handelt. Nach der Vernichtung der wahren Volksvertreter haben die Könige allerdings erklärt, die Gerichtshöfe wür- den die Vertreter des Volks seyn, allein jeder Gerichtshof ist auf sein Gebiet beschränkt und auf die Gerichtspflege. Dergestalt können alle möglichen Misbräuche in der Ver- waltung begangen werden ohne daß der König etwas da- von erfährt, weder durch die Volksvertreter, denn in den meisten Provinzen giebt es keine, noch durch die Gerichts- höfe, denn in Bezug auf alle Gegenstände der Verwaltung er- klärt man sie für incompetent, noch durch Einzelne, denn sie sind durch Beispiele der Strenge belehrt, daß es ein Verbre- chen ist sich an die Gerechtigkeit seines Souveräns zu wenden. So schwer lastet überall das Geheimniß der Verwaltung. Einen Beleg dazu geben die Wegefrohnen, die kein Gesetz des Königreiches genehmigt, und keine Last, über welche das Volk mehr seufzt als diese. Eben so der Zwanzigste, welcher seit 40 Jahren besteht, und kein Pflichtiger darf die Heberollen einsehn. Das ward dem verstorbenen Kö- nige 1756 vorgestellt und die Minister mußten es einge- stehen, worauf der König die Niederlegung der Heberollen zur öffentlichen Einsicht befahl; allein gleich die folgenden Minister wußten einen Widerruf dieses Befehles zu be- wirken. So liegt es fortwährend in der Hand der Be- amten einen Pflichtigen, welchem sie wohlwollen, zu be- günstigen, was natürlich auf Kosten Anderer geschieht, deren Beitrag vermehrt wird, um den Ausfall zu decken, und den Verletzten bleibt alle Möglichkeit der Beschwerde-
handelt. Nach der Vernichtung der wahren Volksvertreter haben die Könige allerdings erklärt, die Gerichtshöfe wür- den die Vertreter des Volks ſeyn, allein jeder Gerichtshof iſt auf ſein Gebiet beſchränkt und auf die Gerichtspflege. Dergeſtalt können alle möglichen Misbräuche in der Ver- waltung begangen werden ohne daß der König etwas da- von erfährt, weder durch die Volksvertreter, denn in den meiſten Provinzen giebt es keine, noch durch die Gerichts- höfe, denn in Bezug auf alle Gegenſtände der Verwaltung er- klärt man ſie für incompetent, noch durch Einzelne, denn ſie ſind durch Beiſpiele der Strenge belehrt, daß es ein Verbre- chen iſt ſich an die Gerechtigkeit ſeines Souveräns zu wenden. So ſchwer laſtet überall das Geheimniß der Verwaltung. Einen Beleg dazu geben die Wegefrohnen, die kein Geſetz des Königreiches genehmigt, und keine Laſt, über welche das Volk mehr ſeufzt als dieſe. Eben ſo der Zwanzigſte, welcher ſeit 40 Jahren beſteht, und kein Pflichtiger darf die Heberollen einſehn. Das ward dem verſtorbenen Kö- nige 1756 vorgeſtellt und die Miniſter mußten es einge- ſtehen, worauf der König die Niederlegung der Heberollen zur öffentlichen Einſicht befahl; allein gleich die folgenden Miniſter wußten einen Widerruf dieſes Befehles zu be- wirken. So liegt es fortwährend in der Hand der Be- amten einen Pflichtigen, welchem ſie wohlwollen, zu be- günſtigen, was natürlich auf Koſten Anderer geſchieht, deren Beitrag vermehrt wird, um den Ausfall zu decken, und den Verletzten bleibt alle Möglichkeit der Beſchwerde-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0051"n="41"/>
handelt. Nach der Vernichtung der wahren Volksvertreter<lb/>
haben die Könige allerdings erklärt, die Gerichtshöfe wür-<lb/>
den die Vertreter des Volks ſeyn, allein jeder Gerichtshof<lb/>
iſt auf ſein Gebiet beſchränkt und auf die Gerichtspflege.<lb/>
Dergeſtalt können alle möglichen Misbräuche in der Ver-<lb/>
waltung begangen werden ohne daß der König etwas da-<lb/>
von erfährt, weder durch die Volksvertreter, denn in den<lb/>
meiſten Provinzen giebt es keine, noch durch die Gerichts-<lb/>
höfe, denn in Bezug auf alle Gegenſtände der Verwaltung er-<lb/>
klärt man ſie für incompetent, noch durch Einzelne, denn ſie<lb/>ſind durch Beiſpiele der Strenge belehrt, daß es ein Verbre-<lb/>
chen iſt ſich an die Gerechtigkeit ſeines Souveräns zu wenden.<lb/>
So ſchwer laſtet überall das Geheimniß der Verwaltung.<lb/>
Einen Beleg dazu geben die Wegefrohnen, die kein Geſetz<lb/>
des Königreiches genehmigt, und keine Laſt, über welche<lb/>
das Volk mehr ſeufzt als dieſe. Eben ſo der Zwanzigſte,<lb/>
welcher ſeit 40 Jahren beſteht, und kein Pflichtiger darf<lb/>
die Heberollen einſehn. Das ward dem verſtorbenen Kö-<lb/>
nige 1756 vorgeſtellt und die Miniſter mußten es einge-<lb/>ſtehen, worauf der König die Niederlegung der Heberollen<lb/>
zur öffentlichen Einſicht befahl; allein gleich die folgenden<lb/>
Miniſter wußten einen Widerruf dieſes Befehles zu be-<lb/>
wirken. So liegt es fortwährend in der Hand der Be-<lb/>
amten einen Pflichtigen, welchem ſie wohlwollen, zu be-<lb/>
günſtigen, was natürlich auf Koſten Anderer geſchieht,<lb/>
deren Beitrag vermehrt wird, um den Ausfall zu decken,<lb/>
und den Verletzten bleibt alle Möglichkeit der Beſchwerde-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[41/0051]
handelt. Nach der Vernichtung der wahren Volksvertreter
haben die Könige allerdings erklärt, die Gerichtshöfe wür-
den die Vertreter des Volks ſeyn, allein jeder Gerichtshof
iſt auf ſein Gebiet beſchränkt und auf die Gerichtspflege.
Dergeſtalt können alle möglichen Misbräuche in der Ver-
waltung begangen werden ohne daß der König etwas da-
von erfährt, weder durch die Volksvertreter, denn in den
meiſten Provinzen giebt es keine, noch durch die Gerichts-
höfe, denn in Bezug auf alle Gegenſtände der Verwaltung er-
klärt man ſie für incompetent, noch durch Einzelne, denn ſie
ſind durch Beiſpiele der Strenge belehrt, daß es ein Verbre-
chen iſt ſich an die Gerechtigkeit ſeines Souveräns zu wenden.
So ſchwer laſtet überall das Geheimniß der Verwaltung.
Einen Beleg dazu geben die Wegefrohnen, die kein Geſetz
des Königreiches genehmigt, und keine Laſt, über welche
das Volk mehr ſeufzt als dieſe. Eben ſo der Zwanzigſte,
welcher ſeit 40 Jahren beſteht, und kein Pflichtiger darf
die Heberollen einſehn. Das ward dem verſtorbenen Kö-
nige 1756 vorgeſtellt und die Miniſter mußten es einge-
ſtehen, worauf der König die Niederlegung der Heberollen
zur öffentlichen Einſicht befahl; allein gleich die folgenden
Miniſter wußten einen Widerruf dieſes Befehles zu be-
wirken. So liegt es fortwährend in der Hand der Be-
amten einen Pflichtigen, welchem ſie wohlwollen, zu be-
günſtigen, was natürlich auf Koſten Anderer geſchieht,
deren Beitrag vermehrt wird, um den Ausfall zu decken,
und den Verletzten bleibt alle Möglichkeit der Beſchwerde-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/51>, abgerufen am 27.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.