Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666.

Bild:
<< vorherige Seite

Predigt.
wann ich erhöhet werde von der Erden/ so wil ich sie alle zu
mir zihen.
Duo fluenta, duae funes, diese zween Flüsse sind zwey
Liebes-Seile/ wormit uns der HErr zu sich leitet und zihet. Qui nescit
viam ad mare, quaerat amnem comitem,
heist es auch wol hier. Jch
wil sie zihen/
sagt der HErr. Sie/ nemblich die Bußfertige
und Glaubige/ werden sehen/ in welchen jene/ die Gottlosen
gestochen haben mit Speeren und mit Zungen; die Frommen werden
sehen gar mit andern Augen/ als die gottlosen Beltals-Kinder und rohe
Sünden-Knecht/

Nemlich abermals (I.) Per theoriam poenitentialem, mit einer
bußfertigen Reu-Schau/ mit traurigen und thränenden Augen. Jsts
nicht also? Wann eine Rott und Karten-Spiel von Mördern und
Strassen-Räubern in hafft gerathen/ zum Rad verdampt worden/ und
aber deß Richters Sohn aus grosser Lieb und Mitleiden/ sich der Justiti
selbst praesentiren und darstellen wolte zur Bürgschafft/ ranzion und
intercession, die justitia ließ es gelten/ er würde ad supplicium zum
Raben-Stein und Hoch-Gericht hinaus geführt in ansehen der Mörder/
die solcher tragoedi beywohnen; würde auch ein solcher Ubelthäter ein
solch unbeweglich Pardel und Tiger-Hertz haben/ wann er der Rad-
Stöß ansichtig wird/ daß ihm nicht das Hertz drüber blute/ daß nicht alle
Stösse ihm auch sein Hertz treffen solten und er Blut drüber weinen
möchte? daß er nicht sagen solte/ O weh mir! Der Stoß gebührt mir/
ich habs verdient! O behüte GOtt/ daß ich ja nimmer zur Sünde mich
verleiten lasse/ daß ich dieselbe flihe als ein Schlang. O Mensch bedenck
dein Sünde groß/ welch ein unermeßliches Ubel die Sünde sey/ derenthal-
ben der Sohn Gottes von unermeßlicher Majestät/ solche Marter und
Qual übertragen und außstehen müssen? Daß auch GOtt der HErr
seines einigen Sohns nicht geschonet/ nur darum daß uns Mördern mög
aus dem Rachen deß ewigen Todes geholffen werden. Ach daß der Wolff
leben möge/ muste das Lamb herhalten.

Sie die Frommen werden sehen (II.) Per theoriam fidei in latus,
tanquam fenestram amoris,
mit einer rechten Glaubens-Schau in
die eröffnete Seiten als in ein offenes Liebes-Fenster. Momus der Göt-
ter Spötter (wie die Poeten von ihm getichtet) sol vorzeiten gesagt haben/
es mangle dem Menschen nichts/ als ein Hertzens-Fenster; Aber wozu?
Was wird man sehen? Warhafftig nichts flätigs/ sondern in ein wüste/
stinckende Mörder- und Todten-grub würde man hinein sehen. Aber hie
steht offen das helle Fenster deß allerheiligsten Hertzens JEsu Christi voller

Gnad
D 2

Predigt.
wann ich erhoͤhet werde von der Erden/ ſo wil ich ſie alle zu
mir zihen.
Duo fluenta, duæ funes, dieſe zween Fluͤſſe ſind zwey
Liebes-Seile/ wormit uns der HErꝛ zu ſich leitet und zihet. Qui neſcit
viam ad mare, quærat amnem comitem,
heiſt es auch wol hier. Jch
wil ſie zihen/
ſagt der HErr. Sie/ nemblich die Bußfertige
und Glaubige/ werden ſehen/ in welchen jene/ die Gottloſen
geſtochen haben mit Speeren und mit Zungen; die Frommen werden
ſehen gar mit andern Augen/ als die gottloſen Beltals-Kinder und rohe
Suͤnden-Knecht/

Nemlich abermals (I.) Per theoriam pœnitentialem, mit einer
bußfertigen Reu-Schau/ mit traurigen und thraͤnenden Augen. Jſts
nicht alſo? Wann eine Rott und Karten-Spiel von Moͤrdern und
Straſſen-Raͤubern in hafft gerathen/ zum Rad verdampt worden/ und
aber deß Richters Sohn aus groſſer Lieb und Mitleiden/ ſich der Juſtiti
ſelbſt præſentiren und darſtellen wolte zur Buͤrgſchafft/ ranzion und
interceſſion, die juſtitia ließ es gelten/ er wuͤrde ad ſupplicium zum
Raben-Stein und Hoch-Gericht hinaus gefuͤhrt in anſehen der Moͤrder/
die ſolcher tragœdi beywohnen; wuͤrde auch ein ſolcher Ubelthaͤter ein
ſolch unbeweglich Pardel und Tiger-Hertz haben/ wann er der Rad-
Stoͤß anſichtig wird/ daß ihm nicht das Hertz druͤber blute/ daß nicht alle
Stoͤſſe ihm auch ſein Hertz treffen ſolten und er Blut druͤber weinen
moͤchte? daß er nicht ſagen ſolte/ O weh mir! Der Stoß gebuͤhrt mir/
ich habs verdient! O behuͤte GOtt/ daß ich ja nimmer zur Suͤnde mich
verleiten laſſe/ daß ich dieſelbe flihe als ein Schlang. O Menſch bedenck
dein Suͤnde groß/ welch ein unermeßliches Ubel die Suͤnde ſey/ derenthal-
ben der Sohn Gottes von unermeßlicher Majeſtaͤt/ ſolche Marter und
Qual uͤbertragen und außſtehen muͤſſen? Daß auch GOtt der HErꝛ
ſeines einigen Sohns nicht geſchonet/ nur darum daß uns Moͤrdern moͤg
aus dem Rachen deß ewigen Todes geholffen werden. Ach daß der Wolff
leben moͤge/ muſte das Lamb herhalten.

Sie die Frommen werden ſehen (II.) Per theoriam fidei in latus,
tanquam feneſtram amoris,
mit einer rechten Glaubens-Schau in
die eroͤffnete Seiten als in ein offenes Liebes-Fenſter. Momus der Goͤt-
ter Spoͤtter (wie die Poëten von ihm getichtet) ſol vorzeiten geſagt haben/
es mangle dem Menſchen nichts/ als ein Hertzens-Fenſter; Aber wozu?
Was wird man ſehen? Warhafftig nichts flaͤtigs/ ſondern in ein wuͤſte/
ſtinckende Moͤrder- und Todten-grub wuͤrde man hinein ſehen. Aber hie
ſteht offen das helle Fenſter deß allerheiligſten Hertzens JEſu Chriſti voller

Gnad
D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="27"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Predigt.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">wann ich erho&#x0364;het werde von der Erden/ &#x017F;o wil ich &#x017F;ie alle zu<lb/>
mir zihen.</hi><hi rendition="#aq">Duo fluenta, duæ funes,</hi> die&#x017F;e zween Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind zwey<lb/>
Liebes-Seile/ wormit uns der HEr&#xA75B; zu &#x017F;ich leitet und zihet. <hi rendition="#aq">Qui ne&#x017F;cit<lb/>
viam ad mare, quærat amnem comitem,</hi> hei&#x017F;t es auch wol hier. <hi rendition="#fr">Jch<lb/>
wil &#x017F;ie zihen/</hi> &#x017F;agt der <hi rendition="#k">HErr.</hi> <hi rendition="#fr">Sie/</hi> nemblich die Bußfertige<lb/>
und Glaubige/ <hi rendition="#fr">werden &#x017F;ehen/ in welchen jene/</hi> die Gottlo&#x017F;en<lb/>
ge&#x017F;tochen haben mit Speeren und mit Zungen; die Frommen werden<lb/>
&#x017F;ehen gar mit andern Augen/ als die gottlo&#x017F;en Beltals-Kinder und rohe<lb/>
Su&#x0364;nden-Knecht/</p><lb/>
        <p>Nemlich abermals <hi rendition="#aq">(I.) Per theoriam p&#x0153;nitentialem,</hi> mit einer<lb/>
bußfertigen Reu-Schau/ mit traurigen und thra&#x0364;nenden Augen. J&#x017F;ts<lb/>
nicht al&#x017F;o? Wann eine Rott und Karten-Spiel von Mo&#x0364;rdern und<lb/>
Stra&#x017F;&#x017F;en-Ra&#x0364;ubern in hafft gerathen/ zum Rad verdampt worden/ und<lb/>
aber deß Richters Sohn aus gro&#x017F;&#x017F;er Lieb und Mitleiden/ &#x017F;ich der <hi rendition="#aq">Ju&#x017F;titi</hi><lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#aq">præ&#x017F;enti</hi>ren und dar&#x017F;tellen wolte zur Bu&#x0364;rg&#x017F;chafft/ <hi rendition="#aq">ranzion</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">interce&#x017F;&#x017F;ion,</hi> die <hi rendition="#aq">ju&#x017F;titia</hi> ließ es gelten/ er wu&#x0364;rde <hi rendition="#aq">ad &#x017F;upplicium</hi> zum<lb/>
Raben-Stein und Hoch-Gericht hinaus gefu&#x0364;hrt in an&#x017F;ehen der Mo&#x0364;rder/<lb/>
die &#x017F;olcher <hi rendition="#aq">trag&#x0153;di</hi> beywohnen; wu&#x0364;rde auch ein &#x017F;olcher Ubeltha&#x0364;ter ein<lb/>
&#x017F;olch unbeweglich Pardel und Tiger-Hertz haben/ wann er der Rad-<lb/>
Sto&#x0364;ß an&#x017F;ichtig wird/ daß ihm nicht das Hertz dru&#x0364;ber blute/ daß nicht alle<lb/>
Sto&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ihm auch &#x017F;ein Hertz treffen &#x017F;olten und er Blut dru&#x0364;ber weinen<lb/>
mo&#x0364;chte? daß er nicht &#x017F;agen &#x017F;olte/ O weh mir! Der Stoß gebu&#x0364;hrt mir/<lb/>
ich habs verdient! O behu&#x0364;te GOtt/ daß ich ja nimmer zur Su&#x0364;nde mich<lb/>
verleiten la&#x017F;&#x017F;e/ daß ich die&#x017F;elbe flihe als ein Schlang. O Men&#x017F;ch bedenck<lb/>
dein Su&#x0364;nde groß/ welch ein unermeßliches Ubel die Su&#x0364;nde &#x017F;ey/ derenthal-<lb/>
ben der Sohn Gottes von unermeßlicher Maje&#x017F;ta&#x0364;t/ &#x017F;olche Marter und<lb/>
Qual u&#x0364;bertragen und auß&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en? Daß auch GOtt der HEr&#xA75B;<lb/>
&#x017F;eines einigen Sohns nicht ge&#x017F;chonet/ nur darum daß uns Mo&#x0364;rdern mo&#x0364;g<lb/>
aus dem Rachen deß ewigen Todes geholffen werden. Ach daß der Wolff<lb/>
leben mo&#x0364;ge/ mu&#x017F;te das Lamb herhalten.</p><lb/>
        <p>Sie die Frommen werden &#x017F;ehen <hi rendition="#aq">(II.) Per theoriam fidei in latus,<lb/>
tanquam fene&#x017F;tram amoris,</hi> mit einer rechten Glaubens-Schau in<lb/>
die ero&#x0364;ffnete Seiten als in ein offenes Liebes-Fen&#x017F;ter. <hi rendition="#aq">Momus</hi> der Go&#x0364;t-<lb/>
ter Spo&#x0364;tter (wie die <hi rendition="#aq">Poëten</hi> von ihm getichtet) &#x017F;ol vorzeiten ge&#x017F;agt haben/<lb/>
es mangle dem Men&#x017F;chen nichts/ als ein Hertzens-Fen&#x017F;ter; Aber wozu?<lb/>
Was wird man &#x017F;ehen? Warhafftig nichts fla&#x0364;tigs/ &#x017F;ondern in ein wu&#x0364;&#x017F;te/<lb/>
&#x017F;tinckende Mo&#x0364;rder- und Todten-grub wu&#x0364;rde man hinein &#x017F;ehen. Aber hie<lb/>
&#x017F;teht offen das helle Fen&#x017F;ter deß allerheilig&#x017F;ten Hertzens JE&#x017F;u Chri&#x017F;ti voller<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Gnad</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0049] Predigt. wann ich erhoͤhet werde von der Erden/ ſo wil ich ſie alle zu mir zihen. Duo fluenta, duæ funes, dieſe zween Fluͤſſe ſind zwey Liebes-Seile/ wormit uns der HErꝛ zu ſich leitet und zihet. Qui neſcit viam ad mare, quærat amnem comitem, heiſt es auch wol hier. Jch wil ſie zihen/ ſagt der HErr. Sie/ nemblich die Bußfertige und Glaubige/ werden ſehen/ in welchen jene/ die Gottloſen geſtochen haben mit Speeren und mit Zungen; die Frommen werden ſehen gar mit andern Augen/ als die gottloſen Beltals-Kinder und rohe Suͤnden-Knecht/ Nemlich abermals (I.) Per theoriam pœnitentialem, mit einer bußfertigen Reu-Schau/ mit traurigen und thraͤnenden Augen. Jſts nicht alſo? Wann eine Rott und Karten-Spiel von Moͤrdern und Straſſen-Raͤubern in hafft gerathen/ zum Rad verdampt worden/ und aber deß Richters Sohn aus groſſer Lieb und Mitleiden/ ſich der Juſtiti ſelbſt præſentiren und darſtellen wolte zur Buͤrgſchafft/ ranzion und interceſſion, die juſtitia ließ es gelten/ er wuͤrde ad ſupplicium zum Raben-Stein und Hoch-Gericht hinaus gefuͤhrt in anſehen der Moͤrder/ die ſolcher tragœdi beywohnen; wuͤrde auch ein ſolcher Ubelthaͤter ein ſolch unbeweglich Pardel und Tiger-Hertz haben/ wann er der Rad- Stoͤß anſichtig wird/ daß ihm nicht das Hertz druͤber blute/ daß nicht alle Stoͤſſe ihm auch ſein Hertz treffen ſolten und er Blut druͤber weinen moͤchte? daß er nicht ſagen ſolte/ O weh mir! Der Stoß gebuͤhrt mir/ ich habs verdient! O behuͤte GOtt/ daß ich ja nimmer zur Suͤnde mich verleiten laſſe/ daß ich dieſelbe flihe als ein Schlang. O Menſch bedenck dein Suͤnde groß/ welch ein unermeßliches Ubel die Suͤnde ſey/ derenthal- ben der Sohn Gottes von unermeßlicher Majeſtaͤt/ ſolche Marter und Qual uͤbertragen und außſtehen muͤſſen? Daß auch GOtt der HErꝛ ſeines einigen Sohns nicht geſchonet/ nur darum daß uns Moͤrdern moͤg aus dem Rachen deß ewigen Todes geholffen werden. Ach daß der Wolff leben moͤge/ muſte das Lamb herhalten. Sie die Frommen werden ſehen (II.) Per theoriam fidei in latus, tanquam feneſtram amoris, mit einer rechten Glaubens-Schau in die eroͤffnete Seiten als in ein offenes Liebes-Fenſter. Momus der Goͤt- ter Spoͤtter (wie die Poëten von ihm getichtet) ſol vorzeiten geſagt haben/ es mangle dem Menſchen nichts/ als ein Hertzens-Fenſter; Aber wozu? Was wird man ſehen? Warhafftig nichts flaͤtigs/ ſondern in ein wuͤſte/ ſtinckende Moͤrder- und Todten-grub wuͤrde man hinein ſehen. Aber hie ſteht offen das helle Fenſter deß allerheiligſten Hertzens JEſu Chriſti voller Gnad D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus08_1666
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus08_1666/49
Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus08_1666/49>, abgerufen am 28.11.2024.