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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Vom Rechte des Widerstandes.
Genug haben, wie der Dichter sagt, darben hieße. Eine
Regierung, die ihren Unterthanen den aufrechten Gang
verböte, welche den Kindern die Herrschaft über die Er-
wachsenen gäbe, schreitet nicht viel rascher dem Übergange
entgegen, als diejenige, welche die Töchter des Landes der
rohen Gewalt Preiß giebt, nicht viel rascher als diejenige,
welche einem froh erwerbenden Volk in sein Recht der
Selbstbeschatzung eingreift und an die Stelle der Steuern
die allgemeine Plünderung setzt, welche sich ausländischer
Macht bedient, um auf die Ruine der vaterländischen Frei-
heiten das Banner der Despotie zu pflanzen, welche dem
kirchlich begeisterten Volk die Gegenstände seiner Vereh-
rung, dem wissenschaftlich erregten Zeitalter den freien
Austausch seiner Gedanken entzieht.

206. Aber was die That der Staatsumwälzung recht-
fertigt oder entschuldigt, hebt darum ihre Folgen nicht auf;
jede Revolution ist nicht bloß das Zeugniß eines ungeheu-
ren Misgeschicks, welches den Staat betroffen hat, und
einer keineswegs bloß einseitigen Verschuldung, sondern
selbst ein Misgeschick, selbst schuldbelastet. Darum werden
weise und gewissenhafte Männer weder das Gelingen einer
Revolution, darum weil es ihre Straflosigkeit verbürgt,
als ihre Rechtfertigung darstellen, noch die zögernde Hand
zur Widersetzlichkeit erheben, als wenn kein Mittel sonst
mehr übrig, der allgemeinen Herabwürdigung zu entgehen.
Denn was allein auf den Herrscher oder die Dynastie an-
gesehen ist, schlägt gar leicht zu einem Umsturze der ganzen
gesellschaftlichen Ordnung aus, und wenn sich auch der
bessere Wille der neuen Herrschaft verbürgen ließe, wird
sie sich auch befestigen können? Eben darum kann der
einmahl entschiedenen Umwälzung sich löblich auch der Va-

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Vom Rechte des Widerſtandes.
Genug haben, wie der Dichter ſagt, darben hieße. Eine
Regierung, die ihren Unterthanen den aufrechten Gang
verboͤte, welche den Kindern die Herrſchaft uͤber die Er-
wachſenen gaͤbe, ſchreitet nicht viel raſcher dem Übergange
entgegen, als diejenige, welche die Toͤchter des Landes der
rohen Gewalt Preiß giebt, nicht viel raſcher als diejenige,
welche einem froh erwerbenden Volk in ſein Recht der
Selbſtbeſchatzung eingreift und an die Stelle der Steuern
die allgemeine Pluͤnderung ſetzt, welche ſich auslaͤndiſcher
Macht bedient, um auf die Ruine der vaterlaͤndiſchen Frei-
heiten das Banner der Despotie zu pflanzen, welche dem
kirchlich begeiſterten Volk die Gegenſtaͤnde ſeiner Vereh-
rung, dem wiſſenſchaftlich erregten Zeitalter den freien
Austauſch ſeiner Gedanken entzieht.

206. Aber was die That der Staatsumwaͤlzung recht-
fertigt oder entſchuldigt, hebt darum ihre Folgen nicht auf;
jede Revolution iſt nicht bloß das Zeugniß eines ungeheu-
ren Misgeſchicks, welches den Staat betroffen hat, und
einer keineswegs bloß einſeitigen Verſchuldung, ſondern
ſelbſt ein Misgeſchick, ſelbſt ſchuldbelaſtet. Darum werden
weiſe und gewiſſenhafte Maͤnner weder das Gelingen einer
Revolution, darum weil es ihre Strafloſigkeit verbuͤrgt,
als ihre Rechtfertigung darſtellen, noch die zoͤgernde Hand
zur Widerſetzlichkeit erheben, als wenn kein Mittel ſonſt
mehr uͤbrig, der allgemeinen Herabwuͤrdigung zu entgehen.
Denn was allein auf den Herrſcher oder die Dynaſtie an-
geſehen iſt, ſchlaͤgt gar leicht zu einem Umſturze der ganzen
geſellſchaftlichen Ordnung aus, und wenn ſich auch der
beſſere Wille der neuen Herrſchaft verbuͤrgen ließe, wird
ſie ſich auch befeſtigen koͤnnen? Eben darum kann der
einmahl entſchiedenen Umwaͤlzung ſich loͤblich auch der Va-

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[179/0191] Vom Rechte des Widerſtandes. Genug haben, wie der Dichter ſagt, darben hieße. Eine Regierung, die ihren Unterthanen den aufrechten Gang verboͤte, welche den Kindern die Herrſchaft uͤber die Er- wachſenen gaͤbe, ſchreitet nicht viel raſcher dem Übergange entgegen, als diejenige, welche die Toͤchter des Landes der rohen Gewalt Preiß giebt, nicht viel raſcher als diejenige, welche einem froh erwerbenden Volk in ſein Recht der Selbſtbeſchatzung eingreift und an die Stelle der Steuern die allgemeine Pluͤnderung ſetzt, welche ſich auslaͤndiſcher Macht bedient, um auf die Ruine der vaterlaͤndiſchen Frei- heiten das Banner der Despotie zu pflanzen, welche dem kirchlich begeiſterten Volk die Gegenſtaͤnde ſeiner Vereh- rung, dem wiſſenſchaftlich erregten Zeitalter den freien Austauſch ſeiner Gedanken entzieht. 206. Aber was die That der Staatsumwaͤlzung recht- fertigt oder entſchuldigt, hebt darum ihre Folgen nicht auf; jede Revolution iſt nicht bloß das Zeugniß eines ungeheu- ren Misgeſchicks, welches den Staat betroffen hat, und einer keineswegs bloß einſeitigen Verſchuldung, ſondern ſelbſt ein Misgeſchick, ſelbſt ſchuldbelaſtet. Darum werden weiſe und gewiſſenhafte Maͤnner weder das Gelingen einer Revolution, darum weil es ihre Strafloſigkeit verbuͤrgt, als ihre Rechtfertigung darſtellen, noch die zoͤgernde Hand zur Widerſetzlichkeit erheben, als wenn kein Mittel ſonſt mehr uͤbrig, der allgemeinen Herabwuͤrdigung zu entgehen. Denn was allein auf den Herrſcher oder die Dynaſtie an- geſehen iſt, ſchlaͤgt gar leicht zu einem Umſturze der ganzen geſellſchaftlichen Ordnung aus, und wenn ſich auch der beſſere Wille der neuen Herrſchaft verbuͤrgen ließe, wird ſie ſich auch befeſtigen koͤnnen? Eben darum kann der einmahl entſchiedenen Umwaͤlzung ſich loͤblich auch der Va- 12*

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/191>, abgerufen am 23.11.2024.