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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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schlossenen Handel. Die Lästigkeit dieser Enclave war
schon oft empfunden, sie schien unerträglich jenen Män-
nern, welche die neue Eintheilung des französischen Ge-
bietes zu Stande brachten. Die Päpste hielten diese ent-
fernten Unterthanen mild, ihr Zehenter betrug kaum den
sechzigsten Theil ihrer Erndte; dennoch konnte es nicht
fehlen daß diese Provencalen sich als Franzosen fühlten,
und ein Theil von ihnen ward von der großen Bewe-
gung ergriffen, welcher das französische Volk folgte. Im
Jahre 1790 richtete man in Avignon eine Municipalität
und Nationalgarden in neufranzösischer Art auf, schloß
mit der Grafschaft eine Föderation. Aber auch die päpst-
liche Regierung hatte ihre Partei, es kam zwischen bei-
den Theilen zu Feindseligkeiten, welchen das Einschrei-
ten französischer Nationalgarden aus der Nachbarschaft
ein Ende machte. Jetzt riß man in Avignon die päpst-
lichen Wappen ab, erbat durch eine Deputation die Ein-
verleibung in Frankreich. Anders stand es mit Venaissin;
hier dachte die Hauptbevölkerung päpstlich. Die Natio-
nalversammlung entschied sich nach längeren Debatten,
schickte Truppen nach Avignon. Diese aber, statt sich
zu begnügen die französische Partei in Avignon zu be-
schützen, drangen in Venaissin ein, und ermordeten ihren
eigenen General, als er ihrer Zuchtlosigkeit wehren wollte.
Das geschah im April 1791. Nun bemächtigten sich die
Soldaten der Regierung, an ihre Spitze trat ein Wü-
therich, Jourdan genannt, sie häuften Gräuel auf Gräuel,

ſchloſſenen Handel. Die Läſtigkeit dieſer Enclave war
ſchon oft empfunden, ſie ſchien unerträglich jenen Män-
nern, welche die neue Eintheilung des franzöſiſchen Ge-
bietes zu Stande brachten. Die Päpſte hielten dieſe ent-
fernten Unterthanen mild, ihr Zehenter betrug kaum den
ſechzigſten Theil ihrer Erndte; dennoch konnte es nicht
fehlen daß dieſe Provençalen ſich als Franzoſen fühlten,
und ein Theil von ihnen ward von der großen Bewe-
gung ergriffen, welcher das franzöſiſche Volk folgte. Im
Jahre 1790 richtete man in Avignon eine Municipalität
und Nationalgarden in neufranzöſiſcher Art auf, ſchloß
mit der Grafſchaft eine Föderation. Aber auch die päpſt-
liche Regierung hatte ihre Partei, es kam zwiſchen bei-
den Theilen zu Feindſeligkeiten, welchen das Einſchrei-
ten franzöſiſcher Nationalgarden aus der Nachbarſchaft
ein Ende machte. Jetzt riß man in Avignon die päpſt-
lichen Wappen ab, erbat durch eine Deputation die Ein-
verleibung in Frankreich. Anders ſtand es mit Venaiſſin;
hier dachte die Hauptbevölkerung päpſtlich. Die Natio-
nalverſammlung entſchied ſich nach längeren Debatten,
ſchickte Truppen nach Avignon. Dieſe aber, ſtatt ſich
zu begnügen die franzöſiſche Partei in Avignon zu be-
ſchützen, drangen in Venaiſſin ein, und ermordeten ihren
eigenen General, als er ihrer Zuchtloſigkeit wehren wollte.
Das geſchah im April 1791. Nun bemächtigten ſich die
Soldaten der Regierung, an ihre Spitze trat ein Wü-
therich, Jourdan genannt, ſie häuften Gräuel auf Gräuel,

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[405/0415] ſchloſſenen Handel. Die Läſtigkeit dieſer Enclave war ſchon oft empfunden, ſie ſchien unerträglich jenen Män- nern, welche die neue Eintheilung des franzöſiſchen Ge- bietes zu Stande brachten. Die Päpſte hielten dieſe ent- fernten Unterthanen mild, ihr Zehenter betrug kaum den ſechzigſten Theil ihrer Erndte; dennoch konnte es nicht fehlen daß dieſe Provençalen ſich als Franzoſen fühlten, und ein Theil von ihnen ward von der großen Bewe- gung ergriffen, welcher das franzöſiſche Volk folgte. Im Jahre 1790 richtete man in Avignon eine Municipalität und Nationalgarden in neufranzöſiſcher Art auf, ſchloß mit der Grafſchaft eine Föderation. Aber auch die päpſt- liche Regierung hatte ihre Partei, es kam zwiſchen bei- den Theilen zu Feindſeligkeiten, welchen das Einſchrei- ten franzöſiſcher Nationalgarden aus der Nachbarſchaft ein Ende machte. Jetzt riß man in Avignon die päpſt- lichen Wappen ab, erbat durch eine Deputation die Ein- verleibung in Frankreich. Anders ſtand es mit Venaiſſin; hier dachte die Hauptbevölkerung päpſtlich. Die Natio- nalverſammlung entſchied ſich nach längeren Debatten, ſchickte Truppen nach Avignon. Dieſe aber, ſtatt ſich zu begnügen die franzöſiſche Partei in Avignon zu be- ſchützen, drangen in Venaiſſin ein, und ermordeten ihren eigenen General, als er ihrer Zuchtloſigkeit wehren wollte. Das geſchah im April 1791. Nun bemächtigten ſich die Soldaten der Regierung, an ihre Spitze trat ein Wü- therich, Jourdan genannt, ſie häuften Gräuel auf Gräuel,

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/415>, abgerufen am 14.05.2024.