Heiligen alles was in Gott ist und idealiter erscheinet/ sehen und wissen solten/ so müsten die Heiligen im ewigen Leben auch wissen den Tag des Marc. 13, 32.Jüngsten Tages/ wider die Wort Christi Marc. 13. Von dem Tage und der Stund weiß niemand/ auch die Engel nicht im Him- mel/ etc.
II. Quis videndi modus?Was wird für eine Art zu schauen seyn? Auff was Art und Weise werden wir dieser schönen Schau geniessen? Hie rauffen und beissen sich die Schul-Lehrer/ wie die Hunde über einem Bein; Wir lassen ihnen das Bein/ und suchen das Fleisch und Marck; halten uns nicht auff in Erzehlung vielerley Arten des Anschauen Gottes/ bleiben einfältig bey dem/ was uns die Schrifft an die Hand gibt/ sonderlich 1. Cor. 13. 1. Joh. 3. 2. Cor. 3. daraus er- scheinet/ daß diese vision seye eine unmittelbare Schau ohne Zeichen und Sinn-Bilder; Vnser Auge ist ein herrliches Wunder-Geschöpff Gottes/ als in welchem kleinen zarten Cörperlein des gantzen Firmaments Ster- ne/ die vielmahl grösser sind als die Erde/ gefassen und durch etliche tausend Meilen hindurch können beschauet werden; Aber es geschicht per species, vermittelst derselben eusserlichen Gestalten und Sinn-Bilder: Auff wel- che Weise auch Gott der Herr in dieser Welt gesehen wird in seiner Creatur/ in der heiligen Schrifft/ in den signis hieroglyphicis und Abbil- dungs-Zeichen; Aber dort wird Er gesehen werden unmittelbar/ dieweil Er wird seyn alles in allem.
Es wird seyn visio clara, eine helle/ offene Anschauung sine aenigma- te, nicht von fern im dunckeln; Wir sehen auch hie. Offtmahl einen Baum für einen Menschen an: visio epoptica & autoprosopica, eine Selbst-Schau/ da wir nicht mehr im Spiegel/ sondern von Angesicht zu Angesicht ihn werden anschauen; dann hie sehen wir zwar Gott auch/ aber in einem Spiegel. Wir werden ihn schauen visione perfecta, durch eine vollkommene Anschauung/ wiewohl nicht comprehensiva, sondern nach der regul des Göttlichen Willens abgemessener Weise; Hie sehen 1. Cor. 13, 12.wir stucksweise/ dort vollkommen. Vnser Auge sihet sich nimmer satt/ es ist bald verneugernt/ bald eckel/ man erfährt es an den Thulipan und Blu- men/ wie bald man ihrer genug hat. Jtem am Reissen/ Botz ists nur das/ sagt man: Aber hie ist die saturitas und die Ersättligkeit/ Gott nimmt das Auge voll ein.
Rivet. in Exod. pag. 129.
Ob wir aber Gott mit leiblichen Augen anschauen werden? ist nicht temere und ohnbedachtsam zu verläugnen/ mit Riveto: Oculis nostris (corporeis) nos Dei substantiam visuros nec Scriptura dicit, nec
verum
Die Neun und Viertzigſte (Fuͤnffte)
Heiligen alles was in Gott iſt und idealiter erſcheinet/ ſehen und wiſſen ſolten/ ſo muͤſten die Heiligen im ewigen Leben auch wiſſen den Tag des Marc. 13, 32.Juͤngſten Tages/ wider die Wort Chriſti Marc. 13. Von dem Tage und der Stund weiß niemand/ auch die Engel nicht im Him- mel/ ꝛc.
II. Quis videndi modus?Was wird fuͤr eine Art zu ſchauen ſeyn? Auff was Art und Weiſe werden wir dieſer ſchoͤnen Schau genieſſen? Hie rauffen und beiſſen ſich die Schul-Lehrer/ wie die Hunde uͤber einem Bein; Wir laſſen ihnen das Bein/ und ſuchen das Fleiſch und Marck; halten uns nicht auff in Erzehlung vielerley Arten des Anſchauen Gottes/ bleiben einfaͤltig bey dem/ was uns die Schrifft an die Hand gibt/ ſonderlich 1. Cor. 13. 1. Joh. 3. 2. Cor. 3. daraus er- ſcheinet/ daß dieſe viſion ſeye eine unmittelbare Schau ohne Zeichen und Sinn-Bilder; Vnſer Auge iſt ein herrliches Wunder-Geſchoͤpff Gottes/ als in welchem kleinen zarten Coͤrperlein des gantzen Firmaments Ster- ne/ die vielmahl groͤſſer ſind als die Erde/ gefaſſen und durch etliche tauſend Meilen hindurch koͤnnen beſchauet werden; Aber es geſchicht per ſpecies, vermittelſt derſelben euſſerlichen Geſtalten und Sinn-Bilder: Auff wel- che Weiſe auch Gott der Herr in dieſer Welt geſehen wird in ſeiner Creatur/ in der heiligen Schrifft/ in den ſignis hieroglyphicis und Abbil- dungs-Zeichen; Aber dort wird Er geſehen werden unmittelbar/ dieweil Er wird ſeyn alles in allem.
Es wird ſeyn viſio clara, eine helle/ offene Anſchauung ſine ænigma- te, nicht von fern im dunckeln; Wir ſehen auch hie. Offtmahl einen Baum fuͤr einen Menſchen an: viſio epoptica & autoproſopica, eine Selbſt-Schau/ da wir nicht mehr im Spiegel/ ſondern von Angeſicht zu Angeſicht ihn werden anſchauen; dann hie ſehen wir zwar Gott auch/ aber in einem Spiegel. Wir werden ihn ſchauen viſione perfectâ, durch eine vollkommene Anſchauung/ wiewohl nicht comprehenſivâ, ſondern nach der regul des Goͤttlichen Willens abgemeſſener Weiſe; Hie ſehen 1. Cor. 13, 12.wir ſtucksweiſe/ dort vollkommen. Vnſer Auge ſihet ſich nimmer ſatt/ es iſt bald verneugernt/ bald eckel/ man erfaͤhrt es an den Thulipan und Blu- men/ wie bald man ihrer genug hat. Jtem am Reiſſen/ Botz iſts nur das/ ſagt man: Aber hie iſt die ſaturitas und die Erſaͤttligkeit/ Gott nimmt das Auge voll ein.
Rivet. in Exod. pag. 129.
Ob wir aber Gott mit leiblichen Augen anſchauen werden? iſt nicht temerè und ohnbedachtſam zu verlaͤugnen/ mit Riveto: Oculis noſtris (corporeis) nos Dei ſubſtantiam viſuros nec Scriptura dicit, nec
verum
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0636"n="604"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Die Neun und Viertzigſte (Fuͤnffte)</hi></fw><lb/>
Heiligen alles was in <hirendition="#k">Gott</hi> iſt und <hirendition="#aq">idealiter</hi> erſcheinet/ ſehen und wiſſen<lb/>ſolten/ ſo muͤſten die Heiligen im ewigen Leben auch wiſſen den Tag des<lb/><noteplace="left"><hirendition="#aq">Marc.</hi> 13,<lb/>
32.</note>Juͤngſten Tages/ wider die Wort Chriſti Marc. 13. <hirendition="#fr">Von dem Tage<lb/>
und der Stund weiß niemand/ auch die Engel nicht im Him-<lb/>
mel/ ꝛc.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq"><hirendition="#g">II.</hi> Quis videndi modus?</hi><hirendition="#fr">Was wird fuͤr eine Art<lb/>
zu ſchauen ſeyn?</hi> Auff was Art und Weiſe werden wir dieſer ſchoͤnen<lb/>
Schau genieſſen? Hie rauffen und beiſſen ſich die Schul-Lehrer/ wie die<lb/>
Hunde uͤber einem Bein; Wir laſſen ihnen das Bein/ und ſuchen das<lb/>
Fleiſch und Marck; halten uns nicht auff in Erzehlung vielerley Arten<lb/>
des Anſchauen Gottes/ bleiben einfaͤltig bey dem/ was uns die Schrifft<lb/>
an die Hand gibt/ ſonderlich 1. Cor. 13. 1. Joh. 3. 2. Cor. 3. daraus er-<lb/>ſcheinet/ daß dieſe <hirendition="#aq">viſion</hi>ſeye eine unmittelbare Schau ohne Zeichen und<lb/>
Sinn-Bilder; Vnſer Auge iſt ein herrliches Wunder-Geſchoͤpff Gottes/<lb/>
als in welchem kleinen zarten Coͤrperlein des gantzen Firmaments Ster-<lb/>
ne/ die vielmahl groͤſſer ſind als die Erde/ gefaſſen und durch etliche tauſend<lb/>
Meilen hindurch koͤnnen beſchauet werden; Aber es geſchicht <hirendition="#aq">per ſpecies,</hi><lb/>
vermittelſt derſelben euſſerlichen Geſtalten und Sinn-Bilder: Auff wel-<lb/>
che Weiſe auch <hirendition="#g"><hirendition="#k">Gott</hi></hi> der <hirendition="#g"><hirendition="#k">Herr</hi></hi> in dieſer Welt geſehen wird in ſeiner<lb/>
Creatur/ in der heiligen Schrifft/ in den <hirendition="#aq">ſignis hieroglyphicis</hi> und Abbil-<lb/>
dungs-Zeichen; Aber dort wird Er geſehen werden unmittelbar/ dieweil<lb/>
Er wird ſeyn alles in allem.</p><lb/><p>Es wird ſeyn <hirendition="#aq">viſio clara,</hi> eine helle/ offene Anſchauung <hirendition="#aq">ſine ænigma-<lb/>
te,</hi> nicht von fern im dunckeln; Wir ſehen auch hie. Offtmahl einen<lb/>
Baum fuͤr einen Menſchen an: <hirendition="#aq">viſio epoptica & autoproſopica,</hi> eine<lb/>
Selbſt-Schau/ da wir nicht mehr im Spiegel/ ſondern von Angeſicht zu<lb/>
Angeſicht ihn werden anſchauen; dann hie ſehen wir zwar <hirendition="#g"><hirendition="#k">Gott</hi></hi> auch/<lb/>
aber in einem Spiegel. Wir werden ihn ſchauen <hirendition="#aq">viſione perfectâ,</hi> durch<lb/>
eine vollkommene Anſchauung/ wiewohl nicht <hirendition="#aq">comprehenſivâ,</hi>ſondern<lb/>
nach der <hirendition="#aq">regul</hi> des Goͤttlichen Willens abgemeſſener Weiſe; Hie ſehen<lb/><noteplace="left">1. <hirendition="#aq">Cor.</hi> 13,<lb/>
12.</note>wir ſtucksweiſe/ dort vollkommen. Vnſer Auge ſihet ſich nimmer ſatt/ es iſt<lb/>
bald verneugernt/ bald eckel/ man erfaͤhrt es an den Thulipan und Blu-<lb/>
men/ wie bald man ihrer genug hat. Jtem am Reiſſen/ Botz iſts nur das/<lb/>ſagt man: Aber hie iſt die <hirendition="#aq">ſaturitas</hi> und die Erſaͤttligkeit/ <hirendition="#g"><hirendition="#k">Gott</hi></hi> nimmt<lb/>
das Auge voll ein.</p><lb/><noteplace="left"><hirendition="#aq">Rivet. in<lb/>
Exod. pag.</hi><lb/>
129.</note><p>Ob wir aber <hirendition="#g"><hirendition="#k">Gott</hi></hi> mit leiblichen Augen anſchauen werden? iſt<lb/>
nicht <hirendition="#aq">temerè</hi> und ohnbedachtſam zu verlaͤugnen/ mit <hirendition="#aq">Riveto: Oculis<lb/>
noſtris (corporeis) nos Dei ſubſtantiam viſuros nec Scriptura dicit, nec</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">verum</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[604/0636]
Die Neun und Viertzigſte (Fuͤnffte)
Heiligen alles was in Gott iſt und idealiter erſcheinet/ ſehen und wiſſen
ſolten/ ſo muͤſten die Heiligen im ewigen Leben auch wiſſen den Tag des
Juͤngſten Tages/ wider die Wort Chriſti Marc. 13. Von dem Tage
und der Stund weiß niemand/ auch die Engel nicht im Him-
mel/ ꝛc.
Marc. 13,
32.
II. Quis videndi modus? Was wird fuͤr eine Art
zu ſchauen ſeyn? Auff was Art und Weiſe werden wir dieſer ſchoͤnen
Schau genieſſen? Hie rauffen und beiſſen ſich die Schul-Lehrer/ wie die
Hunde uͤber einem Bein; Wir laſſen ihnen das Bein/ und ſuchen das
Fleiſch und Marck; halten uns nicht auff in Erzehlung vielerley Arten
des Anſchauen Gottes/ bleiben einfaͤltig bey dem/ was uns die Schrifft
an die Hand gibt/ ſonderlich 1. Cor. 13. 1. Joh. 3. 2. Cor. 3. daraus er-
ſcheinet/ daß dieſe viſion ſeye eine unmittelbare Schau ohne Zeichen und
Sinn-Bilder; Vnſer Auge iſt ein herrliches Wunder-Geſchoͤpff Gottes/
als in welchem kleinen zarten Coͤrperlein des gantzen Firmaments Ster-
ne/ die vielmahl groͤſſer ſind als die Erde/ gefaſſen und durch etliche tauſend
Meilen hindurch koͤnnen beſchauet werden; Aber es geſchicht per ſpecies,
vermittelſt derſelben euſſerlichen Geſtalten und Sinn-Bilder: Auff wel-
che Weiſe auch Gott der Herr in dieſer Welt geſehen wird in ſeiner
Creatur/ in der heiligen Schrifft/ in den ſignis hieroglyphicis und Abbil-
dungs-Zeichen; Aber dort wird Er geſehen werden unmittelbar/ dieweil
Er wird ſeyn alles in allem.
Es wird ſeyn viſio clara, eine helle/ offene Anſchauung ſine ænigma-
te, nicht von fern im dunckeln; Wir ſehen auch hie. Offtmahl einen
Baum fuͤr einen Menſchen an: viſio epoptica & autoproſopica, eine
Selbſt-Schau/ da wir nicht mehr im Spiegel/ ſondern von Angeſicht zu
Angeſicht ihn werden anſchauen; dann hie ſehen wir zwar Gott auch/
aber in einem Spiegel. Wir werden ihn ſchauen viſione perfectâ, durch
eine vollkommene Anſchauung/ wiewohl nicht comprehenſivâ, ſondern
nach der regul des Goͤttlichen Willens abgemeſſener Weiſe; Hie ſehen
wir ſtucksweiſe/ dort vollkommen. Vnſer Auge ſihet ſich nimmer ſatt/ es iſt
bald verneugernt/ bald eckel/ man erfaͤhrt es an den Thulipan und Blu-
men/ wie bald man ihrer genug hat. Jtem am Reiſſen/ Botz iſts nur das/
ſagt man: Aber hie iſt die ſaturitas und die Erſaͤttligkeit/ Gott nimmt
das Auge voll ein.
1. Cor. 13,
12.
Ob wir aber Gott mit leiblichen Augen anſchauen werden? iſt
nicht temerè und ohnbedachtſam zu verlaͤugnen/ mit Riveto: Oculis
noſtris (corporeis) nos Dei ſubſtantiam viſuros nec Scriptura dicit, nec
verum
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus06_1657/636>, abgerufen am 05.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.