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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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und da eine schwache Beunruhigung der Zurückziehenden
erfolgte, so diente das eher zur Rettung der politischen
Ehre Preußens; denn das verwundete Gemüth des Kö-
nigs würde einen öffentlichen Bruch der gegen Österreich
übernommenen Pflichten nicht ertragen haben, wenngleich
sein Wille sich den Rathschlägen seiner Lombards, Lucche-
sinis und Haugwitze gefangen gab. Allein auch diese
konnten für jetzt keinen förmlichen Frieden mit Frankreich
wünschen, denn nimmermehr würde in diesem Falle Kai-
serin Katharina eingewilligt, haben daß Preußen durch
eine neue Theilung von Polen die längst ersehnte Ver-
größerung mit Thorn und Danzig erlange.

Zwei Monate und fünf Tage hatten die Preußen
französischen Boden inne gehabt als sie auf ihrem Rück-
zuge am 23sten October die Gränze, das Luxemburgische
erreichten. Als man hier die gerettete Heerschaar mustert,
zeigt es sich daß ein Drittel von denen, welche in die
Champagne rückten, nicht wiedergekehrt ist, und gleich-
wohl sind höchstens 2000 durch die Waffen gefallen. Und
während der Berechnung der Verluste wird man durch die
Schreckensnachricht überrascht: "Wir Deutsche sind nicht
mehr die Angreifer, uns greift man an; am 19ten Octo-
ber ist General Custine vor Mainz gerückt, ohne Belage-
rungsgeschütz, er fordert die Reichsfestung auf und sie er-
giebt sich ihm gleich am 21sten, und in Mainz beginnt
die Revolutionirung von Deutschland." Will man mehr?
Zehn Tage vor der Kanonade von Valmy erklärte die Na-

und da eine ſchwache Beunruhigung der Zurückziehenden
erfolgte, ſo diente das eher zur Rettung der politiſchen
Ehre Preußens; denn das verwundete Gemüth des Kö-
nigs würde einen öffentlichen Bruch der gegen Öſterreich
übernommenen Pflichten nicht ertragen haben, wenngleich
ſein Wille ſich den Rathſchlägen ſeiner Lombards, Lucche-
ſinis und Haugwitze gefangen gab. Allein auch dieſe
konnten für jetzt keinen förmlichen Frieden mit Frankreich
wünſchen, denn nimmermehr würde in dieſem Falle Kai-
ſerin Katharina eingewilligt, haben daß Preußen durch
eine neue Theilung von Polen die längſt erſehnte Ver-
größerung mit Thorn und Danzig erlange.

Zwei Monate und fünf Tage hatten die Preußen
franzöſiſchen Boden inne gehabt als ſie auf ihrem Rück-
zuge am 23ſten October die Gränze, das Luxemburgiſche
erreichten. Als man hier die gerettete Heerſchaar muſtert,
zeigt es ſich daß ein Drittel von denen, welche in die
Champagne rückten, nicht wiedergekehrt iſt, und gleich-
wohl ſind höchſtens 2000 durch die Waffen gefallen. Und
während der Berechnung der Verluſte wird man durch die
Schreckensnachricht überraſcht: „Wir Deutſche ſind nicht
mehr die Angreifer, uns greift man an; am 19ten Octo-
ber iſt General Cuſtine vor Mainz gerückt, ohne Belage-
rungsgeſchütz, er fordert die Reichsfeſtung auf und ſie er-
giebt ſich ihm gleich am 21ſten, und in Mainz beginnt
die Revolutionirung von Deutſchland.“ Will man mehr?
Zehn Tage vor der Kanonade von Valmy erklärte die Na-

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[474/0484] und da eine ſchwache Beunruhigung der Zurückziehenden erfolgte, ſo diente das eher zur Rettung der politiſchen Ehre Preußens; denn das verwundete Gemüth des Kö- nigs würde einen öffentlichen Bruch der gegen Öſterreich übernommenen Pflichten nicht ertragen haben, wenngleich ſein Wille ſich den Rathſchlägen ſeiner Lombards, Lucche- ſinis und Haugwitze gefangen gab. Allein auch dieſe konnten für jetzt keinen förmlichen Frieden mit Frankreich wünſchen, denn nimmermehr würde in dieſem Falle Kai- ſerin Katharina eingewilligt, haben daß Preußen durch eine neue Theilung von Polen die längſt erſehnte Ver- größerung mit Thorn und Danzig erlange. Zwei Monate und fünf Tage hatten die Preußen franzöſiſchen Boden inne gehabt als ſie auf ihrem Rück- zuge am 23ſten October die Gränze, das Luxemburgiſche erreichten. Als man hier die gerettete Heerſchaar muſtert, zeigt es ſich daß ein Drittel von denen, welche in die Champagne rückten, nicht wiedergekehrt iſt, und gleich- wohl ſind höchſtens 2000 durch die Waffen gefallen. Und während der Berechnung der Verluſte wird man durch die Schreckensnachricht überraſcht: „Wir Deutſche ſind nicht mehr die Angreifer, uns greift man an; am 19ten Octo- ber iſt General Cuſtine vor Mainz gerückt, ohne Belage- rungsgeſchütz, er fordert die Reichsfeſtung auf und ſie er- giebt ſich ihm gleich am 21ſten, und in Mainz beginnt die Revolutionirung von Deutſchland.“ Will man mehr? Zehn Tage vor der Kanonade von Valmy erklärte die Na-

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/484>, abgerufen am 27.04.2024.