sich nicht mit der Hoffnung, hellsehende Patrioten zu blen- den. In deren Augen gehören Sie den Despoten an.
"Das ist die Albernheit der Könige, sich für Wesen höherer Natur als andere Menschen zu halten; ihre Thor- heit geht bis zu der Anmaßung, daß der Himmel sie ge- schaffen habe um zu befehlen, ihr Leben in Müssiggang, Prunk und Üppigkeit zu verbringen. Sie hören so oft sich die unumschränkten Herren der Erde nennen, daß sie es am Ende glauben, ihre Landsleute für Sclaven halten, ge- boren um ihren Vergnügungen zu fröhnen, für verächt- liche Wesen, die sie ihren Launen ungestraft opfern dürfen.
"Soll ich von ihren Neigungen reden? Eine nur zu traurige Erfahrung hat uns belehrt daß ein unersättlicher Durst nach Macht jedes andere Gefühl in ihrer Brust er- stickt. Wer wüßte nicht daß die Moral der Könige ihnen eine Pflicht aus der Hinterlist macht, aus der Lüge, dem Betrug, der Treulosigkeit, dem Verrath, dem Todtschlag, der Giftmischerei und dem Elternmorde, sobald es die Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer angemaßten Herr- schaft gilt. Die Missethaten der Könige bilden den In- halt der Geschichte, und die tiefe Herabwürdigung fast aller Völker der Erde giebt den schlagenden Beweis dieser entsetzlichen Wahrheit.
"Antworten Sie mir, sechzehnter Ludwig; was ha- ben Sie bis jetzt gethan, um vom Himmel das Wunder- werk zu verdienen daß er Ihre Seele vor der Ansteckung jener Bösewichter, von welchen Sie umringt und belagert
ſich nicht mit der Hoffnung, hellſehende Patrioten zu blen- den. In deren Augen gehören Sie den Deſpoten an.
„Das iſt die Albernheit der Könige, ſich für Weſen höherer Natur als andere Menſchen zu halten; ihre Thor- heit geht bis zu der Anmaßung, daß der Himmel ſie ge- ſchaffen habe um zu befehlen, ihr Leben in Müſſiggang, Prunk und Üppigkeit zu verbringen. Sie hören ſo oft ſich die unumſchränkten Herren der Erde nennen, daß ſie es am Ende glauben, ihre Landsleute für Sclaven halten, ge- boren um ihren Vergnügungen zu fröhnen, für verächt- liche Weſen, die ſie ihren Launen ungeſtraft opfern dürfen.
„Soll ich von ihren Neigungen reden? Eine nur zu traurige Erfahrung hat uns belehrt daß ein unerſättlicher Durſt nach Macht jedes andere Gefühl in ihrer Bruſt er- ſtickt. Wer wüßte nicht daß die Moral der Könige ihnen eine Pflicht aus der Hinterliſt macht, aus der Lüge, dem Betrug, der Treuloſigkeit, dem Verrath, dem Todtſchlag, der Giftmiſcherei und dem Elternmorde, ſobald es die Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer angemaßten Herr- ſchaft gilt. Die Miſſethaten der Könige bilden den In- halt der Geſchichte, und die tiefe Herabwürdigung faſt aller Völker der Erde giebt den ſchlagenden Beweis dieſer entſetzlichen Wahrheit.
„Antworten Sie mir, ſechzehnter Ludwig; was ha- ben Sie bis jetzt gethan, um vom Himmel das Wunder- werk zu verdienen daß er Ihre Seele vor der Anſteckung jener Böſewichter, von welchen Sie umringt und belagert
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ſich nicht mit der Hoffnung, hellſehende Patrioten zu blen-
den. In deren Augen gehören Sie den Deſpoten an.
„Das iſt die Albernheit der Könige, ſich für Weſen
höherer Natur als andere Menſchen zu halten; ihre Thor-
heit geht bis zu der Anmaßung, daß der Himmel ſie ge-
ſchaffen habe um zu befehlen, ihr Leben in Müſſiggang,
Prunk und Üppigkeit zu verbringen. Sie hören ſo oft ſich
die unumſchränkten Herren der Erde nennen, daß ſie es am
Ende glauben, ihre Landsleute für Sclaven halten, ge-
boren um ihren Vergnügungen zu fröhnen, für verächt-
liche Weſen, die ſie ihren Launen ungeſtraft opfern dürfen.
„Soll ich von ihren Neigungen reden? Eine nur zu
traurige Erfahrung hat uns belehrt daß ein unerſättlicher
Durſt nach Macht jedes andere Gefühl in ihrer Bruſt er-
ſtickt. Wer wüßte nicht daß die Moral der Könige ihnen
eine Pflicht aus der Hinterliſt macht, aus der Lüge, dem
Betrug, der Treuloſigkeit, dem Verrath, dem Todtſchlag,
der Giftmiſcherei und dem Elternmorde, ſobald es die
Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer angemaßten Herr-
ſchaft gilt. Die Miſſethaten der Könige bilden den In-
halt der Geſchichte, und die tiefe Herabwürdigung faſt
aller Völker der Erde giebt den ſchlagenden Beweis dieſer
entſetzlichen Wahrheit.
„Antworten Sie mir, ſechzehnter Ludwig; was ha-
ben Sie bis jetzt gethan, um vom Himmel das Wunder-
werk zu verdienen daß er Ihre Seele vor der Anſteckung
jener Böſewichter, von welchen Sie umringt und belagert
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/376>, abgerufen am 22.12.2024.
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