mit ihren Frauen zu den Zimmern des Königs, welcher selbst gegangen war, sie und die königlichen Kinder auf- zusuchen; es dauerte eine Weile ehe man sich zusammen- fand. Von nun an sammelten sich die im Schlosse befind- lichen Gardes-du-corps zur Vertheidigung der Gemächer des Königs, allein gebunden durch Befehle wie sie waren, fiel einer nach dem andern in die Hände des Pöbels, ward in den untern Hof hinabgeschleppt, und ohne die lange Berathung über die Art ihrer Hinrichtung wären sie alle verloren gewesen. Endlich aber eilte, freilich eine volle Stunde zu spät, Lafayette mit Truppen herbei, unter- stützte sogleich die französischen Garden in ihrem Bemühen, die dem Tode Geweihten zu retten, und vollbrachte es. Der Ruf erscholl: Gnade den Garden! Nun aber wollte die Menge den König sehen. Er trat auf den Balcon, bat um Schonung für seine Gardes-du-corps. Aber als Preis der Gnade tönte ihm das Geschrei entgegen: "Der König nach Paris!" Zugleich verlangte man nach der Königin. Die muthige Tochter Marien Theresiens erschien mit ih- ren Kindern auf dem Balcon, Lafayette schützend neben ihr. Es ward eilf Uhr Morgens, mancher Rath war drinnen gepflogen und wieder verzichtet, als der König noch einmal den Balcon betrat und dem Volk erklärte: er sey entschlossen nach Paris zu ziehen. Alsbald ertönte ein Freudenfeuer aus allen Gewehren. Man vernahm im Sitzungssaale der Nationalversammlung, nur ein Paar hundert Schritte von da, schnell was das bedeute, und
mit ihren Frauen zu den Zimmern des Königs, welcher ſelbſt gegangen war, ſie und die königlichen Kinder auf- zuſuchen; es dauerte eine Weile ehe man ſich zuſammen- fand. Von nun an ſammelten ſich die im Schloſſe befind- lichen Gardes-du-corps zur Vertheidigung der Gemächer des Königs, allein gebunden durch Befehle wie ſie waren, fiel einer nach dem andern in die Hände des Pöbels, ward in den untern Hof hinabgeſchleppt, und ohne die lange Berathung über die Art ihrer Hinrichtung wären ſie alle verloren geweſen. Endlich aber eilte, freilich eine volle Stunde zu ſpät, Lafayette mit Truppen herbei, unter- ſtützte ſogleich die franzöſiſchen Garden in ihrem Bemühen, die dem Tode Geweihten zu retten, und vollbrachte es. Der Ruf erſcholl: Gnade den Garden! Nun aber wollte die Menge den König ſehen. Er trat auf den Balcon, bat um Schonung für ſeine Gardes-du-corps. Aber als Preis der Gnade tönte ihm das Geſchrei entgegen: „Der König nach Paris!“ Zugleich verlangte man nach der Königin. Die muthige Tochter Marien Thereſiens erſchien mit ih- ren Kindern auf dem Balcon, Lafayette ſchützend neben ihr. Es ward eilf Uhr Morgens, mancher Rath war drinnen gepflogen und wieder verzichtet, als der König noch einmal den Balcon betrat und dem Volk erklärte: er ſey entſchloſſen nach Paris zu ziehen. Alsbald ertönte ein Freudenfeuer aus allen Gewehren. Man vernahm im Sitzungsſaale der Nationalverſammlung, nur ein Paar hundert Schritte von da, ſchnell was das bedeute, und
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mit ihren Frauen zu den Zimmern des Königs, welcher
ſelbſt gegangen war, ſie und die königlichen Kinder auf-
zuſuchen; es dauerte eine Weile ehe man ſich zuſammen-
fand. Von nun an ſammelten ſich die im Schloſſe befind-
lichen Gardes-du-corps zur Vertheidigung der Gemächer
des Königs, allein gebunden durch Befehle wie ſie waren,
fiel einer nach dem andern in die Hände des Pöbels, ward
in den untern Hof hinabgeſchleppt, und ohne die lange
Berathung über die Art ihrer Hinrichtung wären ſie alle
verloren geweſen. Endlich aber eilte, freilich eine volle
Stunde zu ſpät, Lafayette mit Truppen herbei, unter-
ſtützte ſogleich die franzöſiſchen Garden in ihrem Bemühen,
die dem Tode Geweihten zu retten, und vollbrachte es.
Der Ruf erſcholl: Gnade den Garden! Nun aber wollte
die Menge den König ſehen. Er trat auf den Balcon, bat
um Schonung für ſeine Gardes-du-corps. Aber als Preis
der Gnade tönte ihm das Geſchrei entgegen: „Der König
nach Paris!“ Zugleich verlangte man nach der Königin.
Die muthige Tochter Marien Thereſiens erſchien mit ih-
ren Kindern auf dem Balcon, Lafayette ſchützend neben
ihr. Es ward eilf Uhr Morgens, mancher Rath war
drinnen gepflogen und wieder verzichtet, als der König
noch einmal den Balcon betrat und dem Volk erklärte: er
ſey entſchloſſen nach Paris zu ziehen. Alsbald ertönte ein
Freudenfeuer aus allen Gewehren. Man vernahm im
Sitzungsſaale der Nationalverſammlung, nur ein Paar
hundert Schritte von da, ſchnell was das bedeute, und
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/302>, abgerufen am 27.11.2024.
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