Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn nicht zur Schwäche, so zur Despotie verurtheilt.
Vielleicht in keinem Betracht war Frankreich so sehr einem
beschränkten Herkommen unterthan geworden als in Bezug
auf den Vertrieb des Getraides. Man glaubte seit Col-
bert Minister war, diesem wichtigsten Nahrungsmittel die
angestrengteste Sorge der Polizei widmen zu müssen.
Nicht nur daß jede Provinz ihre eigene Zolllinie besaß,
die sich höher und höher gegen die Ausfuhr hob, sobald
der Preis Miene machte sich zu steigern, man privilegirte
gewöhnlich in jeder irgend bedeutenden Stadt eine Anzahl
Personen für diesen Handel, wies ihrer Gesellschaft zu-
gleich einen abgegränzten Landbezirk an, binnen welches
Bezirkes sie allein aufkaufen und durch ebenfalls privile-
girte Auf- und Ablader ihr Getraide in privilegirte städti-
sche Mühlen bringen lassen durfte. Wenn nun das für
eine solche Gesellschaft im gewöhnlichen Laufe der Dinge
einen unverhältnißmäßig großen Gewinn brachte, so war
sie dagegen, sobald eine Besorgniß großer Theurung ein-
trat, aller Willkür von Oben preisgegeben. Man visitirte,
man schrieb Preise vor und strafte als Wucherpreis was
über den Maßstab hinausging, welchen eine kurzsichtige
Behörde sich gebildet hatte. Daneben öffnete man dann
zugleich die theils königlichen theils städtischen Maga-
zine, welche mit unmäßigen Kosten beständig gefüllt wur-
den und deren meist schlecht bestellter Inhalt doch der wirk-
lichen Noth so wenig gewachsen war. Um so augenschein-
licher ward der Muth der Kornhändler, dieser natürlichen

wenn nicht zur Schwäche, ſo zur Despotie verurtheilt.
Vielleicht in keinem Betracht war Frankreich ſo ſehr einem
beſchränkten Herkommen unterthan geworden als in Bezug
auf den Vertrieb des Getraides. Man glaubte ſeit Col-
bert Miniſter war, dieſem wichtigſten Nahrungsmittel die
angeſtrengteſte Sorge der Polizei widmen zu müſſen.
Nicht nur daß jede Provinz ihre eigene Zolllinie beſaß,
die ſich höher und höher gegen die Ausfuhr hob, ſobald
der Preis Miene machte ſich zu ſteigern, man privilegirte
gewöhnlich in jeder irgend bedeutenden Stadt eine Anzahl
Perſonen für dieſen Handel, wies ihrer Geſellſchaft zu-
gleich einen abgegränzten Landbezirk an, binnen welches
Bezirkes ſie allein aufkaufen und durch ebenfalls privile-
girte Auf- und Ablader ihr Getraide in privilegirte ſtädti-
ſche Mühlen bringen laſſen durfte. Wenn nun das für
eine ſolche Geſellſchaft im gewöhnlichen Laufe der Dinge
einen unverhältnißmäßig großen Gewinn brachte, ſo war
ſie dagegen, ſobald eine Beſorgniß großer Theurung ein-
trat, aller Willkür von Oben preisgegeben. Man viſitirte,
man ſchrieb Preiſe vor und ſtrafte als Wucherpreis was
über den Maßſtab hinausging, welchen eine kurzſichtige
Behörde ſich gebildet hatte. Daneben öffnete man dann
zugleich die theils königlichen theils ſtädtiſchen Maga-
zine, welche mit unmäßigen Koſten beſtändig gefüllt wur-
den und deren meiſt ſchlecht beſtellter Inhalt doch der wirk-
lichen Noth ſo wenig gewachſen war. Um ſo augenſchein-
licher ward der Muth der Kornhändler, dieſer natürlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0063" n="53"/>
wenn nicht zur Schwäche, &#x017F;o zur Despotie verurtheilt.<lb/>
Vielleicht in keinem Betracht war Frankreich &#x017F;o &#x017F;ehr einem<lb/>
be&#x017F;chränkten Herkommen unterthan geworden als in Bezug<lb/>
auf den Vertrieb des Getraides. Man glaubte &#x017F;eit Col-<lb/>
bert Mini&#x017F;ter war, die&#x017F;em wichtig&#x017F;ten Nahrungsmittel die<lb/>
ange&#x017F;trengte&#x017F;te Sorge der Polizei widmen zu mü&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Nicht nur daß jede Provinz ihre eigene Zolllinie be&#x017F;aß,<lb/>
die &#x017F;ich höher und höher gegen die Ausfuhr hob, &#x017F;obald<lb/>
der Preis Miene machte &#x017F;ich zu &#x017F;teigern, man privilegirte<lb/>
gewöhnlich in jeder irgend bedeutenden Stadt eine Anzahl<lb/>
Per&#x017F;onen für die&#x017F;en Handel, wies ihrer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu-<lb/>
gleich einen abgegränzten Landbezirk an, binnen welches<lb/>
Bezirkes &#x017F;ie allein aufkaufen und durch ebenfalls privile-<lb/>
girte Auf- und Ablader ihr Getraide in privilegirte &#x017F;tädti-<lb/>
&#x017F;che Mühlen bringen la&#x017F;&#x017F;en durfte. Wenn nun das für<lb/>
eine &#x017F;olche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft im gewöhnlichen Laufe der Dinge<lb/>
einen unverhältnißmäßig großen Gewinn brachte, &#x017F;o war<lb/>
&#x017F;ie dagegen, &#x017F;obald eine Be&#x017F;orgniß großer Theurung ein-<lb/>
trat, aller Willkür von Oben preisgegeben. Man vi&#x017F;itirte,<lb/>
man &#x017F;chrieb Prei&#x017F;e vor und &#x017F;trafte als Wucherpreis was<lb/>
über den Maß&#x017F;tab hinausging, welchen eine kurz&#x017F;ichtige<lb/>
Behörde &#x017F;ich gebildet hatte. Daneben öffnete man dann<lb/>
zugleich die theils königlichen theils &#x017F;tädti&#x017F;chen Maga-<lb/>
zine, welche mit unmäßigen Ko&#x017F;ten be&#x017F;tändig gefüllt wur-<lb/>
den und deren mei&#x017F;t &#x017F;chlecht be&#x017F;tellter Inhalt doch der wirk-<lb/>
lichen Noth &#x017F;o wenig gewach&#x017F;en war. Um &#x017F;o augen&#x017F;chein-<lb/>
licher ward der Muth der Kornhändler, die&#x017F;er natürlichen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0063] wenn nicht zur Schwäche, ſo zur Despotie verurtheilt. Vielleicht in keinem Betracht war Frankreich ſo ſehr einem beſchränkten Herkommen unterthan geworden als in Bezug auf den Vertrieb des Getraides. Man glaubte ſeit Col- bert Miniſter war, dieſem wichtigſten Nahrungsmittel die angeſtrengteſte Sorge der Polizei widmen zu müſſen. Nicht nur daß jede Provinz ihre eigene Zolllinie beſaß, die ſich höher und höher gegen die Ausfuhr hob, ſobald der Preis Miene machte ſich zu ſteigern, man privilegirte gewöhnlich in jeder irgend bedeutenden Stadt eine Anzahl Perſonen für dieſen Handel, wies ihrer Geſellſchaft zu- gleich einen abgegränzten Landbezirk an, binnen welches Bezirkes ſie allein aufkaufen und durch ebenfalls privile- girte Auf- und Ablader ihr Getraide in privilegirte ſtädti- ſche Mühlen bringen laſſen durfte. Wenn nun das für eine ſolche Geſellſchaft im gewöhnlichen Laufe der Dinge einen unverhältnißmäßig großen Gewinn brachte, ſo war ſie dagegen, ſobald eine Beſorgniß großer Theurung ein- trat, aller Willkür von Oben preisgegeben. Man viſitirte, man ſchrieb Preiſe vor und ſtrafte als Wucherpreis was über den Maßſtab hinausging, welchen eine kurzſichtige Behörde ſich gebildet hatte. Daneben öffnete man dann zugleich die theils königlichen theils ſtädtiſchen Maga- zine, welche mit unmäßigen Koſten beſtändig gefüllt wur- den und deren meiſt ſchlecht beſtellter Inhalt doch der wirk- lichen Noth ſo wenig gewachſen war. Um ſo augenſchein- licher ward der Muth der Kornhändler, dieſer natürlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/63
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/63>, abgerufen am 01.05.2024.