Schulden zu decken und gab ihm kaum einen Dank dafür. Der hat im Jahre 1781, in einer Zeit schon großen Dran- ges, anderthalb Millionen Livres für ihn bezahlt, das Jahr darauf vier Millionen, das dritte Jahr zwei Millio- nen, und gleichwohl blieben noch vierzehn bis funfzehn Millionen zu zahlen übrig. Auf die Vorwürfe eines Mi- nisters erwiederte Artois: "Was kann der König mir thun?" Und als nun das Gewitter näher kam und Alles auf Sparsamkeit und ein anderes Regierungsprincip drang, sah man bei Niemand sonst höhnenderen Stolz und ein so trotziges Verschmähen jeder Verbesserung. Den Finanzmann Necker, auf den man doch in Geldsachen zäh- len konnte, schalt er gerade ins Gesicht, schimpfte ihn einen elenden Bürgerlichen, drohte ihm, erzählt man, so- gar mit dem Tode. Die Misstimmung zwischen ihm und dem Könige wuchs ohne eigentlichen Bruch. Der ältere Bruder, Monsieur, Graf von Provence, war eben wie Artois mit einer sardinischen Prinzessin verbunden, wel- cher er jedoch wenig Zuneigung bewies. Monsieur zog sich mehr zurück vom Hofe, ohne ihn aus den Augen zu verlieren. Ein glückliches Gedächtniß unterstützte seine ge- schichtlichen Studien, er galt für einen gewiegten Poli- tiker, nicht ohne Grund, wie er das zu seiner Zeit als Herrscher über Frankreich dargethan hat. Auf den König, seinen Bruder, schien er wenig zu geben, und als die ersten Ausbrüche erfolgten, beargwohnte der König ihn, fürch- tete, er möchte auf die Seite der Neuerer treten. Eine
Französische Revolution. 2
Schulden zu decken und gab ihm kaum einen Dank dafür. Der hat im Jahre 1781, in einer Zeit ſchon großen Dran- ges, anderthalb Millionen Livres für ihn bezahlt, das Jahr darauf vier Millionen, das dritte Jahr zwei Millio- nen, und gleichwohl blieben noch vierzehn bis funfzehn Millionen zu zahlen übrig. Auf die Vorwürfe eines Mi- niſters erwiederte Artois: „Was kann der König mir thun?“ Und als nun das Gewitter näher kam und Alles auf Sparſamkeit und ein anderes Regierungsprincip drang, ſah man bei Niemand ſonſt höhnenderen Stolz und ein ſo trotziges Verſchmähen jeder Verbeſſerung. Den Finanzmann Necker, auf den man doch in Geldſachen zäh- len konnte, ſchalt er gerade ins Geſicht, ſchimpfte ihn einen elenden Bürgerlichen, drohte ihm, erzählt man, ſo- gar mit dem Tode. Die Misſtimmung zwiſchen ihm und dem Könige wuchs ohne eigentlichen Bruch. Der ältere Bruder, Monſieur, Graf von Provence, war eben wie Artois mit einer ſardiniſchen Prinzeſſin verbunden, wel- cher er jedoch wenig Zuneigung bewies. Monſieur zog ſich mehr zurück vom Hofe, ohne ihn aus den Augen zu verlieren. Ein glückliches Gedächtniß unterſtützte ſeine ge- ſchichtlichen Studien, er galt für einen gewiegten Poli- tiker, nicht ohne Grund, wie er das zu ſeiner Zeit als Herrſcher über Frankreich dargethan hat. Auf den König, ſeinen Bruder, ſchien er wenig zu geben, und als die erſten Ausbrüche erfolgten, beargwohnte der König ihn, fürch- tete, er möchte auf die Seite der Neuerer treten. Eine
Franzöſiſche Revolution. 2
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Schulden zu decken und gab ihm kaum einen Dank dafür.
Der hat im Jahre 1781, in einer Zeit ſchon großen Dran-
ges, anderthalb Millionen Livres für ihn bezahlt, das
Jahr darauf vier Millionen, das dritte Jahr zwei Millio-
nen, und gleichwohl blieben noch vierzehn bis funfzehn
Millionen zu zahlen übrig. Auf die Vorwürfe eines Mi-
niſters erwiederte Artois: „Was kann der König mir
thun?“ Und als nun das Gewitter näher kam und Alles
auf Sparſamkeit und ein anderes Regierungsprincip
drang, ſah man bei Niemand ſonſt höhnenderen Stolz
und ein ſo trotziges Verſchmähen jeder Verbeſſerung. Den
Finanzmann Necker, auf den man doch in Geldſachen zäh-
len konnte, ſchalt er gerade ins Geſicht, ſchimpfte ihn
einen elenden Bürgerlichen, drohte ihm, erzählt man, ſo-
gar mit dem Tode. Die Misſtimmung zwiſchen ihm und
dem Könige wuchs ohne eigentlichen Bruch. Der ältere
Bruder, Monſieur, Graf von Provence, war eben wie
Artois mit einer ſardiniſchen Prinzeſſin verbunden, wel-
cher er jedoch wenig Zuneigung bewies. Monſieur zog
ſich mehr zurück vom Hofe, ohne ihn aus den Augen zu
verlieren. Ein glückliches Gedächtniß unterſtützte ſeine ge-
ſchichtlichen Studien, er galt für einen gewiegten Poli-
tiker, nicht ohne Grund, wie er das zu ſeiner Zeit als
Herrſcher über Frankreich dargethan hat. Auf den König,
ſeinen Bruder, ſchien er wenig zu geben, und als die erſten
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/27>, abgerufen am 22.11.2024.
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