Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Fünftes Capitel. Stände, doch keine ständische Mitglieder, erwählen sollen.Wenn aber ein stehender Gerichtshof solcher Art beabsichtigt wird (und dahin sprechen sich beide angeführte Verfassungs- urkunden aus), so hieße das viele Menschen-Kraft ver- geuden für einen vielleicht in Menschenaltern nicht vor- kommenden Zweck, und Wenigen möchte eine solche jede sonstige Thätigkeit gefährdende Stellung zusagen; wenn ein für den eingetretenen Fall zu errichtender, so ist der Partheisucht bei der Wahl der Richter Thür und Thor geöffnet. Das Begnadigungsrecht ist in den meisten Deut- schen Verfassungen für diesen Fall verzichtet. Die Anklage muß nach der Bestimmung der Bayrischen und Hannover- schen Verfassung auf die absichtliche Verletzung der Ver- fassung gerichtet seyn, womit dem Rechte der Beschwerde- führung nichts entzogen ist. Ganz abnorm steht inzwischen die Verfassung des Kö- 136. Die Anklage der Minister ist das äußerste Mittel Fuͤnftes Capitel. Staͤnde, doch keine ſtaͤndiſche Mitglieder, erwaͤhlen ſollen.Wenn aber ein ſtehender Gerichtshof ſolcher Art beabſichtigt wird (und dahin ſprechen ſich beide angefuͤhrte Verfaſſungs- urkunden aus), ſo hieße das viele Menſchen-Kraft ver- geuden fuͤr einen vielleicht in Menſchenaltern nicht vor- kommenden Zweck, und Wenigen moͤchte eine ſolche jede ſonſtige Thaͤtigkeit gefaͤhrdende Stellung zuſagen; wenn ein fuͤr den eingetretenen Fall zu errichtender, ſo iſt der Partheiſucht bei der Wahl der Richter Thuͤr und Thor geoͤffnet. Das Begnadigungsrecht iſt in den meiſten Deut- ſchen Verfaſſungen fuͤr dieſen Fall verzichtet. Die Anklage muß nach der Beſtimmung der Bayriſchen und Hannover- ſchen Verfaſſung auf die abſichtliche Verletzung der Ver- faſſung gerichtet ſeyn, womit dem Rechte der Beſchwerde- fuͤhrung nichts entzogen iſt. Ganz abnorm ſteht inzwiſchen die Verfaſſung des Koͤ- 136. Die Anklage der Miniſter iſt das aͤußerſte Mittel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0118" n="106"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/> Staͤnde, doch keine ſtaͤndiſche Mitglieder, erwaͤhlen ſollen.<lb/> Wenn aber ein ſtehender Gerichtshof ſolcher Art beabſichtigt<lb/> wird (und dahin ſprechen ſich beide angefuͤhrte Verfaſſungs-<lb/> urkunden aus), ſo hieße das viele Menſchen-Kraft ver-<lb/> geuden fuͤr einen vielleicht in Menſchenaltern nicht vor-<lb/> kommenden Zweck, und Wenigen moͤchte eine ſolche jede<lb/> ſonſtige Thaͤtigkeit gefaͤhrdende Stellung zuſagen; wenn<lb/> ein fuͤr den eingetretenen Fall zu errichtender, ſo iſt der<lb/> Partheiſucht bei der Wahl der Richter Thuͤr und Thor<lb/> geoͤffnet. Das Begnadigungsrecht iſt in den meiſten Deut-<lb/> ſchen Verfaſſungen fuͤr dieſen Fall verzichtet. Die Anklage<lb/> muß nach der Beſtimmung der Bayriſchen und Hannover-<lb/> ſchen Verfaſſung auf die abſichtliche Verletzung der Ver-<lb/> faſſung gerichtet ſeyn, womit dem Rechte der Beſchwerde-<lb/> fuͤhrung nichts entzogen iſt.</p><lb/> <p>Ganz abnorm ſteht inzwiſchen die Verfaſſung des Koͤ-<lb/> nigreiches Niederland da, welche die Unverantwortlichkeit<lb/> des Koͤnigs nirgend ausſpricht, nirgend die Verantwort-<lb/> lichkeit der Miniſter, und Act. 179. <hi rendition="#g">Klagen gegen<lb/> den Koͤnig</hi> (auf perſoͤnliche Verantwortung?) annimmt<lb/> und an den Obergerichtshof verweist. Und dieſe Verfaſ-<lb/> ſung iſt das Werk des regierenden Koͤnigs. In ſtarkem Ge-<lb/> genſatze will die Belgiſche Verfaſſung vom 25. Febr. 1831.<lb/> Art. 134. (<hi rendition="#aq">Dispositions transitoires</hi>) mit Miniſter-An-<lb/> klagen ſchon verfahren, ehe noch das Geſetz, welches ſie<lb/> regeln ſoll, erlaſſen iſt. Denn bis dahin beſitzt die Re-<lb/> praͤſentanten-Kammer eine willkuͤhrliche Gewalt (<hi rendition="#aq">pouvoir<lb/> discrétionnaire</hi>) der Anklage, der Caſſationshof der Ent-<lb/> ſcheidung; die ſchwerſte Strafe aber ſoll Gefaͤngniß ſeyn.</p><lb/> <p>136. Die Anklage der Miniſter iſt das aͤußerſte Mittel<lb/> des Widerſtandes, ich nenne es das Schwert der Staͤnde;<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0118]
Fuͤnftes Capitel.
Staͤnde, doch keine ſtaͤndiſche Mitglieder, erwaͤhlen ſollen.
Wenn aber ein ſtehender Gerichtshof ſolcher Art beabſichtigt
wird (und dahin ſprechen ſich beide angefuͤhrte Verfaſſungs-
urkunden aus), ſo hieße das viele Menſchen-Kraft ver-
geuden fuͤr einen vielleicht in Menſchenaltern nicht vor-
kommenden Zweck, und Wenigen moͤchte eine ſolche jede
ſonſtige Thaͤtigkeit gefaͤhrdende Stellung zuſagen; wenn
ein fuͤr den eingetretenen Fall zu errichtender, ſo iſt der
Partheiſucht bei der Wahl der Richter Thuͤr und Thor
geoͤffnet. Das Begnadigungsrecht iſt in den meiſten Deut-
ſchen Verfaſſungen fuͤr dieſen Fall verzichtet. Die Anklage
muß nach der Beſtimmung der Bayriſchen und Hannover-
ſchen Verfaſſung auf die abſichtliche Verletzung der Ver-
faſſung gerichtet ſeyn, womit dem Rechte der Beſchwerde-
fuͤhrung nichts entzogen iſt.
Ganz abnorm ſteht inzwiſchen die Verfaſſung des Koͤ-
nigreiches Niederland da, welche die Unverantwortlichkeit
des Koͤnigs nirgend ausſpricht, nirgend die Verantwort-
lichkeit der Miniſter, und Act. 179. Klagen gegen
den Koͤnig (auf perſoͤnliche Verantwortung?) annimmt
und an den Obergerichtshof verweist. Und dieſe Verfaſ-
ſung iſt das Werk des regierenden Koͤnigs. In ſtarkem Ge-
genſatze will die Belgiſche Verfaſſung vom 25. Febr. 1831.
Art. 134. (Dispositions transitoires) mit Miniſter-An-
klagen ſchon verfahren, ehe noch das Geſetz, welches ſie
regeln ſoll, erlaſſen iſt. Denn bis dahin beſitzt die Re-
praͤſentanten-Kammer eine willkuͤhrliche Gewalt (pouvoir
discrétionnaire) der Anklage, der Caſſationshof der Ent-
ſcheidung; die ſchwerſte Strafe aber ſoll Gefaͤngniß ſeyn.
136. Die Anklage der Miniſter iſt das aͤußerſte Mittel
des Widerſtandes, ich nenne es das Schwert der Staͤnde;
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