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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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Mandat beschieden: er soll augenblicklich erscheinen.
Dieser wußte nichts von dem Umsturze der rechtmäßigen
Behörde, gleichwohl war er unschlüssig, endlich ließ er
sich bereden den kurzen Weg anzutreten und schied in der
Hoffnung bei Zeiten wieder zurück zu seyn. Allein kaum
ist er angelangt, hat erstaunt die fremden Gesichter erblickt,
so wird er als Verbrecher verhört, zur Abführung nach der
Abtei verurtheilt und unten auf dem Platze ermordet.

Der Plan war meisterhaft berechnet und durchgeführt.
Mit Mandats Falle brach der ganze Widerstand der Tui-
lerien zusammen. Denn als nun das Heer der Vorstädte
sich nahte, 20,000 an der Zahl, da trat vergeblich der
König zur Musterung seiner Bataillone hinaus; ließ auch
ein Theil der Truppen den König leben, viel lautere Stim-
men brachten der Nation und dem Petion ein Hoch! und
zuletzt scheuchte ein mächtiges: Nieder mit dem Veto!
Nieder mit dem Verräther! den Fürsten blaß und entmu-
thigt in sein Schloß zurück. Wohl sprach Röderer, den
Schein rettend, jetzt den Befehl aus, Gewalt mit Gewalt
zu vertreiben, allein in demselben Augenblicke drehten die
königlichen Kanoniere ihre Geschütze um, richteten sie gegen
das Schloß, und die Vorstädter drangen schon ohne Wider-
stand zu finden durch alle Eingänge ein. Es war 8 Uhr
Morgens, da erschienen Mitglieder des neuen Gemeinde-
rathes in den Tuilerien, meldeten, das Volk verlange die
Entsetzung des Königs. Hierauf gab Röderer den Rath,
der König möge, da Widerstand unmöglich, sich in den

Mandat beſchieden: er ſoll augenblicklich erſcheinen.
Dieſer wußte nichts von dem Umſturze der rechtmäßigen
Behörde, gleichwohl war er unſchlüſſig, endlich ließ er
ſich bereden den kurzen Weg anzutreten und ſchied in der
Hoffnung bei Zeiten wieder zurück zu ſeyn. Allein kaum
iſt er angelangt, hat erſtaunt die fremden Geſichter erblickt,
ſo wird er als Verbrecher verhört, zur Abführung nach der
Abtei verurtheilt und unten auf dem Platze ermordet.

Der Plan war meiſterhaft berechnet und durchgeführt.
Mit Mandats Falle brach der ganze Widerſtand der Tui-
lerien zuſammen. Denn als nun das Heer der Vorſtädte
ſich nahte, 20,000 an der Zahl, da trat vergeblich der
König zur Muſterung ſeiner Bataillone hinaus; ließ auch
ein Theil der Truppen den König leben, viel lautere Stim-
men brachten der Nation und dem Pétion ein Hoch! und
zuletzt ſcheuchte ein mächtiges: Nieder mit dem Veto!
Nieder mit dem Verräther! den Fürſten blaß und entmu-
thigt in ſein Schloß zurück. Wohl ſprach Röderer, den
Schein rettend, jetzt den Befehl aus, Gewalt mit Gewalt
zu vertreiben, allein in demſelben Augenblicke drehten die
königlichen Kanoniere ihre Geſchütze um, richteten ſie gegen
das Schloß, und die Vorſtädter drangen ſchon ohne Wider-
ſtand zu finden durch alle Eingänge ein. Es war 8 Uhr
Morgens, da erſchienen Mitglieder des neuen Gemeinde-
rathes in den Tuilerien, meldeten, das Volk verlange die
Entſetzung des Königs. Hierauf gab Röderer den Rath,
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[448/0458] Mandat beſchieden: er ſoll augenblicklich erſcheinen. Dieſer wußte nichts von dem Umſturze der rechtmäßigen Behörde, gleichwohl war er unſchlüſſig, endlich ließ er ſich bereden den kurzen Weg anzutreten und ſchied in der Hoffnung bei Zeiten wieder zurück zu ſeyn. Allein kaum iſt er angelangt, hat erſtaunt die fremden Geſichter erblickt, ſo wird er als Verbrecher verhört, zur Abführung nach der Abtei verurtheilt und unten auf dem Platze ermordet. Der Plan war meiſterhaft berechnet und durchgeführt. Mit Mandats Falle brach der ganze Widerſtand der Tui- lerien zuſammen. Denn als nun das Heer der Vorſtädte ſich nahte, 20,000 an der Zahl, da trat vergeblich der König zur Muſterung ſeiner Bataillone hinaus; ließ auch ein Theil der Truppen den König leben, viel lautere Stim- men brachten der Nation und dem Pétion ein Hoch! und zuletzt ſcheuchte ein mächtiges: Nieder mit dem Veto! Nieder mit dem Verräther! den Fürſten blaß und entmu- thigt in ſein Schloß zurück. Wohl ſprach Röderer, den Schein rettend, jetzt den Befehl aus, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, allein in demſelben Augenblicke drehten die königlichen Kanoniere ihre Geſchütze um, richteten ſie gegen das Schloß, und die Vorſtädter drangen ſchon ohne Wider- ſtand zu finden durch alle Eingänge ein. Es war 8 Uhr Morgens, da erſchienen Mitglieder des neuen Gemeinde- rathes in den Tuilerien, meldeten, das Volk verlange die Entſetzung des Königs. Hierauf gab Röderer den Rath, der König möge, da Widerſtand unmöglich, ſich in den

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/458>, abgerufen am 27.04.2024.