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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Fünftes Capitel.
Stände, doch keine ständische Mitglieder, erwählen sollen.
Wenn aber ein stehender Gerichtshof solcher Art beabsichtigt
wird (und dahin sprechen sich beide angeführte Verfassungs-
urkunden aus), so hieße das viele Menschen-Kraft ver-
geuden für einen vielleicht in Menschenaltern nicht vor-
kommenden Zweck, und Wenigen möchte eine solche jede
sonstige Thätigkeit gefährdende Stellung zusagen; wenn
ein für den eingetretenen Fall zu errichtender, so ist der
Partheisucht bei der Wahl der Richter Thür und Thor
geöffnet. Das Begnadigungsrecht ist in den meisten Deut-
schen Verfassungen für diesen Fall verzichtet. Die Anklage
muß nach der Bestimmung der Bayrischen und Hannover-
schen Verfassung auf die absichtliche Verletzung der Ver-
fassung gerichtet seyn, womit dem Rechte der Beschwerde-
führung nichts entzogen ist.

Ganz abnorm steht inzwischen die Verfassung des Kö-
nigreiches Niederland da, welche die Unverantwortlichkeit
des Königs nirgend ausspricht, nirgend die Verantwort-
lichkeit der Minister, und Act. 179. Klagen gegen
den König
(auf persönliche Verantwortung?) annimmt
und an den Obergerichtshof verweist. Und diese Verfas-
sung ist das Werk des regierenden Königs. In starkem Ge-
gensatze will die Belgische Verfassung vom 25. Febr. 1831.
Art. 134. (Dispositions transitoires) mit Minister-An-
klagen schon verfahren, ehe noch das Gesetz, welches sie
regeln soll, erlassen ist. Denn bis dahin besitzt die Re-
präsentanten-Kammer eine willkührliche Gewalt (pouvoir
discretionnaire
) der Anklage, der Cassationshof der Ent-
scheidung; die schwerste Strafe aber soll Gefängniß seyn.

136. Die Anklage der Minister ist das äußerste Mittel
des Widerstandes, ich nenne es das Schwert der Stände;

Fuͤnftes Capitel.
Staͤnde, doch keine ſtaͤndiſche Mitglieder, erwaͤhlen ſollen.
Wenn aber ein ſtehender Gerichtshof ſolcher Art beabſichtigt
wird (und dahin ſprechen ſich beide angefuͤhrte Verfaſſungs-
urkunden aus), ſo hieße das viele Menſchen-Kraft ver-
geuden fuͤr einen vielleicht in Menſchenaltern nicht vor-
kommenden Zweck, und Wenigen moͤchte eine ſolche jede
ſonſtige Thaͤtigkeit gefaͤhrdende Stellung zuſagen; wenn
ein fuͤr den eingetretenen Fall zu errichtender, ſo iſt der
Partheiſucht bei der Wahl der Richter Thuͤr und Thor
geoͤffnet. Das Begnadigungsrecht iſt in den meiſten Deut-
ſchen Verfaſſungen fuͤr dieſen Fall verzichtet. Die Anklage
muß nach der Beſtimmung der Bayriſchen und Hannover-
ſchen Verfaſſung auf die abſichtliche Verletzung der Ver-
faſſung gerichtet ſeyn, womit dem Rechte der Beſchwerde-
fuͤhrung nichts entzogen iſt.

Ganz abnorm ſteht inzwiſchen die Verfaſſung des Koͤ-
nigreiches Niederland da, welche die Unverantwortlichkeit
des Koͤnigs nirgend ausſpricht, nirgend die Verantwort-
lichkeit der Miniſter, und Act. 179. Klagen gegen
den Koͤnig
(auf perſoͤnliche Verantwortung?) annimmt
und an den Obergerichtshof verweist. Und dieſe Verfaſ-
ſung iſt das Werk des regierenden Koͤnigs. In ſtarkem Ge-
genſatze will die Belgiſche Verfaſſung vom 25. Febr. 1831.
Art. 134. (Dispositions transitoires) mit Miniſter-An-
klagen ſchon verfahren, ehe noch das Geſetz, welches ſie
regeln ſoll, erlaſſen iſt. Denn bis dahin beſitzt die Re-
praͤſentanten-Kammer eine willkuͤhrliche Gewalt (pouvoir
discrétionnaire
) der Anklage, der Caſſationshof der Ent-
ſcheidung; die ſchwerſte Strafe aber ſoll Gefaͤngniß ſeyn.

136. Die Anklage der Miniſter iſt das aͤußerſte Mittel
des Widerſtandes, ich nenne es das Schwert der Staͤnde;

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[106/0118] Fuͤnftes Capitel. Staͤnde, doch keine ſtaͤndiſche Mitglieder, erwaͤhlen ſollen. Wenn aber ein ſtehender Gerichtshof ſolcher Art beabſichtigt wird (und dahin ſprechen ſich beide angefuͤhrte Verfaſſungs- urkunden aus), ſo hieße das viele Menſchen-Kraft ver- geuden fuͤr einen vielleicht in Menſchenaltern nicht vor- kommenden Zweck, und Wenigen moͤchte eine ſolche jede ſonſtige Thaͤtigkeit gefaͤhrdende Stellung zuſagen; wenn ein fuͤr den eingetretenen Fall zu errichtender, ſo iſt der Partheiſucht bei der Wahl der Richter Thuͤr und Thor geoͤffnet. Das Begnadigungsrecht iſt in den meiſten Deut- ſchen Verfaſſungen fuͤr dieſen Fall verzichtet. Die Anklage muß nach der Beſtimmung der Bayriſchen und Hannover- ſchen Verfaſſung auf die abſichtliche Verletzung der Ver- faſſung gerichtet ſeyn, womit dem Rechte der Beſchwerde- fuͤhrung nichts entzogen iſt. Ganz abnorm ſteht inzwiſchen die Verfaſſung des Koͤ- nigreiches Niederland da, welche die Unverantwortlichkeit des Koͤnigs nirgend ausſpricht, nirgend die Verantwort- lichkeit der Miniſter, und Act. 179. Klagen gegen den Koͤnig (auf perſoͤnliche Verantwortung?) annimmt und an den Obergerichtshof verweist. Und dieſe Verfaſ- ſung iſt das Werk des regierenden Koͤnigs. In ſtarkem Ge- genſatze will die Belgiſche Verfaſſung vom 25. Febr. 1831. Art. 134. (Dispositions transitoires) mit Miniſter-An- klagen ſchon verfahren, ehe noch das Geſetz, welches ſie regeln ſoll, erlaſſen iſt. Denn bis dahin beſitzt die Re- praͤſentanten-Kammer eine willkuͤhrliche Gewalt (pouvoir discrétionnaire) der Anklage, der Caſſationshof der Ent- ſcheidung; die ſchwerſte Strafe aber ſoll Gefaͤngniß ſeyn. 136. Die Anklage der Miniſter iſt das aͤußerſte Mittel des Widerſtandes, ich nenne es das Schwert der Staͤnde;

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/118>, abgerufen am 24.11.2024.