blieb hinter der ihm erlaubten Zahl von 300 aus dem be- merkten Grunde zurück, man erblickte in seinen Reihen eine Anzahl Mitglieder der höchsten Gerichtshöfe; in alle Lücken, welche die hohe Geistlichkeit (das heißt, mit we- nig Ausnahmen, der Adel im geistlichen Gewande) ließ, trat die niedere Geistlichkeit ein, und man sah am Ende in dem geistlichen Dreihundert, welches bis zu 308 Mit- gliedern überschwoll, 207 theils Pfarrer, theils Geweihte ohne Kirchenamt, meistens Schulmänner sitzen, eine mächtige Verstärkung des Bürgerstandes. Im dritten Stande saßen über 200 Advocaten und Notare, gegen 200 eigentliche Beamte, meistens bei den Untergerichten an- gestellt, 176 Bürger, Kaufleute und Landwirthe, ein Paar Geistliche, einige Ärzte, 15 Edelleute. Man zählte im Ganzen 621 Mitglieder dritten Standes heraus. Au- genscheinlich war der Grundbesitz im dritten Stande un- genügend vertreten. Das Wahlgesetz hatte nichts vorge- sehen und die Abneigung Edelleute zu wählen, welche fast allein die großen Landgüter besaßen, war allgemein.
Was den Parisern ausnahmsweise einen Mann geist- licher Weihen empfahl, erklärt sich aus den Leistungen dieses Mannes. Immanuel Joseph Sieyes sah in der al- ten Stadt Frejus in der Provence das Licht, welche in alten Tagen, da sie noch Forum Julii hieß, den Julius Agricola gebar. Seine Jugenderziehung empfing er im geistlichen Seminar, studirte dann in Paris und empfing von der Sorbonne den Grad des Licentiaten. Ein Kano-
blieb hinter der ihm erlaubten Zahl von 300 aus dem be- merkten Grunde zurück, man erblickte in ſeinen Reihen eine Anzahl Mitglieder der höchſten Gerichtshöfe; in alle Lücken, welche die hohe Geiſtlichkeit (das heißt, mit we- nig Ausnahmen, der Adel im geiſtlichen Gewande) ließ, trat die niedere Geiſtlichkeit ein, und man ſah am Ende in dem geiſtlichen Dreihundert, welches bis zu 308 Mit- gliedern überſchwoll, 207 theils Pfarrer, theils Geweihte ohne Kirchenamt, meiſtens Schulmänner ſitzen, eine mächtige Verſtärkung des Bürgerſtandes. Im dritten Stande ſaßen über 200 Advocaten und Notare, gegen 200 eigentliche Beamte, meiſtens bei den Untergerichten an- geſtellt, 176 Bürger, Kaufleute und Landwirthe, ein Paar Geiſtliche, einige Ärzte, 15 Edelleute. Man zählte im Ganzen 621 Mitglieder dritten Standes heraus. Au- genſcheinlich war der Grundbeſitz im dritten Stande un- genügend vertreten. Das Wahlgeſetz hatte nichts vorge- ſehen und die Abneigung Edelleute zu wählen, welche faſt allein die großen Landgüter beſaßen, war allgemein.
Was den Pariſern ausnahmsweiſe einen Mann geiſt- licher Weihen empfahl, erklärt ſich aus den Leiſtungen dieſes Mannes. Immanuel Joſeph Sieyes ſah in der al- ten Stadt Frejus in der Provence das Licht, welche in alten Tagen, da ſie noch Forum Julii hieß, den Julius Agricola gebar. Seine Jugenderziehung empfing er im geiſtlichen Seminar, ſtudirte dann in Paris und empfing von der Sorbonne den Grad des Licentiaten. Ein Kano-
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blieb hinter der ihm erlaubten Zahl von 300 aus dem be-
merkten Grunde zurück, man erblickte in ſeinen Reihen
eine Anzahl Mitglieder der höchſten Gerichtshöfe; in alle
Lücken, welche die hohe Geiſtlichkeit (das heißt, mit we-
nig Ausnahmen, der Adel im geiſtlichen Gewande) ließ,
trat die niedere Geiſtlichkeit ein, und man ſah am Ende
in dem geiſtlichen Dreihundert, welches bis zu 308 Mit-
gliedern überſchwoll, 207 theils Pfarrer, theils Geweihte
ohne Kirchenamt, meiſtens Schulmänner ſitzen, eine
mächtige Verſtärkung des Bürgerſtandes. Im dritten
Stande ſaßen über 200 Advocaten und Notare, gegen 200
eigentliche Beamte, meiſtens bei den Untergerichten an-
geſtellt, 176 Bürger, Kaufleute und Landwirthe, ein
Paar Geiſtliche, einige Ärzte, 15 Edelleute. Man zählte
im Ganzen 621 Mitglieder dritten Standes heraus. Au-
genſcheinlich war der Grundbeſitz im dritten Stande un-
genügend vertreten. Das Wahlgeſetz hatte nichts vorge-
ſehen und die Abneigung Edelleute zu wählen, welche
faſt allein die großen Landgüter beſaßen, war allgemein.
Was den Pariſern ausnahmsweiſe einen Mann geiſt-
licher Weihen empfahl, erklärt ſich aus den Leiſtungen
dieſes Mannes. Immanuel Joſeph Sieyes ſah in der al-
ten Stadt Frejus in der Provence das Licht, welche in
alten Tagen, da ſie noch Forum Julii hieß, den Julius
Agricola gebar. Seine Jugenderziehung empfing er im
geiſtlichen Seminar, ſtudirte dann in Paris und empfing
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/174>, abgerufen am 23.11.2024.
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