Zweck i&#x017F;t die oben angeregte <hi rendition="#aq">A&#x017F;phalia</hi> und<lb/>
Gewißheit eines Wercks/ daß es in Gott gethan. Dann wann ein Chri&#x017F;t<lb/>
das Gebot fu&#x0364;r &#x017F;ich hat/ &#x017F;o mag ers getro&#x017F;t darauf wagen/ und thut demnach<lb/>
alsdenn ein gutes Werck/ &#x017F;o gar/ wann auch der <hi rendition="#aq">Event</hi> nach Gottes Wil-<lb/>
len &#x017F;olte anders ablauffen. Gleichwie Abraham recht gethan/ daß er dem<lb/>
klaren Gebot Gottes nachgekommen/ &#x017F;einen Sohn zu &#x017F;chlachten. Ob es<lb/>
gleich Gottes Schluß und Wille nicht war/ daß er ihn wu&#x0364;rcklich &#x017F;chlachten<lb/>
&#x017F;olte. GOtt begnu&#x0364;gte &#x017F;ich mit &#x017F;einem guten Willen. Gleichwie David<lb/>
nach dem geoffenbahrten Willen Gottes recht daran gewe&#x017F;t/ daß er den<lb/>
Gottesdien&#x017F;t zu befo&#x0364;rdern/ dem HErrn ein Hauß zu bauen fu&#x0364;rgenommen/<lb/>
ob gleich in <hi rendition="#aq">Eventu</hi> nicht David/ &#x017F;ondern Salomon nach Go&#x0364;ttlichem<lb/>
Willen den Tempel erbauet: Al&#x017F;o mag&#x017F;t du freylich ordentliche Wege<lb/>
und Mittel brauchen/ unterdeß GOtt walten la&#x017F;&#x017F;en; Bi&#x017F;t du kranck/ &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t Gottes geoffenbahrter Gebots-Wille/ du &#x017F;olt dich &#x017F;elb&#x017F;t nicht to&#x0364;dten/ du<lb/>
&#x017F;olt Artzney brauchen; Ob gleich Gottes Schluß und Willen nach du<lb/>
die Schuld der Natur bezahlen und &#x017F;terben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Huc ad hunc ignem, &amp; cale&#x017F;ces plus &#x017F;atis!</hi> Hieher ihr Heiligen im<lb/>
Pab&#x017F;t humb zu die&#x017F;em Probier Feuer/ das Silber durchs Feuer &#x017F;iebenmal<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bewa&#x0364;h-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[735/0759] Predigt. ihn einen Narren ſchilt/ alle deß Todes ſchuldig ſind/ aber einer eines ſchaͤrffern/ als der andere. Ob auch wol der taͤglichen Suͤnden/ ſo von den Wiedergebohrnen aus menſchlicher Schwachheit begangen/ die ſie al- ſobald bereuen und umb Gnade bitten/ verziehen werden/ nicht als fuͤr ſich ſelbſt ſo gering und laͤſſig/ daß ſie keine Straffe verwirckten; ſondern umb Chriſti Verdienſt willen: So bleibt doch gewiß/ aus den Zeugnuͤſ- ſen der Schrifft/ daß auch die geringſte Suͤnde/ wann ſie ins Liecht fuͤr GOttes Angeſicht geſtellt/ den rigor deß Geſetzes nicht vertragen mag: Jſt keine Suͤnde fuͤr ſich und an ſich ſelbſt laͤſſig/ ſondern ſie flucht und vermaledeyet den Menſchen zum Verdamnuͤß. Dann es vergreifft ſich an der unendlichen Barmhertzigkeit Gottes/ nicht nur der groſſe/ ſondern auch der kleine Suͤnder/ verdient derowegen ſo wol unendliche Straffe/ und hoͤlliſches Feuer/ als jener. Was wollen wir ſagen/ wann ſich ſolche laͤſſige Suͤnden vermehren? Minutæ ſunt guttæ, ſagt Auguſtinus Tract. 13. in Johann. quæ flumina implent; minuta ſunt grana are- næ: ſed ſi multa arena imponatur, premit atq; opprimit. Hoc facit ſententia neglecta, quod facit fluctus irruens. Es ſind kleine Troͤpfflein/ aber ſie machen einen groſſen Fluß/ ſind kleine Sandkoͤrnlein/ aber ſie beſchwaͤren das Schiff: Alſo geringe Suͤnden offt gethan/ verſencken den Menſchen ins ewige Verderben. Der endliche Zweck iſt die oben angeregte Aſphalia und Gewißheit eines Wercks/ daß es in Gott gethan. Dann wann ein Chriſt das Gebot fuͤr ſich hat/ ſo mag ers getroſt darauf wagen/ und thut demnach alsdenn ein gutes Werck/ ſo gar/ wann auch der Event nach Gottes Wil- len ſolte anders ablauffen. Gleichwie Abraham recht gethan/ daß er dem klaren Gebot Gottes nachgekommen/ ſeinen Sohn zu ſchlachten. Ob es gleich Gottes Schluß und Wille nicht war/ daß er ihn wuͤrcklich ſchlachten ſolte. GOtt begnuͤgte ſich mit ſeinem guten Willen. Gleichwie David nach dem geoffenbahrten Willen Gottes recht daran geweſt/ daß er den Gottesdienſt zu befoͤrdern/ dem HErrn ein Hauß zu bauen fuͤrgenommen/ ob gleich in Eventu nicht David/ ſondern Salomon nach Goͤttlichem Willen den Tempel erbauet: Alſo magſt du freylich ordentliche Wege und Mittel brauchen/ unterdeß GOtt walten laſſen; Biſt du kranck/ ſo iſt Gottes geoffenbahrter Gebots-Wille/ du ſolt dich ſelbſt nicht toͤdten/ du ſolt Artzney brauchen; Ob gleich Gottes Schluß und Willen nach du die Schuld der Natur bezahlen und ſterben muͤſſeſt. Huc ad hunc ignem, & caleſces plus ſatis! Hieher ihr Heiligen im Pabſt humb zu dieſem Probier Feuer/ das Silber durchs Feuer ſiebenmal bewaͤh-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus08_1666
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus08_1666/759
Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666, S. 735. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus08_1666/759>, abgerufen am 23.11.2024.