Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Bildung des Ober-Hauses. bewahrt. Es duldet keine Aristokratie irgend einer Artneben seinem Könige, und macht gleichwohl den Versuch, zwei Kammern allein dadurch zu bilden, daß ein Viertheil der zu der Ständeversammlung gewählten Mitglieder die eine kleinere Kammer ausmacht, die übrigen drei Viertheile die andere, ohne irgend einen Beschaffenheitsunterschied. Die größere Versammlung (Odelsthing) hat das Vorschlags- Recht, die kleinere (Lagthing) genehmigt oder lehnt ab. Auch ohne die bei dieser Einrichtung begangenen Fehler (welche darin bestehen, daß 1) die Ausscheidung des Vier- theils von der noch ungetheilten, noch thatenlosen Stände- versammlung selber ausgeht, daß 2) auch diese ungetheilte Ständeversammlung in den Fällen wiederkehrt, wenn beide Kammern beharrlich uneinig sind und die Entscheidung giebt, und somit das System der zwei Kammern nur scheinbar existirt) bleiben das doch zwei Kammern, die sich durch nichts anders als die Zahl von einander unterschei- den, weder durch Geburt, noch durch Vermögen, noch durch Alter, noch Amt, noch lebenslängliche oder doch für längere Zeit verfügte Einsetzung. Welcher Grund aber ist, daß 1/4 die Gewalt habe, gegen 3/4 einzusprechen? Beab- sichtigt man der geringeren Zahl gleiches Gewicht mit der größeren zu geben, so muß jene durch ihre Beschaffenheit Gewicht erhalten. 147. Eine erbliche Englische Pärschaft läßt sich zwar Bildung des Ober-Hauſes. bewahrt. Es duldet keine Ariſtokratie irgend einer Artneben ſeinem Koͤnige, und macht gleichwohl den Verſuch, zwei Kammern allein dadurch zu bilden, daß ein Viertheil der zu der Staͤndeverſammlung gewaͤhlten Mitglieder die eine kleinere Kammer ausmacht, die uͤbrigen drei Viertheile die andere, ohne irgend einen Beſchaffenheitsunterſchied. Die groͤßere Verſammlung (Odelsthing) hat das Vorſchlags- Recht, die kleinere (Lagthing) genehmigt oder lehnt ab. Auch ohne die bei dieſer Einrichtung begangenen Fehler (welche darin beſtehen, daß 1) die Ausſcheidung des Vier- theils von der noch ungetheilten, noch thatenloſen Staͤnde- verſammlung ſelber ausgeht, daß 2) auch dieſe ungetheilte Staͤndeverſammlung in den Faͤllen wiederkehrt, wenn beide Kammern beharrlich uneinig ſind und die Entſcheidung giebt, und ſomit das Syſtem der zwei Kammern nur ſcheinbar exiſtirt) bleiben das doch zwei Kammern, die ſich durch nichts anders als die Zahl von einander unterſchei- den, weder durch Geburt, noch durch Vermoͤgen, noch durch Alter, noch Amt, noch lebenslaͤngliche oder doch fuͤr laͤngere Zeit verfuͤgte Einſetzung. Welcher Grund aber iſt, daß ¼ die Gewalt habe, gegen ¾ einzuſprechen? Beab- ſichtigt man der geringeren Zahl gleiches Gewicht mit der groͤßeren zu geben, ſo muß jene durch ihre Beſchaffenheit Gewicht erhalten. 147. Eine erbliche Engliſche Paͤrſchaft laͤßt ſich zwar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0137" n="125"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Bildung des Ober-Hauſes</hi>.</fw><lb/> bewahrt. 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Bildung des Ober-Hauſes.
bewahrt. Es duldet keine Ariſtokratie irgend einer Art
neben ſeinem Koͤnige, und macht gleichwohl den Verſuch,
zwei Kammern allein dadurch zu bilden, daß ein Viertheil
der zu der Staͤndeverſammlung gewaͤhlten Mitglieder die
eine kleinere Kammer ausmacht, die uͤbrigen drei Viertheile
die andere, ohne irgend einen Beſchaffenheitsunterſchied.
Die groͤßere Verſammlung (Odelsthing) hat das Vorſchlags-
Recht, die kleinere (Lagthing) genehmigt oder lehnt ab.
Auch ohne die bei dieſer Einrichtung begangenen Fehler
(welche darin beſtehen, daß 1) die Ausſcheidung des Vier-
theils von der noch ungetheilten, noch thatenloſen Staͤnde-
verſammlung ſelber ausgeht, daß 2) auch dieſe ungetheilte
Staͤndeverſammlung in den Faͤllen wiederkehrt, wenn beide
Kammern beharrlich uneinig ſind und die Entſcheidung
giebt, und ſomit das Syſtem der zwei Kammern nur
ſcheinbar exiſtirt) bleiben das doch zwei Kammern, die ſich
durch nichts anders als die Zahl von einander unterſchei-
den, weder durch Geburt, noch durch Vermoͤgen, noch
durch Alter, noch Amt, noch lebenslaͤngliche oder doch fuͤr
laͤngere Zeit verfuͤgte Einſetzung. Welcher Grund aber iſt,
daß ¼ die Gewalt habe, gegen ¾ einzuſprechen? Beab-
ſichtigt man der geringeren Zahl gleiches Gewicht mit der
groͤßeren zu geben, ſo muß jene durch ihre Beſchaffenheit
Gewicht erhalten.
147. Eine erbliche Engliſche Paͤrſchaft laͤßt ſich zwar
nicht kuͤnſtlich erſchaffen: alter Ruf der Geſchlechter, mit
ungeheurem Grundvermoͤgen in den verſchiedenen Landes-
theilen in herkoͤmmlichem Anſehn wurzelnd, gepaart mit
dem Glanze neuer durch die Paͤrie belohnter Verdienſte
und mit dem hoͤchſten geiſtlichen und weltlichen Amtsadel.
Allein in keinem Staate, und auch in den Deutſchen
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