Versailler Schlosses hörbar regiert hatte, zollte ihm seine gutherzigen Thränen und beließ in der Verwaltung der Finanzen den Staatsrath Joly de Fleury, welchen der Verstorbene Neckern zum Nachfolger gegeben hatte. Dieser wenig achtbare Mann erhöhte die Auflagen rücksichtslos und mehrte die Staatsschuld durch kostspielige Anleihen, um die Lasten des Krieges zu tragen. Die Provinzialver- sammlungen stellte er gleich ab, denn er theilte gänzlich den Grundsatz von Vergennes, daß es im Gemeinwesen dann am besten stehe, wenn alle Gewalt in einer einzigen Hand concentrirt sey. Ludwig fing an sich mehr zu ver- trauen; das Regierungsgeschäft war, von Verbesserern befreit, in den Bereich gewöhnlicher Begriffe herabgesun- ken. Gleichwohl ward man daran erinnert daß Necker klug gethan hatte, indem er an die Steuern nicht rührte. Denn wenngleich das pariser Parlament in dankbarer Freude über Neckers Fall, der über die Parlamente wie Turgot dachte, die neuen Steuern so stillschweigend wie die neuen Anleihen protocollirte: das Parlament von Be- sancon erhob verschiedene Einwendungen und verstieg sich in wachsender Erbitterung bis zu dem verhaßten Antrage auf Berufung von Reichsständen. Noch schroffer stellten sich die Verhältnisse in der Bretagne, wo man noch seine alten Stände besaß. Diese empfanden es übel daß ihnen die Regierung das Recht streitig machte, Männer ihrer Wahl als Deputirte an das Hoflager zu schicken, die Er- nennung derselben dem Gouverneur der Provinz zuwenden
Verſailler Schloſſes hörbar regiert hatte, zollte ihm ſeine gutherzigen Thränen und beließ in der Verwaltung der Finanzen den Staatsrath Joly de Fleury, welchen der Verſtorbene Neckern zum Nachfolger gegeben hatte. Dieſer wenig achtbare Mann erhöhte die Auflagen rückſichtslos und mehrte die Staatsſchuld durch koſtſpielige Anleihen, um die Laſten des Krieges zu tragen. Die Provinzialver- ſammlungen ſtellte er gleich ab, denn er theilte gänzlich den Grundſatz von Vergennes, daß es im Gemeinweſen dann am beſten ſtehe, wenn alle Gewalt in einer einzigen Hand concentrirt ſey. Ludwig fing an ſich mehr zu ver- trauen; das Regierungsgeſchäft war, von Verbeſſerern befreit, in den Bereich gewöhnlicher Begriffe herabgeſun- ken. Gleichwohl ward man daran erinnert daß Necker klug gethan hatte, indem er an die Steuern nicht rührte. Denn wenngleich das pariſer Parlament in dankbarer Freude über Neckers Fall, der über die Parlamente wie Turgot dachte, die neuen Steuern ſo ſtillſchweigend wie die neuen Anleihen protocollirte: das Parlament von Be- ſançon erhob verſchiedene Einwendungen und verſtieg ſich in wachſender Erbitterung bis zu dem verhaßten Antrage auf Berufung von Reichsſtänden. Noch ſchroffer ſtellten ſich die Verhältniſſe in der Bretagne, wo man noch ſeine alten Stände beſaß. Dieſe empfanden es übel daß ihnen die Regierung das Recht ſtreitig machte, Männer ihrer Wahl als Deputirte an das Hoflager zu ſchicken, die Er- nennung derſelben dem Gouverneur der Provinz zuwenden
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Verſailler Schloſſes hörbar regiert hatte, zollte ihm ſeine
gutherzigen Thränen und beließ in der Verwaltung der
Finanzen den Staatsrath Joly de Fleury, welchen der
Verſtorbene Neckern zum Nachfolger gegeben hatte. Dieſer
wenig achtbare Mann erhöhte die Auflagen rückſichtslos
und mehrte die Staatsſchuld durch koſtſpielige Anleihen,
um die Laſten des Krieges zu tragen. Die Provinzialver-
ſammlungen ſtellte er gleich ab, denn er theilte gänzlich
den Grundſatz von Vergennes, daß es im Gemeinweſen
dann am beſten ſtehe, wenn alle Gewalt in einer einzigen
Hand concentrirt ſey. Ludwig fing an ſich mehr zu ver-
trauen; das Regierungsgeſchäft war, von Verbeſſerern
befreit, in den Bereich gewöhnlicher Begriffe herabgeſun-
ken. Gleichwohl ward man daran erinnert daß Necker
klug gethan hatte, indem er an die Steuern nicht rührte.
Denn wenngleich das pariſer Parlament in dankbarer
Freude über Neckers Fall, der über die Parlamente wie
Turgot dachte, die neuen Steuern ſo ſtillſchweigend wie
die neuen Anleihen protocollirte: das Parlament von Be-
ſançon erhob verſchiedene Einwendungen und verſtieg ſich
in wachſender Erbitterung bis zu dem verhaßten Antrage
auf Berufung von Reichsſtänden. Noch ſchroffer ſtellten
ſich die Verhältniſſe in der Bretagne, wo man noch ſeine
alten Stände beſaß. Dieſe empfanden es übel daß ihnen
die Regierung das Recht ſtreitig machte, Männer ihrer
Wahl als Deputirte an das Hoflager zu ſchicken, die Er-
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/101>, abgerufen am 24.11.2024.
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