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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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nung von unerwarteter Seite auf. Mirabeau bat ihn um
eine Unterredung für denselben Tag. Diese hat Malouet,
der sein Leben bis über die napoleonischen Zeiten verlän-
gerte, aus frischer Erinnerung niedergeschrieben. Mira-
beau ging offen heraus: er wende sich an einen verständi-
gen Freund der Freiheit, dazu den Freund von Necker und
Montmorin. Auf beide gebe er wenig, allein man brauche
sich auch nicht zu lieben, genug, wenn man sich verstän-
dige. Jetzt frage es sich, ob der Monarch und die Monar-
chie den Sturm, welcher im Anzug ist, überleben, oder
ob die Fehler, welche man begangen hat und ohne Zwei-
fel noch begehen wird, uns Alle verschlingen sollen. "Ich
wünsche," schloß er, "die Absichten der beiden Minister
zu kennen und wende mich an Sie, um eine Zusammen-
kunft mit ihnen zu erhalten. Die Minister würden sehr
strafbar und sehr beschränkten Geistes, selbst der König
würde nicht zu entschuldigen seyn, wenn sie sich anmaßten
diese Reichsstände auf dasselbe Ergebniß zurückzuführen,
welches alle anderen gehabt haben. Das wird nimmer-
mehr geschehen. Die Herren müssen einen Plan haben;
wenn dieser Plan vernünftig ist, im monarchischen Sinne,
so will ich ihn unterstützen, alle meine Kräfte, allen mei-
nen Einfluß anspannen, um den Einbruch der Demokra-
tie, die uns bedroht, abzuwenden." Malouet war in
gleichem Maße überrascht und erfreut, sprach denselben
Abend mit beiden Ministern. Aber Montmorin wollte mit
einem Manne nichts zu schaffen haben, der, wie er sagte,

nung von unerwarteter Seite auf. Mirabeau bat ihn um
eine Unterredung für denſelben Tag. Dieſe hat Malouet,
der ſein Leben bis über die napoleoniſchen Zeiten verlän-
gerte, aus friſcher Erinnerung niedergeſchrieben. Mira-
beau ging offen heraus: er wende ſich an einen verſtändi-
gen Freund der Freiheit, dazu den Freund von Necker und
Montmorin. Auf beide gebe er wenig, allein man brauche
ſich auch nicht zu lieben, genug, wenn man ſich verſtän-
dige. Jetzt frage es ſich, ob der Monarch und die Monar-
chie den Sturm, welcher im Anzug iſt, überleben, oder
ob die Fehler, welche man begangen hat und ohne Zwei-
fel noch begehen wird, uns Alle verſchlingen ſollen. „Ich
wünſche,“ ſchloß er, „die Abſichten der beiden Miniſter
zu kennen und wende mich an Sie, um eine Zuſammen-
kunft mit ihnen zu erhalten. Die Miniſter würden ſehr
ſtrafbar und ſehr beſchränkten Geiſtes, ſelbſt der König
würde nicht zu entſchuldigen ſeyn, wenn ſie ſich anmaßten
dieſe Reichsſtände auf daſſelbe Ergebniß zurückzuführen,
welches alle anderen gehabt haben. Das wird nimmer-
mehr geſchehen. Die Herren müſſen einen Plan haben;
wenn dieſer Plan vernünftig iſt, im monarchiſchen Sinne,
ſo will ich ihn unterſtützen, alle meine Kräfte, allen mei-
nen Einfluß anſpannen, um den Einbruch der Demokra-
tie, die uns bedroht, abzuwenden.“ Malouet war in
gleichem Maße überraſcht und erfreut, ſprach denſelben
Abend mit beiden Miniſtern. Aber Montmorin wollte mit
einem Manne nichts zu ſchaffen haben, der, wie er ſagte,

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[201/0211] nung von unerwarteter Seite auf. Mirabeau bat ihn um eine Unterredung für denſelben Tag. Dieſe hat Malouet, der ſein Leben bis über die napoleoniſchen Zeiten verlän- gerte, aus friſcher Erinnerung niedergeſchrieben. Mira- beau ging offen heraus: er wende ſich an einen verſtändi- gen Freund der Freiheit, dazu den Freund von Necker und Montmorin. Auf beide gebe er wenig, allein man brauche ſich auch nicht zu lieben, genug, wenn man ſich verſtän- dige. Jetzt frage es ſich, ob der Monarch und die Monar- chie den Sturm, welcher im Anzug iſt, überleben, oder ob die Fehler, welche man begangen hat und ohne Zwei- fel noch begehen wird, uns Alle verſchlingen ſollen. „Ich wünſche,“ ſchloß er, „die Abſichten der beiden Miniſter zu kennen und wende mich an Sie, um eine Zuſammen- kunft mit ihnen zu erhalten. Die Miniſter würden ſehr ſtrafbar und ſehr beſchränkten Geiſtes, ſelbſt der König würde nicht zu entſchuldigen ſeyn, wenn ſie ſich anmaßten dieſe Reichsſtände auf daſſelbe Ergebniß zurückzuführen, welches alle anderen gehabt haben. Das wird nimmer- mehr geſchehen. Die Herren müſſen einen Plan haben; wenn dieſer Plan vernünftig iſt, im monarchiſchen Sinne, ſo will ich ihn unterſtützen, alle meine Kräfte, allen mei- nen Einfluß anſpannen, um den Einbruch der Demokra- tie, die uns bedroht, abzuwenden.“ Malouet war in gleichem Maße überraſcht und erfreut, ſprach denſelben Abend mit beiden Miniſtern. Aber Montmorin wollte mit einem Manne nichts zu ſchaffen haben, der, wie er ſagte,

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/211>, abgerufen am 02.05.2024.