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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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V. Unterricht d. Unerwachsenen, od. v. Schulwesen.
schaft von der einfachsten Erkenntniß aus, knüpft an sie
durch eine niemahls abbrechende Kette von Schlußfolgen,
die keine Lücke des Fleißes duldet, neue eben so gewisse
Kenntnisse an; sie durchdringt den Schüler mit dem Ge-
fühle der vollkommensten Evidenz, mit dem tiefsten Glau-
ben daran, daß es Wahrheit giebt, unumstößliche; zu-
gleich aber entwickelt sie in ihm die eben so nothwendige
Erkenntniß, daß nicht alle Wahrheit mathematisch sey,
wenn er nehmlich die bloß formalen Größen verlassend, von
der Arithmetik und Algebra aus zur angewandten Mathe-
matik übergeht, wo denn seine mathematische Formel man-
nigfach modificirt wird durch die hier und dort abweichen-
den Naturthätigkeiten. Dergestalt verbindet sich die Ma-
thematik, die in ihrer Wurzel bloß formale, auf die ein-
fachste Weise mit den materiellen Bildungselementen, durch
die Naturwissenschaften, gleichwie die Sprachkunde durch
das Studium der Alten mit der Geschichte; und in diesem
Sinne ist die Königlich Preußische Instruction für die
Gymnasien der Rhein-Provinzen vom 18. Sept. 1814
mit großer Einsicht abgefaßt.

Bernhardi, Ansichten über die Organisation der gelehrten Schu-
len. Jena 1818. Abh. IV.
Das 1834 zu Berlin erschienene
"Reglement für die Prüfung der zu den Universitäten übergehen-
den Schüler" nennt indeß unter den Prüfungsgegenständen auch
philosophische Propädeutik.

271. Aus den Schulen sind die Universitäten durch
Absonderung hervorgegangen; dadurch aber haben die Schu-
len nicht das Recht erworben sich zu Universitäten zu er-
weitern, oder sich auch nur in den Besitz einzelner Uni-
versitätsgebiete zu setzen. Zwitteranstalten dieser Art über-
springen was sie leisten können, (und ein gelehrter Schul-
stand wie der Deutsche vermag viel) um zu versuchen was

V. Unterricht d. Unerwachſenen, od. v. Schulweſen.
ſchaft von der einfachſten Erkenntniß aus, knuͤpft an ſie
durch eine niemahls abbrechende Kette von Schlußfolgen,
die keine Luͤcke des Fleißes duldet, neue eben ſo gewiſſe
Kenntniſſe an; ſie durchdringt den Schuͤler mit dem Ge-
fuͤhle der vollkommenſten Evidenz, mit dem tiefſten Glau-
ben daran, daß es Wahrheit giebt, unumſtoͤßliche; zu-
gleich aber entwickelt ſie in ihm die eben ſo nothwendige
Erkenntniß, daß nicht alle Wahrheit mathematiſch ſey,
wenn er nehmlich die bloß formalen Groͤßen verlaſſend, von
der Arithmetik und Algebra aus zur angewandten Mathe-
matik uͤbergeht, wo denn ſeine mathematiſche Formel man-
nigfach modificirt wird durch die hier und dort abweichen-
den Naturthaͤtigkeiten. Dergeſtalt verbindet ſich die Ma-
thematik, die in ihrer Wurzel bloß formale, auf die ein-
fachſte Weiſe mit den materiellen Bildungselementen, durch
die Naturwiſſenſchaften, gleichwie die Sprachkunde durch
das Studium der Alten mit der Geſchichte; und in dieſem
Sinne iſt die Koͤniglich Preußiſche Inſtruction fuͤr die
Gymnaſien der Rhein-Provinzen vom 18. Sept. 1814
mit großer Einſicht abgefaßt.

Bernhardi, Anſichten uͤber die Organiſation der gelehrten Schu-
len. Jena 1818. Abh. IV.
Das 1834 zu Berlin erſchienene
“Reglement fuͤr die Pruͤfung der zu den Univerſitaͤten uͤbergehen-
den Schuͤler” nennt indeß unter den Pruͤfungsgegenſtaͤnden auch
philoſophiſche Propaͤdeutik.

271. Aus den Schulen ſind die Univerſitaͤten durch
Abſonderung hervorgegangen; dadurch aber haben die Schu-
len nicht das Recht erworben ſich zu Univerſitaͤten zu er-
weitern, oder ſich auch nur in den Beſitz einzelner Uni-
verſitaͤtsgebiete zu ſetzen. Zwitteranſtalten dieſer Art uͤber-
ſpringen was ſie leiſten koͤnnen, (und ein gelehrter Schul-
ſtand wie der Deutſche vermag viel) um zu verſuchen was

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[271/0283] V. Unterricht d. Unerwachſenen, od. v. Schulweſen. ſchaft von der einfachſten Erkenntniß aus, knuͤpft an ſie durch eine niemahls abbrechende Kette von Schlußfolgen, die keine Luͤcke des Fleißes duldet, neue eben ſo gewiſſe Kenntniſſe an; ſie durchdringt den Schuͤler mit dem Ge- fuͤhle der vollkommenſten Evidenz, mit dem tiefſten Glau- ben daran, daß es Wahrheit giebt, unumſtoͤßliche; zu- gleich aber entwickelt ſie in ihm die eben ſo nothwendige Erkenntniß, daß nicht alle Wahrheit mathematiſch ſey, wenn er nehmlich die bloß formalen Groͤßen verlaſſend, von der Arithmetik und Algebra aus zur angewandten Mathe- matik uͤbergeht, wo denn ſeine mathematiſche Formel man- nigfach modificirt wird durch die hier und dort abweichen- den Naturthaͤtigkeiten. Dergeſtalt verbindet ſich die Ma- thematik, die in ihrer Wurzel bloß formale, auf die ein- fachſte Weiſe mit den materiellen Bildungselementen, durch die Naturwiſſenſchaften, gleichwie die Sprachkunde durch das Studium der Alten mit der Geſchichte; und in dieſem Sinne iſt die Koͤniglich Preußiſche Inſtruction fuͤr die Gymnaſien der Rhein-Provinzen vom 18. Sept. 1814 mit großer Einſicht abgefaßt. Bernhardi, Anſichten uͤber die Organiſation der gelehrten Schu- len. Jena 1818. Abh. IV. Das 1834 zu Berlin erſchienene “Reglement fuͤr die Pruͤfung der zu den Univerſitaͤten uͤbergehen- den Schuͤler” nennt indeß unter den Pruͤfungsgegenſtaͤnden auch philoſophiſche Propaͤdeutik. 271. Aus den Schulen ſind die Univerſitaͤten durch Abſonderung hervorgegangen; dadurch aber haben die Schu- len nicht das Recht erworben ſich zu Univerſitaͤten zu er- weitern, oder ſich auch nur in den Beſitz einzelner Uni- verſitaͤtsgebiete zu ſetzen. Zwitteranſtalten dieſer Art uͤber- ſpringen was ſie leiſten koͤnnen, (und ein gelehrter Schul- ſtand wie der Deutſche vermag viel) um zu verſuchen was

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/283>, abgerufen am 22.05.2024.