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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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Werk ist diese allgemeine Verwaltungs-Despotie, welche
selbst die Thränen des Volks nicht dulden will. Man hat
auf diesem Wege zuerst die Generalstaaten vernichtet, welche
seit nun 160 Jahren nicht versammelt sind, nachdem man
sie früher selber berufen und fast überflüssig gemacht hatte;
denn man schrieb ohne ihre Einwilligung Steuern aus.
Nicht besser ist es den meisten Provinzen mit ihren besonderen
Ständen ergangen, und wo man sie gelassen hat, da setzt
man ihnen immer engere Schranken. Der Despotismus
macht täglich neue Eroberungen. Die Provinzen, welche
ihre Stände einbüßten, behielten doch als sogenannte
Wahllande (pays d'election) noch einen Rest der ehemali-
gen Freiheiten übrig, indem ihnen erlaubt ward die Ver-
theilung mindestens ihrer Auflagen durch Mitbürger ihrer
eigenen Wahl besorgen zu lassen: allein nur der Name
ist davon übrig geblieben; die Provinz erwählt jene Be-
vollmächtigten nicht mehr, sie sind zu bloßen Werkzeugen
der Intendanten herabgesunken. Ebenmäßig ist auch jeder
Gemeinde ihr natürliches Recht ihre eigenen Angelegen-
heiten zu verwalten, entzogen, der geringste Dorfbeschluß
ist von der Genehmigung der Unterbeamten des Intendan-
ten abhängig. "Man hat der ganzen Nation Vormünder
gegeben." Vorstellungen aus der Provinz, welche sich
auf die Rechte derselben oder auf die der ganzen Nation
beziehen, werden, sobald sie von einem Einzelnen aus-
gehen, als eine strafbare Verwegenheit, wenn von Meh-
reren unterzeichnet, als eine unerlaubte Verbindung be-

Werk iſt dieſe allgemeine Verwaltungs-Despotie, welche
ſelbſt die Thränen des Volks nicht dulden will. Man hat
auf dieſem Wege zuerſt die Generalſtaaten vernichtet, welche
ſeit nun 160 Jahren nicht verſammelt ſind, nachdem man
ſie früher ſelber berufen und faſt überflüſſig gemacht hatte;
denn man ſchrieb ohne ihre Einwilligung Steuern aus.
Nicht beſſer iſt es den meiſten Provinzen mit ihren beſonderen
Ständen ergangen, und wo man ſie gelaſſen hat, da ſetzt
man ihnen immer engere Schranken. Der Despotismus
macht täglich neue Eroberungen. Die Provinzen, welche
ihre Stände einbüßten, behielten doch als ſogenannte
Wahllande (pays d’élection) noch einen Reſt der ehemali-
gen Freiheiten übrig, indem ihnen erlaubt ward die Ver-
theilung mindeſtens ihrer Auflagen durch Mitbürger ihrer
eigenen Wahl beſorgen zu laſſen: allein nur der Name
iſt davon übrig geblieben; die Provinz erwählt jene Be-
vollmächtigten nicht mehr, ſie ſind zu bloßen Werkzeugen
der Intendanten herabgeſunken. Ebenmäßig iſt auch jeder
Gemeinde ihr natürliches Recht ihre eigenen Angelegen-
heiten zu verwalten, entzogen, der geringſte Dorfbeſchluß
iſt von der Genehmigung der Unterbeamten des Intendan-
ten abhängig. „Man hat der ganzen Nation Vormünder
gegeben.“ Vorſtellungen aus der Provinz, welche ſich
auf die Rechte derſelben oder auf die der ganzen Nation
beziehen, werden, ſobald ſie von einem Einzelnen aus-
gehen, als eine ſtrafbare Verwegenheit, wenn von Meh-
reren unterzeichnet, als eine unerlaubte Verbindung be-

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[40/0050] Werk iſt dieſe allgemeine Verwaltungs-Despotie, welche ſelbſt die Thränen des Volks nicht dulden will. Man hat auf dieſem Wege zuerſt die Generalſtaaten vernichtet, welche ſeit nun 160 Jahren nicht verſammelt ſind, nachdem man ſie früher ſelber berufen und faſt überflüſſig gemacht hatte; denn man ſchrieb ohne ihre Einwilligung Steuern aus. Nicht beſſer iſt es den meiſten Provinzen mit ihren beſonderen Ständen ergangen, und wo man ſie gelaſſen hat, da ſetzt man ihnen immer engere Schranken. Der Despotismus macht täglich neue Eroberungen. Die Provinzen, welche ihre Stände einbüßten, behielten doch als ſogenannte Wahllande (pays d’élection) noch einen Reſt der ehemali- gen Freiheiten übrig, indem ihnen erlaubt ward die Ver- theilung mindeſtens ihrer Auflagen durch Mitbürger ihrer eigenen Wahl beſorgen zu laſſen: allein nur der Name iſt davon übrig geblieben; die Provinz erwählt jene Be- vollmächtigten nicht mehr, ſie ſind zu bloßen Werkzeugen der Intendanten herabgeſunken. Ebenmäßig iſt auch jeder Gemeinde ihr natürliches Recht ihre eigenen Angelegen- heiten zu verwalten, entzogen, der geringſte Dorfbeſchluß iſt von der Genehmigung der Unterbeamten des Intendan- ten abhängig. „Man hat der ganzen Nation Vormünder gegeben.“ Vorſtellungen aus der Provinz, welche ſich auf die Rechte derſelben oder auf die der ganzen Nation beziehen, werden, ſobald ſie von einem Einzelnen aus- gehen, als eine ſtrafbare Verwegenheit, wenn von Meh- reren unterzeichnet, als eine unerlaubte Verbindung be-

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/50>, abgerufen am 26.04.2024.