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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657.

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Die Viertzigste (Vierte)
Gottes Angesicht verworffen seyn. Summa/ mors peccatorum pessi-
ma,
der Sünder Tod ist sehr böß/ er gläntze und glintze von aussen so schön
er immer wolle/ man kan dißfalls die Außerwehlten von den Verdamme-
Eccles. 9, 2.ten nicht gründlich oder eigentlich unterscheiden/ es begegnet gleich
einem wie dem andern/
sagt der weise Mann/ dem Gerechten wie
dem Gottlosen/ dem guten wie dem bösen/ dem reinen wie dem
unreinen/ dem opffernden wie dem der das Opffer verachtet;

Keine endliche Gewißheit mag daraus geschlossen werden/ alle Ding wer-
den als ungewiß biß hernach in die künfftige Zeit behalten.

* de con-
scient. c.
10. p.
152.

Ein anderer Jesuit *Jeremias Drexelius erzehlet aus Climaco fol-
gende Geschicht: Es war einer mit Namen Stephanus in einem Closter;
Aber weil er das absonderliche Leben und die Einsamkeit geliebet/ hat er sich
anderswohin begeben. Vnd zwar erstlich hat er seine Wohnung an dem
Berg Horeb versetzt: von dannen ist er gewandert an einen Ort der Ana-
choriten und Einsiedler/ so da heisset Fides, zu Teutsch/ treu. Dieser Ort
ist unbewohnet und von allem menschlichen Trost verlassen. Daselbst hat
er etliche Jahr ein sehr hartes und strenges Leben geführet: Am Ende sei-
nes Lebens ist er wider in seine erste Wohnung kommen/ allda zween an-
dere Ordens-Leute aus Palaestina oder gelobten Lande gewohnet. Allda ist
der von Alter und fasten abgemattete Mensch in die eusserste Schwachheit
gefallen. Einen Tag vor seinem Tode ist er plötzlich/ als wann er vom
Donner erschreckt wäre/ erstarret/ hat die Augen ungewöhnlich auffgesper-
ret/ und furchtsam umbher angesehen die jenigen/ so Rechnung von ihm
forderten: Endlich hat er gleichsam als einer/ von dem man Rechnung
fordert/ seinen exactoribus und Treibern geantwortet/ daß es iederman
gehöret: Es ist in Warheit also! Aber diesen Schaden habe ich durch
fasten abzuwenden so viel Jahr mich bemühet. Bald darauff hat er ge-
sagt: Nein traun/ dieses habe ich nicht gethan! hernach abermal; Ja
fürwar! Aber ich habe gedienet/ ich habe geweinet/ und viel Vngemach
erduldet: Ja fürwar/ sagt er/ ihr redet recht/ und ich kan nichts darauff
antworten; Aber Gottes Barmhertzigkeit ist unendlich. Es war in der
Warheit/ sagt Climacus ein abscheulich und schrecklich spectacul. Ach/
mein Gott! wird dann von einem frommen Ordensmann/ der viertzig
Jahr ein Mönch gewest/ ein Einsiedler/ der sich durch fasten gantz abge-
mergelt/ wohl hat weinen können/ stets fleissig gebetet/ aber noch darzu mit
andern Tugenden gezieret/ von einem heilig-berühmten Mann/ der einen
Leopard aus eigener Hand aufferzogen und ernehret/ so scharffe Rechnung

gefor-

Die Viertzigſte (Vierte)
Gottes Angeſicht verworffen ſeyn. Summa/ mors peccatorum peſſi-
ma,
der Suͤnder Tod iſt ſehr boͤß/ er glaͤntze und glintze von auſſen ſo ſchoͤn
er immer wolle/ man kan dißfalls die Außerwehlten von den Verdamme-
Eccleſ. 9, 2.ten nicht gruͤndlich oder eigentlich unterſcheiden/ es begegnet gleich
einem wie dem andern/
ſagt der weiſe Mann/ dem Gerechten wie
dem Gottloſen/ dem guten wie dem böſen/ dem reinen wie dem
unreinen/ dem opffernden wie dem der das Opffer verachtet;

Keine endliche Gewißheit mag daraus geſchloſſen werden/ alle Ding wer-
den als ungewiß biß hernach in die kuͤnfftige Zeit behalten.

* de con-
ſcient. c.
10. p.
152.

Ein anderer Jeſuit *Jeremias Drexelius erzehlet aus Climaco fol-
gende Geſchicht: Es war einer mit Namen Stephanus in einem Cloſter;
Aber weil er das abſonderliche Leben und die Einſamkeit geliebet/ hat er ſich
anderswohin begeben. Vnd zwar erſtlich hat er ſeine Wohnung an dem
Berg Horeb verſetzt: von dannen iſt er gewandert an einen Ort der Ana-
choriten und Einſiedler/ ſo da heiſſet Fides, zu Teutſch/ treu. Dieſer Ort
iſt unbewohnet und von allem menſchlichen Troſt verlaſſen. Daſelbſt hat
er etliche Jahr ein ſehr hartes und ſtrenges Leben gefuͤhret: Am Ende ſei-
nes Lebens iſt er wider in ſeine erſte Wohnung kommen/ allda zween an-
dere Ordens-Leute aus Palæſtina oder gelobten Lande gewohnet. Allda iſt
der von Alter und faſten abgemattete Menſch in die euſſerſte Schwachheit
gefallen. Einen Tag vor ſeinem Tode iſt er ploͤtzlich/ als wann er vom
Donner erſchreckt waͤre/ erſtarret/ hat die Augen ungewoͤhnlich auffgeſper-
ret/ und furchtſam umbher angeſehen die jenigen/ ſo Rechnung von ihm
forderten: Endlich hat er gleichſam als einer/ von dem man Rechnung
fordert/ ſeinen exactoribus und Treibern geantwortet/ daß es iederman
gehoͤret: Es iſt in Warheit alſo! Aber dieſen Schaden habe ich durch
faſten abzuwenden ſo viel Jahr mich bemuͤhet. Bald darauff hat er ge-
ſagt: Nein traun/ dieſes habe ich nicht gethan! hernach abermal; Ja
fuͤrwar! Aber ich habe gedienet/ ich habe geweinet/ und viel Vngemach
erduldet: Ja fuͤrwar/ ſagt er/ ihr redet recht/ und ich kan nichts darauff
antworten; Aber Gottes Barmhertzigkeit iſt unendlich. Es war in der
Warheit/ ſagt Climacus ein abſcheulich und ſchrecklich ſpectacul. Ach/
mein Gott! wird dann von einem frommen Ordensmann/ der viertzig
Jahr ein Moͤnch geweſt/ ein Einſiedler/ der ſich durch faſten gantz abge-
mergelt/ wohl hat weinen koͤnnen/ ſtets fleiſſig gebetet/ aber noch darzu mit
andern Tugenden gezieret/ von einem heilig-beruͤhmten Mann/ der einen
Leopard aus eigener Hand aufferzogen und ernehret/ ſo ſcharffe Rechnung

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[496/0528] Die Viertzigſte (Vierte) Gottes Angeſicht verworffen ſeyn. Summa/ mors peccatorum peſſi- ma, der Suͤnder Tod iſt ſehr boͤß/ er glaͤntze und glintze von auſſen ſo ſchoͤn er immer wolle/ man kan dißfalls die Außerwehlten von den Verdamme- ten nicht gruͤndlich oder eigentlich unterſcheiden/ es begegnet gleich einem wie dem andern/ ſagt der weiſe Mann/ dem Gerechten wie dem Gottloſen/ dem guten wie dem böſen/ dem reinen wie dem unreinen/ dem opffernden wie dem der das Opffer verachtet; Keine endliche Gewißheit mag daraus geſchloſſen werden/ alle Ding wer- den als ungewiß biß hernach in die kuͤnfftige Zeit behalten. Eccleſ. 9, 2. Ein anderer Jeſuit *Jeremias Drexelius erzehlet aus Climaco fol- gende Geſchicht: Es war einer mit Namen Stephanus in einem Cloſter; Aber weil er das abſonderliche Leben und die Einſamkeit geliebet/ hat er ſich anderswohin begeben. Vnd zwar erſtlich hat er ſeine Wohnung an dem Berg Horeb verſetzt: von dannen iſt er gewandert an einen Ort der Ana- choriten und Einſiedler/ ſo da heiſſet Fides, zu Teutſch/ treu. Dieſer Ort iſt unbewohnet und von allem menſchlichen Troſt verlaſſen. Daſelbſt hat er etliche Jahr ein ſehr hartes und ſtrenges Leben gefuͤhret: Am Ende ſei- nes Lebens iſt er wider in ſeine erſte Wohnung kommen/ allda zween an- dere Ordens-Leute aus Palæſtina oder gelobten Lande gewohnet. Allda iſt der von Alter und faſten abgemattete Menſch in die euſſerſte Schwachheit gefallen. Einen Tag vor ſeinem Tode iſt er ploͤtzlich/ als wann er vom Donner erſchreckt waͤre/ erſtarret/ hat die Augen ungewoͤhnlich auffgeſper- ret/ und furchtſam umbher angeſehen die jenigen/ ſo Rechnung von ihm forderten: Endlich hat er gleichſam als einer/ von dem man Rechnung fordert/ ſeinen exactoribus und Treibern geantwortet/ daß es iederman gehoͤret: Es iſt in Warheit alſo! Aber dieſen Schaden habe ich durch faſten abzuwenden ſo viel Jahr mich bemuͤhet. Bald darauff hat er ge- ſagt: Nein traun/ dieſes habe ich nicht gethan! hernach abermal; Ja fuͤrwar! Aber ich habe gedienet/ ich habe geweinet/ und viel Vngemach erduldet: Ja fuͤrwar/ ſagt er/ ihr redet recht/ und ich kan nichts darauff antworten; Aber Gottes Barmhertzigkeit iſt unendlich. Es war in der Warheit/ ſagt Climacus ein abſcheulich und ſchrecklich ſpectacul. Ach/ mein Gott! wird dann von einem frommen Ordensmann/ der viertzig Jahr ein Moͤnch geweſt/ ein Einſiedler/ der ſich durch faſten gantz abge- mergelt/ wohl hat weinen koͤnnen/ ſtets fleiſſig gebetet/ aber noch darzu mit andern Tugenden gezieret/ von einem heilig-beruͤhmten Mann/ der einen Leopard aus eigener Hand aufferzogen und ernehret/ ſo ſcharffe Rechnung gefor-

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus06_1657/528>, abgerufen am 22.11.2024.