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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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vor der Übermacht zurückwichen, setzte er sich in den Gän-
gen des Schlosses und seinen Gemächern fort, und wo es
die Verfolgung von Flüchtigen galt, auch in den Straßen
rings. Man sprach von 700 gemordeten Schweizern, aber
auch von den friedlichen Schloßeinwohnern wurde was
vorkam geschlachtet; ein Theil des Schlosses stand in
Flammen. Es war zehn Uhr Morgens; da erschien eine
Deputation des Gemeinderathes vor der Nationalversamm-
lung, erklärte, man werde keine Hand rühren um den
Brand zu löschen, es sey denn daß die Entsetzung des Kö-
nigs ausgesprochen werde. Hierauf beantragte Vergniaud
die Suspension der königlichen Gewalt und daß der
König mit seiner Familie unter Aufsicht gestellt werde,
die Bestellung eines Erziehers für den königlichen Prinzen,
ingleichen die Berufung eines Nationalconvents, welcher
über die künftige Verfassung Frankreichs die Entscheidung
treffen wird. Während der Debatte und Abstimmung sah
man den König ruhig dasitzend, auf das Gesimse seiner
Loge gestützt, unveränderten Angesichts. Der Dauphin
schlief auf dem Schooße der Königin. Für den Rest der
Nacht ward nun die königliche Familie im Sitzungsge-
bäude nothdürftig untergebracht; sie sollte demnächst im
Schlosse Luxembourg wohnen. Allein hiegegen sprach der
Gemeinderath ein, verlangte einen besser zu bewachenden
Aufenthalt und entschied für den Tempelthurm, die alte Re-
sidenz der Tempelherren. Hier standen Petion und Santerre,
Mandats Nachfolger, für die Staatsgefangenen ein.


vor der Übermacht zurückwichen, ſetzte er ſich in den Gän-
gen des Schloſſes und ſeinen Gemächern fort, und wo es
die Verfolgung von Flüchtigen galt, auch in den Straßen
rings. Man ſprach von 700 gemordeten Schweizern, aber
auch von den friedlichen Schloßeinwohnern wurde was
vorkam geſchlachtet; ein Theil des Schloſſes ſtand in
Flammen. Es war zehn Uhr Morgens; da erſchien eine
Deputation des Gemeinderathes vor der Nationalverſamm-
lung, erklärte, man werde keine Hand rühren um den
Brand zu löſchen, es ſey denn daß die Entſetzung des Kö-
nigs ausgeſprochen werde. Hierauf beantragte Vergniaud
die Suspenſion der königlichen Gewalt und daß der
König mit ſeiner Familie unter Aufſicht geſtellt werde,
die Beſtellung eines Erziehers für den königlichen Prinzen,
ingleichen die Berufung eines Nationalconvents, welcher
über die künftige Verfaſſung Frankreichs die Entſcheidung
treffen wird. Während der Debatte und Abſtimmung ſah
man den König ruhig daſitzend, auf das Geſimſe ſeiner
Loge geſtützt, unveränderten Angeſichts. Der Dauphin
ſchlief auf dem Schooße der Königin. Für den Reſt der
Nacht ward nun die königliche Familie im Sitzungsge-
bäude nothdürftig untergebracht; ſie ſollte demnächſt im
Schloſſe Luxembourg wohnen. Allein hiegegen ſprach der
Gemeinderath ein, verlangte einen beſſer zu bewachenden
Aufenthalt und entſchied für den Tempelthurm, die alte Re-
ſidenz der Tempelherren. Hier ſtanden Pétion und Santerre,
Mandats Nachfolger, für die Staatsgefangenen ein.


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[450/0460] vor der Übermacht zurückwichen, ſetzte er ſich in den Gän- gen des Schloſſes und ſeinen Gemächern fort, und wo es die Verfolgung von Flüchtigen galt, auch in den Straßen rings. Man ſprach von 700 gemordeten Schweizern, aber auch von den friedlichen Schloßeinwohnern wurde was vorkam geſchlachtet; ein Theil des Schloſſes ſtand in Flammen. Es war zehn Uhr Morgens; da erſchien eine Deputation des Gemeinderathes vor der Nationalverſamm- lung, erklärte, man werde keine Hand rühren um den Brand zu löſchen, es ſey denn daß die Entſetzung des Kö- nigs ausgeſprochen werde. Hierauf beantragte Vergniaud die Suspenſion der königlichen Gewalt und daß der König mit ſeiner Familie unter Aufſicht geſtellt werde, die Beſtellung eines Erziehers für den königlichen Prinzen, ingleichen die Berufung eines Nationalconvents, welcher über die künftige Verfaſſung Frankreichs die Entſcheidung treffen wird. Während der Debatte und Abſtimmung ſah man den König ruhig daſitzend, auf das Geſimſe ſeiner Loge geſtützt, unveränderten Angeſichts. Der Dauphin ſchlief auf dem Schooße der Königin. Für den Reſt der Nacht ward nun die königliche Familie im Sitzungsge- bäude nothdürftig untergebracht; ſie ſollte demnächſt im Schloſſe Luxembourg wohnen. Allein hiegegen ſprach der Gemeinderath ein, verlangte einen beſſer zu bewachenden Aufenthalt und entſchied für den Tempelthurm, die alte Re- ſidenz der Tempelherren. Hier ſtanden Pétion und Santerre, Mandats Nachfolger, für die Staatsgefangenen ein.

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/460>, abgerufen am 27.04.2024.