Lamoignon an seiner Statt Siegelbewahrer ward. Ohne die Freundschaft der Königin hätte auch Breteuil seinen Platz verloren. Marie Antonie war Calonnen gram, seit er, ohne sie zu fragen, die Notabeln eingeleitet; jetzt da Alles so schief ging, gewann sie Macht über ihn als einen Herab- würdiger der Krone, sie unternahm einen Hauptsturm auf den König und Miromenil hatte die Freude den Urheber seines Falles rasch nachstürzen zu sehen. Calonne wardApril 8. 9. entlassen und als sich bald hernach eine Verschleuderung von 12 Millionen auf Börsenoperationen ohne alle Auto- risation herausstellte, nach Lothringen verwiesen. Weil aber auf den Antrag des Parlaments eine peinliche An- klage ihm drohte, entwich er lieber nach England.
Diese Entlassung geschah viel zu spät und doch zu frühe, denn es war noch kein neuer Finanzminister gefunden. Montmorin hatte mehrmals schon an Necker erinnert, jetzt wagte er auf ihn zurückzukommen, rechnete dabei auf La- moignon und Breteuil. Aber letzterer fiel im Augenblicke der Entscheidung ab. An Neckers etwas selbstgefällig dociren- der Persönlichkeit hatte der König von jeher zu überwin- den gehabt und sein vor drei Jahren erschienenes Werk über die Finanzverwaltung hatte ihn verstimmt. Es durf- ten diese peinlichen Wahrheiten in Frankreich nicht feil ge- boten oder mindestens nicht öffentlich besprochen werden und der König ließ Neckern damals bedeuten nicht mehr nach Paris zu kommen. Nun aber erschien gerade in den letzten Tagen wieder eine Schrift von ihm, welche seine
Französische Revolution. 8
Lamoignon an ſeiner Statt Siegelbewahrer ward. Ohne die Freundſchaft der Königin hätte auch Breteuil ſeinen Platz verloren. Marie Antonie war Calonnen gram, ſeit er, ohne ſie zu fragen, die Notabeln eingeleitet; jetzt da Alles ſo ſchief ging, gewann ſie Macht über ihn als einen Herab- würdiger der Krone, ſie unternahm einen Hauptſturm auf den König und Miromenil hatte die Freude den Urheber ſeines Falles raſch nachſtürzen zu ſehen. Calonne wardApril 8. 9. entlaſſen und als ſich bald hernach eine Verſchleuderung von 12 Millionen auf Börſenoperationen ohne alle Auto- riſation herausſtellte, nach Lothringen verwieſen. Weil aber auf den Antrag des Parlaments eine peinliche An- klage ihm drohte, entwich er lieber nach England.
Dieſe Entlaſſung geſchah viel zu ſpät und doch zu frühe, denn es war noch kein neuer Finanzminiſter gefunden. Montmorin hatte mehrmals ſchon an Necker erinnert, jetzt wagte er auf ihn zurückzukommen, rechnete dabei auf La- moignon und Breteuil. Aber letzterer fiel im Augenblicke der Entſcheidung ab. An Neckers etwas ſelbſtgefällig dociren- der Perſönlichkeit hatte der König von jeher zu überwin- den gehabt und ſein vor drei Jahren erſchienenes Werk über die Finanzverwaltung hatte ihn verſtimmt. Es durf- ten dieſe peinlichen Wahrheiten in Frankreich nicht feil ge- boten oder mindeſtens nicht öffentlich beſprochen werden und der König ließ Neckern damals bedeuten nicht mehr nach Paris zu kommen. Nun aber erſchien gerade in den letzten Tagen wieder eine Schrift von ihm, welche ſeine
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Lamoignon an ſeiner Statt Siegelbewahrer ward. Ohne die
Freundſchaft der Königin hätte auch Breteuil ſeinen Platz
verloren. Marie Antonie war Calonnen gram, ſeit er,
ohne ſie zu fragen, die Notabeln eingeleitet; jetzt da Alles
ſo ſchief ging, gewann ſie Macht über ihn als einen Herab-
würdiger der Krone, ſie unternahm einen Hauptſturm auf
den König und Miromenil hatte die Freude den Urheber
ſeines Falles raſch nachſtürzen zu ſehen. Calonne ward
entlaſſen und als ſich bald hernach eine Verſchleuderung
von 12 Millionen auf Börſenoperationen ohne alle Auto-
riſation herausſtellte, nach Lothringen verwieſen. Weil
aber auf den Antrag des Parlaments eine peinliche An-
klage ihm drohte, entwich er lieber nach England.
April
8. 9.
Dieſe Entlaſſung geſchah viel zu ſpät und doch zu frühe,
denn es war noch kein neuer Finanzminiſter gefunden.
Montmorin hatte mehrmals ſchon an Necker erinnert, jetzt
wagte er auf ihn zurückzukommen, rechnete dabei auf La-
moignon und Breteuil. Aber letzterer fiel im Augenblicke der
Entſcheidung ab. An Neckers etwas ſelbſtgefällig dociren-
der Perſönlichkeit hatte der König von jeher zu überwin-
den gehabt und ſein vor drei Jahren erſchienenes Werk
über die Finanzverwaltung hatte ihn verſtimmt. Es durf-
ten dieſe peinlichen Wahrheiten in Frankreich nicht feil ge-
boten oder mindeſtens nicht öffentlich beſprochen werden
und der König ließ Neckern damals bedeuten nicht mehr
nach Paris zu kommen. Nun aber erſchien gerade in den
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/123>, abgerufen am 05.05.2024.
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