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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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Spät um 10 Uhr berief Mounier durch Trommelschlag
die Nationalversammlung, zeigte ihr an, der König habe
die Menschenrechte bestätigt. Da ging -- es war gegen
Mitternacht -- die Meldung Lafayette's ein von seiner
und seines Heeres Ankunft. Mounier war aufs Äußerste
betroffen und verbarg in der ersten Bewegung seinen Arg-
wohn gegen Lafayette's Absichten nicht einmal vor diesem
selber. Jetzt aber riethen, wie schon bei dem ersten An-
zuge der Weiber, mehrere Minister dem Könige sich mit
der bewaffneten Macht nach Rambouillet zu entfernen:
denn wenn auch die pariser Nationalgarde die Übersiede-
lung des Königs in die Hauptstadt begehrte, war Wider-
stand unmöglich. Wozu aber die Auflehnung derselben
gegen ihren General und überhaupt der Zug hieher als
um dieses einen Zweckes willen? Auch legten die Abge-
ordneten von Paris, als sie nun mit Lafayette vor den
König traten, die Bitten der Hauptstadt aussprachen,
am meisten Gewicht auf den Punct daß der König dem
französischen Volk einen Beweis seiner Liebe dadurch geben
möge, daß er fortan den schönsten Palast von Europa, in-
mitten der größten Stadt seines Reiches, bevölkert von
dem zahlreichsten Theile seiner Unterthanen, zur Wohnung
nehme. Ludwig zwar glaubte mit einer allgemeinen güti-
gen Zusage, die Sache in Erwägung ziehen zu wollen,
davon zu kommen, und verwarf den Rath einer schnellen
verstohlenen Abreise jetzt um so entschiedener, als Lafayette
ihm die Versicherung gab, er habe von seiner National-

Spät um 10 Uhr berief Mounier durch Trommelſchlag
die Nationalverſammlung, zeigte ihr an, der König habe
die Menſchenrechte beſtätigt. Da ging — es war gegen
Mitternacht — die Meldung Lafayette’s ein von ſeiner
und ſeines Heeres Ankunft. Mounier war aufs Äußerſte
betroffen und verbarg in der erſten Bewegung ſeinen Arg-
wohn gegen Lafayette’s Abſichten nicht einmal vor dieſem
ſelber. Jetzt aber riethen, wie ſchon bei dem erſten An-
zuge der Weiber, mehrere Miniſter dem Könige ſich mit
der bewaffneten Macht nach Rambouillet zu entfernen:
denn wenn auch die pariſer Nationalgarde die Überſiede-
lung des Königs in die Hauptſtadt begehrte, war Wider-
ſtand unmöglich. Wozu aber die Auflehnung derſelben
gegen ihren General und überhaupt der Zug hieher als
um dieſes einen Zweckes willen? Auch legten die Abge-
ordneten von Paris, als ſie nun mit Lafayette vor den
König traten, die Bitten der Hauptſtadt ausſprachen,
am meiſten Gewicht auf den Punct daß der König dem
franzöſiſchen Volk einen Beweis ſeiner Liebe dadurch geben
möge, daß er fortan den ſchönſten Palaſt von Europa, in-
mitten der größten Stadt ſeines Reiches, bevölkert von
dem zahlreichſten Theile ſeiner Unterthanen, zur Wohnung
nehme. Ludwig zwar glaubte mit einer allgemeinen güti-
gen Zuſage, die Sache in Erwägung ziehen zu wollen,
davon zu kommen, und verwarf den Rath einer ſchnellen
verſtohlenen Abreiſe jetzt um ſo entſchiedener, als Lafayette
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[290/0300] Spät um 10 Uhr berief Mounier durch Trommelſchlag die Nationalverſammlung, zeigte ihr an, der König habe die Menſchenrechte beſtätigt. Da ging — es war gegen Mitternacht — die Meldung Lafayette’s ein von ſeiner und ſeines Heeres Ankunft. Mounier war aufs Äußerſte betroffen und verbarg in der erſten Bewegung ſeinen Arg- wohn gegen Lafayette’s Abſichten nicht einmal vor dieſem ſelber. Jetzt aber riethen, wie ſchon bei dem erſten An- zuge der Weiber, mehrere Miniſter dem Könige ſich mit der bewaffneten Macht nach Rambouillet zu entfernen: denn wenn auch die pariſer Nationalgarde die Überſiede- lung des Königs in die Hauptſtadt begehrte, war Wider- ſtand unmöglich. Wozu aber die Auflehnung derſelben gegen ihren General und überhaupt der Zug hieher als um dieſes einen Zweckes willen? Auch legten die Abge- ordneten von Paris, als ſie nun mit Lafayette vor den König traten, die Bitten der Hauptſtadt ausſprachen, am meiſten Gewicht auf den Punct daß der König dem franzöſiſchen Volk einen Beweis ſeiner Liebe dadurch geben möge, daß er fortan den ſchönſten Palaſt von Europa, in- mitten der größten Stadt ſeines Reiches, bevölkert von dem zahlreichſten Theile ſeiner Unterthanen, zur Wohnung nehme. Ludwig zwar glaubte mit einer allgemeinen güti- gen Zuſage, die Sache in Erwägung ziehen zu wollen, davon zu kommen, und verwarf den Rath einer ſchnellen verſtohlenen Abreiſe jetzt um ſo entſchiedener, als Lafayette ihm die Verſicherung gab, er habe von ſeiner National-

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/300>, abgerufen am 27.11.2024.