Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

unveränderlich, allein in Wahrheit wird sie jedes Jahr
erhöht, durch Hinzufügung von verschiedenen Abgaben, die
nicht dazu gehören. Die Grundsätze ihrer Vertheilung
über die Provinzen und demnächst über die einzelnen Ge-
meinden und vollends die Individuen sind für die Einzel-
nen ein völliges Geheimniß, in welches einzudringen so-
gar der Obersteuerhof vergeblich versucht hat. Nur durch
freigewählte Provinzialversammlungen ließe sich hier Bes-
serung schaffen. Wie es mit der Kopfsteuer stehe, mag
das Eine beweisen, daß Intendanten sich oftmals gerühmt
haben, sie hätten die Einwohner ihrer Generalität be-
droht, sie auf den doppelten Satz zu bringen, falls sie sich
gegen gewisse Anordnungen der Regierung sperrten. Die
ganze Abgabe müßte beseitigt werden. Der Zwanzigste
aber hat von jeher die meisten Gegenvorstellungen erweckt,
weil er am allerwillkürlichsten angelegt ist, und auf dieser
fehlerhaften Grundlage immerfort erhoben und erhöht
wird. Hier müßte ein Kataster in die Mitte treten.

Die Summe von Allem ist: Es kommt nicht auf die
Abschaffung einzelner Misbräuche an, sondern auf die
Umschaffung der Verwaltung und daß dieser Schöpfung
die Dauer gesichert sey über des Königs Regierung hin-
aus. Das Vertrauen auf die gegenwärtige Verwaltung
(Turgot) darf unsern Mund nicht schließen. Ist es denn
wahr, was man zu wiederholen liebt, daß König und Mi-
nister stets dasselbe Interesse haben? Wo es sich vom Ruhme
der Waffen, von der Geltung der königlichen Macht nach

unveränderlich, allein in Wahrheit wird ſie jedes Jahr
erhöht, durch Hinzufügung von verſchiedenen Abgaben, die
nicht dazu gehören. Die Grundſätze ihrer Vertheilung
über die Provinzen und demnächſt über die einzelnen Ge-
meinden und vollends die Individuen ſind für die Einzel-
nen ein völliges Geheimniß, in welches einzudringen ſo-
gar der Oberſteuerhof vergeblich verſucht hat. Nur durch
freigewählte Provinzialverſammlungen ließe ſich hier Beſ-
ſerung ſchaffen. Wie es mit der Kopfſteuer ſtehe, mag
das Eine beweiſen, daß Intendanten ſich oftmals gerühmt
haben, ſie hätten die Einwohner ihrer Generalität be-
droht, ſie auf den doppelten Satz zu bringen, falls ſie ſich
gegen gewiſſe Anordnungen der Regierung ſperrten. Die
ganze Abgabe müßte beſeitigt werden. Der Zwanzigſte
aber hat von jeher die meiſten Gegenvorſtellungen erweckt,
weil er am allerwillkürlichſten angelegt iſt, und auf dieſer
fehlerhaften Grundlage immerfort erhoben und erhöht
wird. Hier müßte ein Kataſter in die Mitte treten.

Die Summe von Allem iſt: Es kommt nicht auf die
Abſchaffung einzelner Misbräuche an, ſondern auf die
Umſchaffung der Verwaltung und daß dieſer Schöpfung
die Dauer geſichert ſey über des Königs Regierung hin-
aus. Das Vertrauen auf die gegenwärtige Verwaltung
(Turgot) darf unſern Mund nicht ſchließen. Iſt es denn
wahr, was man zu wiederholen liebt, daß König und Mi-
niſter ſtets daſſelbe Intereſſe haben? Wo es ſich vom Ruhme
der Waffen, von der Geltung der königlichen Macht nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0054" n="44"/>
unveränderlich, allein in Wahrheit wird &#x017F;ie jedes Jahr<lb/>
erhöht, durch Hinzufügung von ver&#x017F;chiedenen Abgaben, die<lb/>
nicht dazu gehören. Die Grund&#x017F;ätze ihrer Vertheilung<lb/>
über die Provinzen und demnäch&#x017F;t über die einzelnen Ge-<lb/>
meinden und vollends die Individuen &#x017F;ind für die Einzel-<lb/>
nen ein völliges Geheimniß, in welches einzudringen &#x017F;o-<lb/>
gar der Ober&#x017F;teuerhof vergeblich ver&#x017F;ucht hat. Nur durch<lb/>
freigewählte Provinzialver&#x017F;ammlungen ließe &#x017F;ich hier Be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erung &#x017F;chaffen. Wie es mit der Kopf&#x017F;teuer &#x017F;tehe, mag<lb/>
das Eine bewei&#x017F;en, daß Intendanten &#x017F;ich oftmals gerühmt<lb/>
haben, &#x017F;ie hätten die Einwohner ihrer Generalität be-<lb/>
droht, &#x017F;ie auf den doppelten Satz zu bringen, falls &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
gegen gewi&#x017F;&#x017F;e Anordnungen der Regierung &#x017F;perrten. Die<lb/>
ganze Abgabe müßte be&#x017F;eitigt werden. Der Zwanzig&#x017F;te<lb/>
aber hat von jeher die mei&#x017F;ten Gegenvor&#x017F;tellungen erweckt,<lb/>
weil er am allerwillkürlich&#x017F;ten angelegt i&#x017F;t, und auf die&#x017F;er<lb/>
fehlerhaften Grundlage immerfort erhoben und erhöht<lb/>
wird. Hier müßte ein Kata&#x017F;ter in die Mitte treten.</p><lb/>
          <p>Die Summe von Allem i&#x017F;t: Es kommt nicht auf die<lb/>
Ab&#x017F;chaffung einzelner Misbräuche an, &#x017F;ondern auf die<lb/>
Um&#x017F;chaffung der Verwaltung und daß die&#x017F;er Schöpfung<lb/>
die Dauer ge&#x017F;ichert &#x017F;ey über des Königs Regierung hin-<lb/>
aus. Das Vertrauen auf die gegenwärtige Verwaltung<lb/>
(Turgot) darf un&#x017F;ern Mund nicht &#x017F;chließen. I&#x017F;t es denn<lb/>
wahr, was man zu wiederholen liebt, daß König und Mi-<lb/>
ni&#x017F;ter &#x017F;tets da&#x017F;&#x017F;elbe Intere&#x017F;&#x017F;e haben? Wo es &#x017F;ich vom Ruhme<lb/>
der Waffen, von der Geltung der königlichen Macht nach<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0054] unveränderlich, allein in Wahrheit wird ſie jedes Jahr erhöht, durch Hinzufügung von verſchiedenen Abgaben, die nicht dazu gehören. Die Grundſätze ihrer Vertheilung über die Provinzen und demnächſt über die einzelnen Ge- meinden und vollends die Individuen ſind für die Einzel- nen ein völliges Geheimniß, in welches einzudringen ſo- gar der Oberſteuerhof vergeblich verſucht hat. Nur durch freigewählte Provinzialverſammlungen ließe ſich hier Beſ- ſerung ſchaffen. Wie es mit der Kopfſteuer ſtehe, mag das Eine beweiſen, daß Intendanten ſich oftmals gerühmt haben, ſie hätten die Einwohner ihrer Generalität be- droht, ſie auf den doppelten Satz zu bringen, falls ſie ſich gegen gewiſſe Anordnungen der Regierung ſperrten. Die ganze Abgabe müßte beſeitigt werden. Der Zwanzigſte aber hat von jeher die meiſten Gegenvorſtellungen erweckt, weil er am allerwillkürlichſten angelegt iſt, und auf dieſer fehlerhaften Grundlage immerfort erhoben und erhöht wird. Hier müßte ein Kataſter in die Mitte treten. Die Summe von Allem iſt: Es kommt nicht auf die Abſchaffung einzelner Misbräuche an, ſondern auf die Umſchaffung der Verwaltung und daß dieſer Schöpfung die Dauer geſichert ſey über des Königs Regierung hin- aus. Das Vertrauen auf die gegenwärtige Verwaltung (Turgot) darf unſern Mund nicht ſchließen. Iſt es denn wahr, was man zu wiederholen liebt, daß König und Mi- niſter ſtets daſſelbe Intereſſe haben? Wo es ſich vom Ruhme der Waffen, von der Geltung der königlichen Macht nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/54
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/54>, abgerufen am 01.05.2024.