Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

auszubeuten, um den König und, was damit zusammen-
hing, die Nationalversammlung nach Paris zu versetzen.
Beide waren ihnen in Versailles zu unabhängig. Allein
solange die Nationalgarde treu blieb, hatte eine Bewe-
gung in der Hauptstadt wenig Aussicht auf solch ein Ge-
lingen. Man mußte diese zu gewinnen trachten. Wirk-
lich drangen die Aufwiegler bei den besoldeten Com-
pagnien, soweit sie aus jenen französischen Garden bestan-
den, durch. Diese meuterische Truppe richtete schon Mitte
Septembers an Lafayette die Bitte nach Versailles rücken
und von ihrem alten Rechte die Wachen im königlichen
Schlosse zu beziehen Gebrauch machen zu dürfen. Offenbar
war das nur ein Vorwand und Lafayette redete ihnen die-
sen damals aus. Allein der stille Plan blieb, bildete sich
aus und auf die Nachricht vom Banket im Opernhause
wuchsen ihm plötzlich Flügel. Am Sonntag den 4ten Oc-
tober hörte man Soldaten sich laut verabreden: "Morgen
geht's vor sich! Weiber sollen voran; sie sind so gut wie
eine Verstärkung: denn wer wird auf Weiber schießen?
und wer darf nach Brod schreien, wenn nicht Weiber?"
Camille Desmoulins forderte Sonntags öffentlich zum
Zuge nach Versailles für den nächsten Morgen auf. Das
hat die gerichtliche Untersuchung bei dem Stadtgerichte
völlig ins Klare gebracht.

Oct. 5.Wie verabredet, so gethan. Mit Tagesanbruch bilden
sich Weiberhaufen, besonders in den Vorstädten, ziehen
um 7 Uhr auf den Greveplatz, schreien nach Brod, dazu be-

auszubeuten, um den König und, was damit zuſammen-
hing, die Nationalverſammlung nach Paris zu verſetzen.
Beide waren ihnen in Verſailles zu unabhängig. Allein
ſolange die Nationalgarde treu blieb, hatte eine Bewe-
gung in der Hauptſtadt wenig Ausſicht auf ſolch ein Ge-
lingen. Man mußte dieſe zu gewinnen trachten. Wirk-
lich drangen die Aufwiegler bei den beſoldeten Com-
pagnien, ſoweit ſie aus jenen franzöſiſchen Garden beſtan-
den, durch. Dieſe meuteriſche Truppe richtete ſchon Mitte
Septembers an Lafayette die Bitte nach Verſailles rücken
und von ihrem alten Rechte die Wachen im königlichen
Schloſſe zu beziehen Gebrauch machen zu dürfen. Offenbar
war das nur ein Vorwand und Lafayette redete ihnen die-
ſen damals aus. Allein der ſtille Plan blieb, bildete ſich
aus und auf die Nachricht vom Banket im Opernhauſe
wuchſen ihm plötzlich Flügel. Am Sonntag den 4ten Oc-
tober hörte man Soldaten ſich laut verabreden: „Morgen
geht’s vor ſich! Weiber ſollen voran; ſie ſind ſo gut wie
eine Verſtärkung: denn wer wird auf Weiber ſchießen?
und wer darf nach Brod ſchreien, wenn nicht Weiber?“
Camille Desmoulins forderte Sonntags öffentlich zum
Zuge nach Verſailles für den nächſten Morgen auf. Das
hat die gerichtliche Unterſuchung bei dem Stadtgerichte
völlig ins Klare gebracht.

Oct. 5.Wie verabredet, ſo gethan. Mit Tagesanbruch bilden
ſich Weiberhaufen, beſonders in den Vorſtädten, ziehen
um 7 Uhr auf den Greveplatz, ſchreien nach Brod, dazu be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0296" n="286"/>
auszubeuten, um den König und, was damit zu&#x017F;ammen-<lb/>
hing, die Nationalver&#x017F;ammlung nach Paris zu ver&#x017F;etzen.<lb/>
Beide waren ihnen in Ver&#x017F;ailles zu unabhängig. Allein<lb/>
&#x017F;olange die Nationalgarde treu blieb, hatte eine Bewe-<lb/>
gung in der Haupt&#x017F;tadt wenig Aus&#x017F;icht auf &#x017F;olch ein Ge-<lb/>
lingen. Man mußte die&#x017F;e zu gewinnen trachten. Wirk-<lb/>
lich drangen die Aufwiegler bei den be&#x017F;oldeten Com-<lb/>
pagnien, &#x017F;oweit &#x017F;ie aus jenen franzö&#x017F;i&#x017F;chen Garden be&#x017F;tan-<lb/>
den, durch. Die&#x017F;e meuteri&#x017F;che Truppe richtete &#x017F;chon Mitte<lb/>
Septembers an Lafayette die Bitte nach Ver&#x017F;ailles rücken<lb/>
und von ihrem alten Rechte die Wachen im königlichen<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;e zu beziehen Gebrauch machen zu dürfen. Offenbar<lb/>
war das nur ein Vorwand und Lafayette redete ihnen die-<lb/>
&#x017F;en damals aus. Allein der &#x017F;tille Plan blieb, bildete &#x017F;ich<lb/>
aus und auf die Nachricht vom Banket im Opernhau&#x017F;e<lb/>
wuch&#x017F;en ihm plötzlich Flügel. Am Sonntag den 4ten Oc-<lb/>
tober hörte man Soldaten &#x017F;ich laut verabreden: &#x201E;Morgen<lb/>
geht&#x2019;s vor &#x017F;ich! Weiber &#x017F;ollen voran; &#x017F;ie &#x017F;ind &#x017F;o gut wie<lb/>
eine Ver&#x017F;tärkung: denn wer wird auf Weiber &#x017F;chießen?<lb/>
und wer darf nach Brod &#x017F;chreien, wenn nicht Weiber?&#x201C;<lb/>
Camille Desmoulins forderte Sonntags öffentlich zum<lb/>
Zuge nach Ver&#x017F;ailles für den näch&#x017F;ten Morgen auf. Das<lb/>
hat die gerichtliche Unter&#x017F;uchung bei dem Stadtgerichte<lb/>
völlig ins Klare gebracht.</p><lb/>
          <p><note place="left">Oct. 5.</note>Wie verabredet, &#x017F;o gethan. Mit Tagesanbruch bilden<lb/>
&#x017F;ich Weiberhaufen, be&#x017F;onders in den Vor&#x017F;tädten, ziehen<lb/>
um 7 Uhr auf den Greveplatz, &#x017F;chreien nach Brod, dazu be-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0296] auszubeuten, um den König und, was damit zuſammen- hing, die Nationalverſammlung nach Paris zu verſetzen. Beide waren ihnen in Verſailles zu unabhängig. Allein ſolange die Nationalgarde treu blieb, hatte eine Bewe- gung in der Hauptſtadt wenig Ausſicht auf ſolch ein Ge- lingen. Man mußte dieſe zu gewinnen trachten. Wirk- lich drangen die Aufwiegler bei den beſoldeten Com- pagnien, ſoweit ſie aus jenen franzöſiſchen Garden beſtan- den, durch. Dieſe meuteriſche Truppe richtete ſchon Mitte Septembers an Lafayette die Bitte nach Verſailles rücken und von ihrem alten Rechte die Wachen im königlichen Schloſſe zu beziehen Gebrauch machen zu dürfen. Offenbar war das nur ein Vorwand und Lafayette redete ihnen die- ſen damals aus. Allein der ſtille Plan blieb, bildete ſich aus und auf die Nachricht vom Banket im Opernhauſe wuchſen ihm plötzlich Flügel. Am Sonntag den 4ten Oc- tober hörte man Soldaten ſich laut verabreden: „Morgen geht’s vor ſich! Weiber ſollen voran; ſie ſind ſo gut wie eine Verſtärkung: denn wer wird auf Weiber ſchießen? und wer darf nach Brod ſchreien, wenn nicht Weiber?“ Camille Desmoulins forderte Sonntags öffentlich zum Zuge nach Verſailles für den nächſten Morgen auf. Das hat die gerichtliche Unterſuchung bei dem Stadtgerichte völlig ins Klare gebracht. Wie verabredet, ſo gethan. Mit Tagesanbruch bilden ſich Weiberhaufen, beſonders in den Vorſtädten, ziehen um 7 Uhr auf den Greveplatz, ſchreien nach Brod, dazu be- Oct. 5.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/296
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/296>, abgerufen am 14.05.2024.