Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657.Predigt. der eine erzürnet/ ist der ander sedat und still gewest; daraus erfolget/ daßsie ihnen selbst manchmal in die Haar gerathen. Eben ein solch mon- strum und Mißgeburt/ ein solcher doppelter Mensch ist nunmehr ein ieder Mensch nach dem Fall. Da zuvor alle innerliche Kräfften in holdseliger Harmonia zusammen gestimmet/ so ist ietzt/ nach dem die Seiten zusprun- gen/ alles in dissonantz gerathen; gestalt dann solches auch die Philosophi aus eigener Erfahrung wargenommen/ sonderlich Aristoteles, der erken-Arist. in fi- ne l. 1. Eth. Nic. net zwo Arten und Naturen in der Seel/ logikeu kai alogon, die vernünff- tige (so zu reden) und unvernünfftige/ die wider einander streiten/ verglei- chet dieselbe mit einem Glied eines paralytici und Gichtbrüchigen/ wann derselbe seine Hand gern zur Rechten lenckete/ so schnellet sie ihm zur Lin- cken & contra: So gehets auch in der Seel/ video meliora proboque, deteriora sequor, sagte Medea, Jch sehe und erkenne das gute/ lobe es auch/ ergreiffe doch das böse. Woher kommt dieses monstrum, fragt Augustinus zum drittenAugust. l. nem Sechster Theil. D d
Predigt. der eine erzuͤrnet/ iſt der ander ſedat und ſtill geweſt; daraus erfolget/ daßſie ihnen ſelbſt manchmal in die Haar gerathen. Eben ein ſolch mon- ſtrum und Mißgeburt/ ein ſolcher doppelter Menſch iſt nunmehr ein ieder Menſch nach dem Fall. Da zuvor alle innerliche Kraͤfften in holdſeliger Harmonia zuſammen geſtimmet/ ſo iſt ietzt/ nach dem die Seiten zuſprun- gen/ alles in diſſonantz gerathen; geſtalt dann ſolches auch die Philoſophi aus eigener Erfahrung wargenommen/ ſonderlich Ariſtoteles, der erken-Ariſt. in fi- ne l. 1. Eth. Nic. net zwo Arten und Naturen in der Seel/ λογικηὺ καὶ ἄλογον, die vernuͤnff- tige (ſo zu reden) und unvernuͤnfftige/ die wider einander ſtreiten/ verglei- chet dieſelbe mit einem Glied eines paralytici und Gichtbruͤchigen/ wann derſelbe ſeine Hand gern zur Rechten lenckete/ ſo ſchnellet ſie ihm zur Lin- cken & contrà: So gehets auch in der Seel/ video meliora proboq́ue, deteriora ſequor, ſagte Medea, Jch ſehe und erkenne das gute/ lobe es auch/ ergreiffe doch das boͤſe. Woher kommt dieſes monſtrum, fragt Auguſtinus zum drittenAuguſt. l. nem Sechſter Theil. D d
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Predigt.
der eine erzuͤrnet/ iſt der ander ſedat und ſtill geweſt; daraus erfolget/ daß
ſie ihnen ſelbſt manchmal in die Haar gerathen. Eben ein ſolch mon-
ſtrum und Mißgeburt/ ein ſolcher doppelter Menſch iſt nunmehr ein ieder
Menſch nach dem Fall. Da zuvor alle innerliche Kraͤfften in holdſeliger
Harmonia zuſammen geſtimmet/ ſo iſt ietzt/ nach dem die Seiten zuſprun-
gen/ alles in diſſonantz gerathen; geſtalt dann ſolches auch die Philoſophi
aus eigener Erfahrung wargenommen/ ſonderlich Ariſtoteles, der erken-
net zwo Arten und Naturen in der Seel/ λογικηὺ καὶ ἄλογον, die vernuͤnff-
tige (ſo zu reden) und unvernuͤnfftige/ die wider einander ſtreiten/ verglei-
chet dieſelbe mit einem Glied eines paralytici und Gichtbruͤchigen/ wann
derſelbe ſeine Hand gern zur Rechten lenckete/ ſo ſchnellet ſie ihm zur Lin-
cken & contrà: So gehets auch in der Seel/ video meliora proboq́ue,
deteriora ſequor, ſagte Medea, Jch ſehe und erkenne das gute/ lobe es
auch/ ergreiffe doch das boͤſe.
Ariſt. in fi-
ne l. 1. Eth.
Nic.
Woher kommt dieſes monſtrum, fragt Auguſtinus zum dritten
mal? Im perat animus corpori, & paretur ſtatim; imperat animus ſibi
& reſiſtitur; Das Gemuͤthe gebietet dem Leibe/ und er leiſtet gar bald Ge-
horſam; das Gemuͤthe befihlet ihme ſelbſt/ aber da iſt Widerſtand. Er
antwortet an einem andern Ort und ſaget: Sic vindicatur in rebellem
adverſus Deum, ut ipſe ſibi ſit bellum, qui pacem noluit habere cum
Deo; Es geſchehe zur Rach wegen des Auffruhrs wider Gott/ daß der
jenige mit ſich ſelbſt zu ſtreiten habe/ der keinen Frieden mit Gott haben
wollen. Ja was wollen wir ſagen? Erzeiget ſich ſolches monſtrum und
Mißgeburt auff gewiſſe Weiſe und Maß auch bey den allbereit heiligen
und wiedergebornen Kindern Gottes/ die ſeuffzen alleſammt mit der
Kirch: Ertoͤdte uns durch deine Guͤte/ erwecke uns durch deine
Gnad/ den alten Menſchen kraͤncke/ daß der neu leben mag!
Der Apoſtel ſchreibet davon Galat. 5. Das Fleiſch geluͤſtet wider
den Geiſt/ und den Geiſt wider das Fleiſch; dieſelbe ſind wi-
der einander/ daß ihr nicht thut was ihr wollet: Sonderlich er-
ſcheinet ſolches aus der eigenen Erfahrung/ auch des heiligen Apoſtels
Pauli ſelbſt/ der ſaget Rom. 7. Jch thue nicht/ das ich will; ſon-
dern das ich haſſe/ das thue ich/ nicht aber ich/ ſondern die
Suͤnde/ ſo in mir wohnet. Jch habe Luſt an Gottes Geſetz/
nach dem innwendigen Menſchen/ ich ſehe aber ein ander Ge-
ſetz in meinen Gliedern/ das da widerſtreitet dem Geſetz in mei-
nem
Auguſt. l.
8. Confeſſ.
c. 9.
Auguſt. in
Pſal. 75.
Gal. 5, 17.
Rom. 7, 15.
17. 22. 23.
24.
Sechſter Theil. D d
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