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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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keiner den Zehenten in Wahrheit bezahlt, denn er hat sein
Grundstück um eben so viel wohlfeiler gekauft als der Ca-
pitalwerth seines Zehenten ist. Auf die ganz entgegenge-
setzte Seite stellte sich aber Mirabeau, und statt dabei
stehen zu bleiben daß die Zehenten einen milden Ablö-
sungssatz verdienen, oder allenfalls ihren Ertrag der dar-
benden Staatscasse zuzuweisen, nannte er die Zehenten
eine Steuer für den Unterhalt der Geistlichkeit, den
Grundbesitzern unbillig auferlegt, verlangte ihre Aufhe-
bung ohne alle Entschädigung, brachte zugleich die Besol-
dung der Geistlichkeit aus öffentlichen Mitteln in Anre-
gung. Mirabeau erkannte das praktische Moment der Be-
schlüsse vom 4ten August, ihre Unwiderruflichkeit. Die
Art wie sie zu Stande kamen betrachtete er als charakte-
ristisch für seine Nation, die, ein Spielball ihrer Lebhaf-
tigkeit, die vernünftigsten Dinge auf die tollste Art voll-
bringe. Als der Zehente ohne Entschädigung fiel, sagte
Sieyes: "Sie wollen frei seyn und verstehen nicht gerecht
zu seyn." Seitdem war er erbittert auf die Versammlung,
sprach nur selten. Bei einer Unterredung zwischen den bei-
den Vätern der Revolution, wie Mirabeau sich und Sieyes
nannte, fielen die Worte: "Mein lieber Abbe, Sie ha-
ben den Stier losgekettet und beklagen sich daß er Sie
seine Hörner fühlen läßt?" Auch die weiteren Folgen der
vierten Augustnacht, zunächst für den Adel, sah Mirabeau
klar voraus. Der französische Adel hatte die einzigen Klam-
mern, welche er im Bewußtseyn der Nation hatte, selbst

keiner den Zehenten in Wahrheit bezahlt, denn er hat ſein
Grundſtück um eben ſo viel wohlfeiler gekauft als der Ca-
pitalwerth ſeines Zehenten iſt. Auf die ganz entgegenge-
ſetzte Seite ſtellte ſich aber Mirabeau, und ſtatt dabei
ſtehen zu bleiben daß die Zehenten einen milden Ablö-
ſungsſatz verdienen, oder allenfalls ihren Ertrag der dar-
benden Staatscaſſe zuzuweiſen, nannte er die Zehenten
eine Steuer für den Unterhalt der Geiſtlichkeit, den
Grundbeſitzern unbillig auferlegt, verlangte ihre Aufhe-
bung ohne alle Entſchädigung, brachte zugleich die Beſol-
dung der Geiſtlichkeit aus öffentlichen Mitteln in Anre-
gung. Mirabeau erkannte das praktiſche Moment der Be-
ſchlüſſe vom 4ten Auguſt, ihre Unwiderruflichkeit. Die
Art wie ſie zu Stande kamen betrachtete er als charakte-
riſtiſch für ſeine Nation, die, ein Spielball ihrer Lebhaf-
tigkeit, die vernünftigſten Dinge auf die tollſte Art voll-
bringe. Als der Zehente ohne Entſchädigung fiel, ſagte
Sieyes: „Sie wollen frei ſeyn und verſtehen nicht gerecht
zu ſeyn.“ Seitdem war er erbittert auf die Verſammlung,
ſprach nur ſelten. Bei einer Unterredung zwiſchen den bei-
den Vätern der Revolution, wie Mirabeau ſich und Sieyes
nannte, fielen die Worte: „Mein lieber Abbé, Sie ha-
ben den Stier losgekettet und beklagen ſich daß er Sie
ſeine Hörner fühlen läßt?“ Auch die weiteren Folgen der
vierten Auguſtnacht, zunächſt für den Adel, ſah Mirabeau
klar voraus. Der franzöſiſche Adel hatte die einzigen Klam-
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[254/0264] keiner den Zehenten in Wahrheit bezahlt, denn er hat ſein Grundſtück um eben ſo viel wohlfeiler gekauft als der Ca- pitalwerth ſeines Zehenten iſt. Auf die ganz entgegenge- ſetzte Seite ſtellte ſich aber Mirabeau, und ſtatt dabei ſtehen zu bleiben daß die Zehenten einen milden Ablö- ſungsſatz verdienen, oder allenfalls ihren Ertrag der dar- benden Staatscaſſe zuzuweiſen, nannte er die Zehenten eine Steuer für den Unterhalt der Geiſtlichkeit, den Grundbeſitzern unbillig auferlegt, verlangte ihre Aufhe- bung ohne alle Entſchädigung, brachte zugleich die Beſol- dung der Geiſtlichkeit aus öffentlichen Mitteln in Anre- gung. Mirabeau erkannte das praktiſche Moment der Be- ſchlüſſe vom 4ten Auguſt, ihre Unwiderruflichkeit. Die Art wie ſie zu Stande kamen betrachtete er als charakte- riſtiſch für ſeine Nation, die, ein Spielball ihrer Lebhaf- tigkeit, die vernünftigſten Dinge auf die tollſte Art voll- bringe. Als der Zehente ohne Entſchädigung fiel, ſagte Sieyes: „Sie wollen frei ſeyn und verſtehen nicht gerecht zu ſeyn.“ Seitdem war er erbittert auf die Verſammlung, ſprach nur ſelten. Bei einer Unterredung zwiſchen den bei- den Vätern der Revolution, wie Mirabeau ſich und Sieyes nannte, fielen die Worte: „Mein lieber Abbé, Sie ha- ben den Stier losgekettet und beklagen ſich daß er Sie ſeine Hörner fühlen läßt?“ Auch die weiteren Folgen der vierten Auguſtnacht, zunächſt für den Adel, ſah Mirabeau klar voraus. Der franzöſiſche Adel hatte die einzigen Klam- mern, welche er im Bewußtſeyn der Nation hatte, ſelbſt

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/264>, abgerufen am 27.11.2024.