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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666.

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Predigt.

Jst dem also/ und begreifft dieser Effluxus ein grosses/ heiliges/ ver-
borgen und übernatürliches mysterium in sich/ so muß dasselbe auch als
ein solchs groß Heiligthum von uns angesehen/ angenommen und tra-
ctirt
werden. Jst derowegen I. ein Arcanum sed revelatum, ein ge-
offenbartes Geheimnüß. Was nun der Geist Gottes geblösset und ent-
decket/ das sollen wir nicht bedecken. Dasselbe ist nicht mehr versigelt/
sondern eröffnet durch das Lamb. Gleichwie vor Lutheri Zeiten nie-
mand recht eigentlich gewust/ was und wer der Antichrist seye/ was und
wer durch die Babylonische Hur verstanden werde? (Hinc tot deliquia
Patrum.
) Aber nachdem durch Luthers Geist die apokalupsis erfolgt/ so
stehet es heiter und hell gnug für Augen/ wann man nur nicht conni-
vi
ren und mit sehenden Augen blind seyn wil/ wie im Papstthum/ da
man den Wald für den Bäumen nicht sehen kan.

Nescire quae Magister optimus nesciri voluit, erudita est inscitia; sed ne-
scire, quae idem nos scire vult, ignava est inscitia.

Es ist zwar II. Agnooumenon, unbekant und unscheinbar/ aber nicht
für den Augen deß Glaubens. Der Glaub erfordert auch eine Wissen-
schafft. Johannes sagt/ ut credatis, ich schreibe und bezeug solches/
auff daß ihrs glaubet/ es seye also ein Glaubens-Articul/ und deßwe-
gen geoffenbaret/ daß man den Glauben daraus stärcken solle/ wie unser
Catechismus lautet/ da im vierdten Stück gefragt wird/ wozu dienen die
Sacramenta? Antw. daß sie den Glauben in uns erwecken
und stärcken sollen etc.
Kan man die Sach nicht ergründen/ so
muß man doch die Wort/ durch welche die Sach entworffen worden/
erkennen lernen. Hinweg fides implicita und blinder Köhlers-Glaub
im blinden Papstthum! Darüber D. Lutherus manche Klag geführt/
sonderlich in seinem kleinen Catechismo/ in der Vorred/ da er sagt/ was
ihne dazu getrieben und gezwungen habe/ die Christliche Lehre in solch
kleine/ schlechte/ einfältige Form zu stellen: Die klägliche elende
Noth/
sagt er/ so ich neulich erfahren habe/ da ich auch ein
visitator war. Hilff lieber GOTT/ wie manchen Jammer
hab ich gesehen/ daß der gemeine Mann doch so gar nichts
weiß von der Christlichen Lehre/ sonderlich auff den Dörf-
feren/ und leider viel Pfarrherrn fast ungeschickt/ und un-
tüchtig sind zu lehren/ und sollen doch alle Christen heis-
sen/ getaufft seyn/ und der heiligen Sacrament geniessen/
können weder Vater unser noch den Glauben/ oder Zehen

Gebot/
Achter Theil. F
Predigt.

Jſt dem alſo/ und begreifft dieſer Effluxus ein groſſes/ heiliges/ ver-
borgen und uͤbernatuͤrliches myſterium in ſich/ ſo muß daſſelbe auch als
ein ſolchs groß Heiligthum von uns angeſehen/ angenommen und tra-
ctirt
werden. Jſt derowegen I. ein Arcanum ſed revelatum, ein ge-
offenbartes Geheimnuͤß. Was nun der Geiſt Gottes gebloͤſſet und ent-
decket/ das ſollen wir nicht bedecken. Daſſelbe iſt nicht mehr verſigelt/
ſondern eroͤffnet durch das Lamb. Gleichwie vor Lutheri Zeiten nie-
mand recht eigentlich gewuſt/ was und wer der Antichriſt ſeye/ was und
wer durch die Babyloniſche Hur verſtanden werde? (Hinc tot deliquia
Patrum.
) Aber nachdem durch Luthers Geiſt die ἀποκάλυψις erfolgt/ ſo
ſtehet es heiter und hell gnug fuͤr Augen/ wann man nur nicht conni-
vi
ren und mit ſehenden Augen blind ſeyn wil/ wie im Papſtthum/ da
man den Wald fuͤr den Baͤumen nicht ſehen kan.

Neſcire quæ Magiſter optimus neſciri voluit, erudita eſt inſcitia; ſed ne-
ſcire, quæ idem nos ſcire vult, ignava eſt inſcitia.

Es iſt zwar II. Ἀγνοούμενον, unbekant und unſcheinbar/ aber nicht
fuͤr den Augen deß Glaubens. Der Glaub erfordert auch eine Wiſſen-
ſchafft. Johannes ſagt/ ut credatis, ich ſchreibe und bezeug ſolches/
auff daß ihrs glaubet/ es ſeye alſo ein Glaubens-Articul/ und deßwe-
gen geoffenbaret/ daß man den Glauben daraus ſtaͤrcken ſolle/ wie unſer
Catechiſmus lautet/ da im vierdten Stuͤck gefragt wird/ wozu dienen die
Sacramenta? Antw. daß ſie den Glauben in uns erwecken
und ſtaͤrcken ſollen ꝛc.
Kan man die Sach nicht ergruͤnden/ ſo
muß man doch die Wort/ durch welche die Sach entworffen worden/
erkennen lernen. Hinweg fides implicita und blinder Koͤhlers-Glaub
im blinden Papſtthum! Daruͤber D. Lutherus manche Klag gefuͤhrt/
ſonderlich in ſeinem kleinen Catechiſmo/ in der Vorred/ da er ſagt/ was
ihne dazu getrieben und gezwungen habe/ die Chriſtliche Lehre in ſolch
kleine/ ſchlechte/ einfaͤltige Form zu ſtellen: Die klaͤgliche elende
Noth/
ſagt er/ ſo ich neulich erfahren habe/ da ich auch ein
viſitator war. Hilff lieber GOTT/ wie manchen Jammer
hab ich geſehen/ daß der gemeine Mann doch ſo gar nichts
weiß von der Chriſtlichen Lehre/ ſonderlich auff den Doͤrf-
feren/ und leider viel Pfarꝛherꝛn faſt ungeſchickt/ und un-
tuͤchtig ſind zu lehren/ und ſollen doch alle Chriſten heiſ-
ſen/ getaufft ſeyn/ und der heiligen Sacrament genieſſen/
koͤnnen weder Vater unſer noch den Glauben/ oder Zehen

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Achter Theil. F
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[41/0063] Predigt. Jſt dem alſo/ und begreifft dieſer Effluxus ein groſſes/ heiliges/ ver- borgen und uͤbernatuͤrliches myſterium in ſich/ ſo muß daſſelbe auch als ein ſolchs groß Heiligthum von uns angeſehen/ angenommen und tra- ctirt werden. Jſt derowegen I. ein Arcanum ſed revelatum, ein ge- offenbartes Geheimnuͤß. Was nun der Geiſt Gottes gebloͤſſet und ent- decket/ das ſollen wir nicht bedecken. Daſſelbe iſt nicht mehr verſigelt/ ſondern eroͤffnet durch das Lamb. Gleichwie vor Lutheri Zeiten nie- mand recht eigentlich gewuſt/ was und wer der Antichriſt ſeye/ was und wer durch die Babyloniſche Hur verſtanden werde? (Hinc tot deliquia Patrum.) Aber nachdem durch Luthers Geiſt die ἀποκάλυψις erfolgt/ ſo ſtehet es heiter und hell gnug fuͤr Augen/ wann man nur nicht conni- viren und mit ſehenden Augen blind ſeyn wil/ wie im Papſtthum/ da man den Wald fuͤr den Baͤumen nicht ſehen kan. Neſcire quæ Magiſter optimus neſciri voluit, erudita eſt inſcitia; ſed ne- ſcire, quæ idem nos ſcire vult, ignava eſt inſcitia. Es iſt zwar II. Ἀγνοούμενον, unbekant und unſcheinbar/ aber nicht fuͤr den Augen deß Glaubens. Der Glaub erfordert auch eine Wiſſen- ſchafft. Johannes ſagt/ ut credatis, ich ſchreibe und bezeug ſolches/ auff daß ihrs glaubet/ es ſeye alſo ein Glaubens-Articul/ und deßwe- gen geoffenbaret/ daß man den Glauben daraus ſtaͤrcken ſolle/ wie unſer Catechiſmus lautet/ da im vierdten Stuͤck gefragt wird/ wozu dienen die Sacramenta? Antw. daß ſie den Glauben in uns erwecken und ſtaͤrcken ſollen ꝛc. Kan man die Sach nicht ergruͤnden/ ſo muß man doch die Wort/ durch welche die Sach entworffen worden/ erkennen lernen. Hinweg fides implicita und blinder Koͤhlers-Glaub im blinden Papſtthum! Daruͤber D. Lutherus manche Klag gefuͤhrt/ ſonderlich in ſeinem kleinen Catechiſmo/ in der Vorred/ da er ſagt/ was ihne dazu getrieben und gezwungen habe/ die Chriſtliche Lehre in ſolch kleine/ ſchlechte/ einfaͤltige Form zu ſtellen: Die klaͤgliche elende Noth/ ſagt er/ ſo ich neulich erfahren habe/ da ich auch ein viſitator war. Hilff lieber GOTT/ wie manchen Jammer hab ich geſehen/ daß der gemeine Mann doch ſo gar nichts weiß von der Chriſtlichen Lehre/ ſonderlich auff den Doͤrf- feren/ und leider viel Pfarꝛherꝛn faſt ungeſchickt/ und un- tuͤchtig ſind zu lehren/ und ſollen doch alle Chriſten heiſ- ſen/ getaufft ſeyn/ und der heiligen Sacrament genieſſen/ koͤnnen weder Vater unſer noch den Glauben/ oder Zehen Gebot/ Achter Theil. F

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus08_1666/63>, abgerufen am 28.04.2024.