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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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zwei Minister waren wider Willen des Alten eingeschwärzt,
in die Marine de Castries, in das Kriegswesen Graf
Segur. Da strömte plötzlich eine Zahl von Flugschriften
gegen Necker aus, eifrig befördert und verbreitet von allen
Denen, welchen das Ersparungssystem zuwider war, na-
mentlich dem Grafen von Artois, und Necker verdarb seine
Sache, indem er mit krankhafter Reizbarkeit Verfolgungen
gegen die Verfasser anstellte. Nicht lange so ward der
König stutzig, wandte sich an Vergennes und vernahm von
diesem, daß es allerdings gewagt sey ein so zartes Geschäft
wie die Verwaltung der Finanzen in die Hände eines Aus-
länders niederzulegen, der Protestant sey und republika-
nische Grundsätze mit der Muttermilch eingesogen habe.
Als nun Necker gerade jetzt einen Beweis der königlichen
Gunst seinen Feinden gegenüber begehrte, den Eintritt in
das Cabinet mit Sitz und Stimme als wirklicher Finanz-
minister erbat, traf ihn das Nein des Königs so bitter,
daß selbst die Bitten der Königin nichts über ihn vermoch-
ten; er reichte seine Entlassung ein, die ihm gern ertheiltMai 20.
ward, wenig Wochen nach Turgots Tode. Neckers Ent-
fernung ward wie ein öffentliches Unglück betrauert und
er selbst hat später die Hast bereut, mit welcher er seine
Finanzarbeiten und die eben erst nach Turgots Plane in
ein Paar Provinzen versuchsweise eingeführten Provin-
zialversammlungen im Stiche ließ. Nur ein halbes Jahr
noch Geduld, mit dem öffentlichen Zutraun sich getröstet,
und Maurepas hatte seine Schuldigkeit gethan, war todt!

zwei Miniſter waren wider Willen des Alten eingeſchwärzt,
in die Marine de Caſtries, in das Kriegsweſen Graf
Segur. Da ſtrömte plötzlich eine Zahl von Flugſchriften
gegen Necker aus, eifrig befördert und verbreitet von allen
Denen, welchen das Erſparungsſyſtem zuwider war, na-
mentlich dem Grafen von Artois, und Necker verdarb ſeine
Sache, indem er mit krankhafter Reizbarkeit Verfolgungen
gegen die Verfaſſer anſtellte. Nicht lange ſo ward der
König ſtutzig, wandte ſich an Vergennes und vernahm von
dieſem, daß es allerdings gewagt ſey ein ſo zartes Geſchäft
wie die Verwaltung der Finanzen in die Hände eines Aus-
länders niederzulegen, der Proteſtant ſey und republika-
niſche Grundſätze mit der Muttermilch eingeſogen habe.
Als nun Necker gerade jetzt einen Beweis der königlichen
Gunſt ſeinen Feinden gegenüber begehrte, den Eintritt in
das Cabinet mit Sitz und Stimme als wirklicher Finanz-
miniſter erbat, traf ihn das Nein des Königs ſo bitter,
daß ſelbſt die Bitten der Königin nichts über ihn vermoch-
ten; er reichte ſeine Entlaſſung ein, die ihm gern ertheiltMai 20.
ward, wenig Wochen nach Turgots Tode. Neckers Ent-
fernung ward wie ein öffentliches Unglück betrauert und
er ſelbſt hat ſpäter die Haſt bereut, mit welcher er ſeine
Finanzarbeiten und die eben erſt nach Turgots Plane in
ein Paar Provinzen verſuchsweiſe eingeführten Provin-
zialverſammlungen im Stiche ließ. Nur ein halbes Jahr
noch Geduld, mit dem öffentlichen Zutraun ſich getröſtet,
und Maurepas hatte ſeine Schuldigkeit gethan, war todt!

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[87/0097] zwei Miniſter waren wider Willen des Alten eingeſchwärzt, in die Marine de Caſtries, in das Kriegsweſen Graf Segur. Da ſtrömte plötzlich eine Zahl von Flugſchriften gegen Necker aus, eifrig befördert und verbreitet von allen Denen, welchen das Erſparungsſyſtem zuwider war, na- mentlich dem Grafen von Artois, und Necker verdarb ſeine Sache, indem er mit krankhafter Reizbarkeit Verfolgungen gegen die Verfaſſer anſtellte. Nicht lange ſo ward der König ſtutzig, wandte ſich an Vergennes und vernahm von dieſem, daß es allerdings gewagt ſey ein ſo zartes Geſchäft wie die Verwaltung der Finanzen in die Hände eines Aus- länders niederzulegen, der Proteſtant ſey und republika- niſche Grundſätze mit der Muttermilch eingeſogen habe. Als nun Necker gerade jetzt einen Beweis der königlichen Gunſt ſeinen Feinden gegenüber begehrte, den Eintritt in das Cabinet mit Sitz und Stimme als wirklicher Finanz- miniſter erbat, traf ihn das Nein des Königs ſo bitter, daß ſelbſt die Bitten der Königin nichts über ihn vermoch- ten; er reichte ſeine Entlaſſung ein, die ihm gern ertheilt ward, wenig Wochen nach Turgots Tode. Neckers Ent- fernung ward wie ein öffentliches Unglück betrauert und er ſelbſt hat ſpäter die Haſt bereut, mit welcher er ſeine Finanzarbeiten und die eben erſt nach Turgots Plane in ein Paar Provinzen verſuchsweiſe eingeführten Provin- zialverſammlungen im Stiche ließ. Nur ein halbes Jahr noch Geduld, mit dem öffentlichen Zutraun ſich getröſtet, und Maurepas hatte ſeine Schuldigkeit gethan, war todt! Mai 20.

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/97>, abgerufen am 24.11.2024.