Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Von d. Rechte d. Staates üb. Erzieh. u. Unterricht.
Staatszwecke ohne Rücksicht auf die Selbstbestimmung durch
Anlage und Wahl; uns aber verbietet vollends bessere
Einsicht die Seelenverkäuferei an den Staat. Schutz und
Wartung des menschlichen Sprößlings gehören der Familie
an, vornehmlich ihrem weiblichen Theile, dessen gesellschaft-
liche Bestimmung ganz in der Familie enthalten ist; denn
die Jungfrau verläßt diesen Kreis nur um nicht von ihm
verlassen zu werden und indem sie einen anderen begründet.
Auch auf der späteren Bildungsstufe, wo sich Erziehung
und Unterricht unterscheiden, bleibt der Theil der Erziehung,
welcher vom Unterrichte getrennt werden kann, in der Hand
der Familie; den die Bildungsanstalten, welche Erziehung
und Unterricht zugleich umfassen, sind, wie viel auch ihre
freier experimentirende Thätigkeit der Erziehungswissenschaft
nütze, doch nur da am Orte, wo die Familie fehlt, zer-
rüttet, oder von den Mitteln der Bildung verlassen ist.
Der Unterricht geht zwar über die Familie hinaus, und
bedarf je mehr Bildung er bezweckt, um so mehr des Ge-
meinwesens; jedoch wieder nicht so, daß die Regierung sich
des zu unterrichtenden bemächtige. Sie wird öffentliche
Unterrichtsanstalten bilden und sie anbieten, ohne den Pri-
vatunterricht anders als dadurch zu beeinträchtigen, daß die
Regierungsanstalten die vollkommneren sind. Ihrem ober-
aufsehenden Charakter gemäß hat sie das gesammte Unter-
richtswesen im Auge, schreibt die Fächer des öffentlichen
Unterrichts vor, aber nicht die Wahrheiten des Faches, ge-
stattet auch nicht daß die Kinder durch Fahrläßigkeit der
Eltern nichts von dem erfahren, worüber der Mensch nur
zum Schaden seines Heiles unwissend ist. Endlich prüft
der Staat jedweden, bevor er ihn zum Lehren zuläßt.


Von d. Rechte d. Staates uͤb. Erzieh. u. Unterricht.
Staatszwecke ohne Ruͤckſicht auf die Selbſtbeſtimmung durch
Anlage und Wahl; uns aber verbietet vollends beſſere
Einſicht die Seelenverkaͤuferei an den Staat. Schutz und
Wartung des menſchlichen Sproͤßlings gehoͤren der Familie
an, vornehmlich ihrem weiblichen Theile, deſſen geſellſchaft-
liche Beſtimmung ganz in der Familie enthalten iſt; denn
die Jungfrau verlaͤßt dieſen Kreis nur um nicht von ihm
verlaſſen zu werden und indem ſie einen anderen begruͤndet.
Auch auf der ſpaͤteren Bildungsſtufe, wo ſich Erziehung
und Unterricht unterſcheiden, bleibt der Theil der Erziehung,
welcher vom Unterrichte getrennt werden kann, in der Hand
der Familie; den die Bildungsanſtalten, welche Erziehung
und Unterricht zugleich umfaſſen, ſind, wie viel auch ihre
freier experimentirende Thaͤtigkeit der Erziehungswiſſenſchaft
nuͤtze, doch nur da am Orte, wo die Familie fehlt, zer-
ruͤttet, oder von den Mitteln der Bildung verlaſſen iſt.
Der Unterricht geht zwar uͤber die Familie hinaus, und
bedarf je mehr Bildung er bezweckt, um ſo mehr des Ge-
meinweſens; jedoch wieder nicht ſo, daß die Regierung ſich
des zu unterrichtenden bemaͤchtige. Sie wird oͤffentliche
Unterrichtsanſtalten bilden und ſie anbieten, ohne den Pri-
vatunterricht anders als dadurch zu beeintraͤchtigen, daß die
Regierungsanſtalten die vollkommneren ſind. Ihrem ober-
aufſehenden Charakter gemaͤß hat ſie das geſammte Unter-
richtsweſen im Auge, ſchreibt die Faͤcher des oͤffentlichen
Unterrichts vor, aber nicht die Wahrheiten des Faches, ge-
ſtattet auch nicht daß die Kinder durch Fahrlaͤßigkeit der
Eltern nichts von dem erfahren, woruͤber der Menſch nur
zum Schaden ſeines Heiles unwiſſend iſt. Endlich pruͤft
der Staat jedweden, bevor er ihn zum Lehren zulaͤßt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0279" n="267"/><fw place="top" type="header">Von d. Rechte d. Staates u&#x0364;b. Erzieh. u. Unterricht.</fw><lb/>
Staatszwecke ohne Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf die Selb&#x017F;tbe&#x017F;timmung durch<lb/>
Anlage und Wahl; uns aber verbietet vollends be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Ein&#x017F;icht die Seelenverka&#x0364;uferei an den Staat. Schutz und<lb/>
Wartung des men&#x017F;chlichen Spro&#x0364;ßlings geho&#x0364;ren der Familie<lb/>
an, vornehmlich ihrem weiblichen Theile, de&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;ell&#x017F;chaft-<lb/>
liche Be&#x017F;timmung ganz in der Familie enthalten i&#x017F;t; denn<lb/>
die Jungfrau verla&#x0364;ßt die&#x017F;en Kreis nur um nicht von ihm<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en zu werden und indem &#x017F;ie einen anderen begru&#x0364;ndet.<lb/>
Auch auf der &#x017F;pa&#x0364;teren Bildungs&#x017F;tufe, wo &#x017F;ich Erziehung<lb/>
und Unterricht unter&#x017F;cheiden, bleibt der Theil der Erziehung,<lb/>
welcher vom Unterrichte getrennt werden kann, in der Hand<lb/>
der Familie; den die Bildungsan&#x017F;talten, welche Erziehung<lb/>
und Unterricht zugleich umfa&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ind, wie viel auch ihre<lb/>
freier experimentirende Tha&#x0364;tigkeit der Erziehungswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
nu&#x0364;tze, doch nur da am Orte, wo die Familie fehlt, zer-<lb/>
ru&#x0364;ttet, oder von den Mitteln der Bildung verla&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t.<lb/>
Der Unterricht geht zwar u&#x0364;ber die Familie hinaus, und<lb/>
bedarf je mehr Bildung er bezweckt, um &#x017F;o mehr des Ge-<lb/>
meinwe&#x017F;ens; jedoch wieder nicht &#x017F;o, daß die Regierung &#x017F;ich<lb/>
des zu unterrichtenden bema&#x0364;chtige. Sie wird o&#x0364;ffentliche<lb/>
Unterrichtsan&#x017F;talten bilden und &#x017F;ie anbieten, ohne den Pri-<lb/>
vatunterricht anders als dadurch zu beeintra&#x0364;chtigen, daß die<lb/>
Regierungsan&#x017F;talten die vollkommneren &#x017F;ind. Ihrem ober-<lb/>
auf&#x017F;ehenden Charakter gema&#x0364;ß hat &#x017F;ie das ge&#x017F;ammte Unter-<lb/>
richtswe&#x017F;en im Auge, &#x017F;chreibt die Fa&#x0364;cher des o&#x0364;ffentlichen<lb/>
Unterrichts vor, aber nicht die Wahrheiten des Faches, ge-<lb/>
&#x017F;tattet auch nicht daß die Kinder durch Fahrla&#x0364;ßigkeit der<lb/>
Eltern nichts von dem erfahren, woru&#x0364;ber der Men&#x017F;ch nur<lb/>
zum Schaden &#x017F;eines Heiles unwi&#x017F;&#x017F;end i&#x017F;t. Endlich pru&#x0364;ft<lb/>
der Staat jedweden, bevor er ihn zum Lehren zula&#x0364;ßt.</p><lb/>
                <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0279] Von d. Rechte d. Staates uͤb. Erzieh. u. Unterricht. Staatszwecke ohne Ruͤckſicht auf die Selbſtbeſtimmung durch Anlage und Wahl; uns aber verbietet vollends beſſere Einſicht die Seelenverkaͤuferei an den Staat. Schutz und Wartung des menſchlichen Sproͤßlings gehoͤren der Familie an, vornehmlich ihrem weiblichen Theile, deſſen geſellſchaft- liche Beſtimmung ganz in der Familie enthalten iſt; denn die Jungfrau verlaͤßt dieſen Kreis nur um nicht von ihm verlaſſen zu werden und indem ſie einen anderen begruͤndet. Auch auf der ſpaͤteren Bildungsſtufe, wo ſich Erziehung und Unterricht unterſcheiden, bleibt der Theil der Erziehung, welcher vom Unterrichte getrennt werden kann, in der Hand der Familie; den die Bildungsanſtalten, welche Erziehung und Unterricht zugleich umfaſſen, ſind, wie viel auch ihre freier experimentirende Thaͤtigkeit der Erziehungswiſſenſchaft nuͤtze, doch nur da am Orte, wo die Familie fehlt, zer- ruͤttet, oder von den Mitteln der Bildung verlaſſen iſt. Der Unterricht geht zwar uͤber die Familie hinaus, und bedarf je mehr Bildung er bezweckt, um ſo mehr des Ge- meinweſens; jedoch wieder nicht ſo, daß die Regierung ſich des zu unterrichtenden bemaͤchtige. Sie wird oͤffentliche Unterrichtsanſtalten bilden und ſie anbieten, ohne den Pri- vatunterricht anders als dadurch zu beeintraͤchtigen, daß die Regierungsanſtalten die vollkommneren ſind. Ihrem ober- aufſehenden Charakter gemaͤß hat ſie das geſammte Unter- richtsweſen im Auge, ſchreibt die Faͤcher des oͤffentlichen Unterrichts vor, aber nicht die Wahrheiten des Faches, ge- ſtattet auch nicht daß die Kinder durch Fahrlaͤßigkeit der Eltern nichts von dem erfahren, woruͤber der Menſch nur zum Schaden ſeines Heiles unwiſſend iſt. Endlich pruͤft der Staat jedweden, bevor er ihn zum Lehren zulaͤßt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/279
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/279>, abgerufen am 22.11.2024.