Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

edler Mäßigung dargelegt daß der königliche Befehl eben
so sehr Gehorsam heische als die königliche Absicht ihn
verdiene, daß auch die Stimme von 600,000 Einwohnern
einen Werth habe, 180 Berechtigten gegenüber, als auch
der Sturm über ihn ausbrach. Man befand jetzt daß die
mirabeauschen Lehen auf seines Vaters Namen gingen,
daß auch sein Ehecontract ihn nicht zum Lehnseigenthümer
mache, seine Ausstoßung ward entschieden. Auch sein
Protest hiegegen trägt keine Spur von Leidenschaft; er ist
ein anderer Mensch, sobald er in die Sphäre öffentlicher
Verhältnisse tritt. Um so gewisser konnte er von nun an
der Gunst des dritten Standes seyn, es wäre denn daß
ein Verhaftsbrief wegen seiner berliner Briefe dazwischen
träte. Diese Sorge trieb ihn schleunig nach Paris, und
als er erfahren, für seine Person sey nichts zu fürchten,
eben so rasch wieder zurück in die Provence. Sein Ein-
tritt hier war ein Triumphzug, allenthalben strömte ihm
die Bevölkerung entgegen, man feierte mit lautem Zuruf
den König und Mirabcau. An den Zauber seiner Unter-
haltung sah man Alt und Jung gefesselt; wer ihn von den
Irrthümern seiner Jugend reuig erzählen hörte, überredete
sich gern, diesem Manne gehörten bloß seine Tugenden,
seine Laster wären ihm äußerlich angespritzt. Aber Theu-
rung herrschte auch in der Provence; der geringe Mann
forderte in Marseille einen niedrigeren Satz für Brod und
Fleisch; die Obrigkeit hat im ersten Schrecken nachgegeben,
und weiß nun nicht wie sie Wort halten soll. Da nimmt

edler Mäßigung dargelegt daß der königliche Befehl eben
ſo ſehr Gehorſam heiſche als die königliche Abſicht ihn
verdiene, daß auch die Stimme von 600,000 Einwohnern
einen Werth habe, 180 Berechtigten gegenüber, als auch
der Sturm über ihn ausbrach. Man befand jetzt daß die
mirabeauſchen Lehen auf ſeines Vaters Namen gingen,
daß auch ſein Ehecontract ihn nicht zum Lehnseigenthümer
mache, ſeine Ausſtoßung ward entſchieden. Auch ſein
Proteſt hiegegen trägt keine Spur von Leidenſchaft; er iſt
ein anderer Menſch, ſobald er in die Sphäre öffentlicher
Verhältniſſe tritt. Um ſo gewiſſer konnte er von nun an
der Gunſt des dritten Standes ſeyn, es wäre denn daß
ein Verhaftsbrief wegen ſeiner berliner Briefe dazwiſchen
träte. Dieſe Sorge trieb ihn ſchleunig nach Paris, und
als er erfahren, für ſeine Perſon ſey nichts zu fürchten,
eben ſo raſch wieder zurück in die Provence. Sein Ein-
tritt hier war ein Triumphzug, allenthalben ſtrömte ihm
die Bevölkerung entgegen, man feierte mit lautem Zuruf
den König und Mirabcau. An den Zauber ſeiner Unter-
haltung ſah man Alt und Jung gefeſſelt; wer ihn von den
Irrthümern ſeiner Jugend reuig erzählen hörte, überredete
ſich gern, dieſem Manne gehörten bloß ſeine Tugenden,
ſeine Laſter wären ihm äußerlich angeſpritzt. Aber Theu-
rung herrſchte auch in der Provence; der geringe Mann
forderte in Marſeille einen niedrigeren Satz für Brod und
Fleiſch; die Obrigkeit hat im erſten Schrecken nachgegeben,
und weiß nun nicht wie ſie Wort halten ſoll. Da nimmt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0197" n="187"/>
edler Mäßigung dargelegt daß der königliche Befehl eben<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr Gehor&#x017F;am hei&#x017F;che als die königliche Ab&#x017F;icht ihn<lb/>
verdiene, daß auch die Stimme von 600,000 Einwohnern<lb/>
einen Werth habe, 180 Berechtigten gegenüber, als auch<lb/>
der Sturm über ihn ausbrach. Man befand jetzt daß die<lb/>
mirabeau&#x017F;chen Lehen auf &#x017F;eines Vaters Namen gingen,<lb/>
daß auch &#x017F;ein Ehecontract ihn nicht zum Lehnseigenthümer<lb/>
mache, &#x017F;eine Aus&#x017F;toßung ward ent&#x017F;chieden. Auch &#x017F;ein<lb/>
Prote&#x017F;t hiegegen trägt keine Spur von Leiden&#x017F;chaft; er i&#x017F;t<lb/>
ein anderer Men&#x017F;ch, &#x017F;obald er in die Sphäre öffentlicher<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e tritt. Um &#x017F;o gewi&#x017F;&#x017F;er konnte er von nun an<lb/>
der Gun&#x017F;t des dritten Standes &#x017F;eyn, es wäre denn daß<lb/>
ein Verhaftsbrief wegen &#x017F;einer berliner Briefe dazwi&#x017F;chen<lb/>
träte. Die&#x017F;e Sorge trieb ihn &#x017F;chleunig nach Paris, und<lb/>
als er erfahren, für &#x017F;eine Per&#x017F;on &#x017F;ey nichts zu fürchten,<lb/>
eben &#x017F;o ra&#x017F;ch wieder zurück in die Provence. Sein Ein-<lb/>
tritt hier war ein Triumphzug, allenthalben &#x017F;trömte ihm<lb/>
die Bevölkerung entgegen, man feierte mit lautem Zuruf<lb/>
den König und Mirabcau. An den Zauber &#x017F;einer Unter-<lb/>
haltung &#x017F;ah man Alt und Jung gefe&#x017F;&#x017F;elt; wer ihn von den<lb/>
Irrthümern &#x017F;einer Jugend reuig erzählen hörte, überredete<lb/>
&#x017F;ich gern, die&#x017F;em Manne gehörten bloß &#x017F;eine Tugenden,<lb/>
&#x017F;eine La&#x017F;ter wären ihm äußerlich ange&#x017F;pritzt. Aber Theu-<lb/>
rung herr&#x017F;chte auch in der Provence; der geringe Mann<lb/>
forderte in Mar&#x017F;eille einen niedrigeren Satz für Brod und<lb/>
Flei&#x017F;ch; die Obrigkeit hat im er&#x017F;ten Schrecken nachgegeben,<lb/>
und weiß nun nicht wie &#x017F;ie Wort halten &#x017F;oll. Da nimmt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0197] edler Mäßigung dargelegt daß der königliche Befehl eben ſo ſehr Gehorſam heiſche als die königliche Abſicht ihn verdiene, daß auch die Stimme von 600,000 Einwohnern einen Werth habe, 180 Berechtigten gegenüber, als auch der Sturm über ihn ausbrach. Man befand jetzt daß die mirabeauſchen Lehen auf ſeines Vaters Namen gingen, daß auch ſein Ehecontract ihn nicht zum Lehnseigenthümer mache, ſeine Ausſtoßung ward entſchieden. Auch ſein Proteſt hiegegen trägt keine Spur von Leidenſchaft; er iſt ein anderer Menſch, ſobald er in die Sphäre öffentlicher Verhältniſſe tritt. Um ſo gewiſſer konnte er von nun an der Gunſt des dritten Standes ſeyn, es wäre denn daß ein Verhaftsbrief wegen ſeiner berliner Briefe dazwiſchen träte. Dieſe Sorge trieb ihn ſchleunig nach Paris, und als er erfahren, für ſeine Perſon ſey nichts zu fürchten, eben ſo raſch wieder zurück in die Provence. Sein Ein- tritt hier war ein Triumphzug, allenthalben ſtrömte ihm die Bevölkerung entgegen, man feierte mit lautem Zuruf den König und Mirabcau. An den Zauber ſeiner Unter- haltung ſah man Alt und Jung gefeſſelt; wer ihn von den Irrthümern ſeiner Jugend reuig erzählen hörte, überredete ſich gern, dieſem Manne gehörten bloß ſeine Tugenden, ſeine Laſter wären ihm äußerlich angeſpritzt. Aber Theu- rung herrſchte auch in der Provence; der geringe Mann forderte in Marſeille einen niedrigeren Satz für Brod und Fleiſch; die Obrigkeit hat im erſten Schrecken nachgegeben, und weiß nun nicht wie ſie Wort halten ſoll. Da nimmt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/197
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/197>, abgerufen am 06.05.2024.