Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

genüber. Der Vornehme mag noch allenfalls Mittel finden
sich dieser willkürlichen Gewalt zu erwehren, Genug-
thuung zu erlangen, aber der gemeine Mann nimmer.
Der Obersteuerhof (cour des aides) und die ihm unterge-
ordneten Gerichtshöfe sollen ihrer Bestimmung nach Rich-
ter über alle Steuern seyn, allein man hat die meisten
Steuersachen den Intendanten der Provinzen zugewendet,
und in den Sachen, die ihm noch geblieben sind, wird
sein Erkenntniß von dem Generalpächter an die Finanz-
verwaltung gebracht und dort cassirt. Nimmt man dazu
die Unbestimmtheit der Vorschriften über die Rechte der
Pächter, die ihren Unterbedienten freigelassenen Unter-
suchungen auf den Landstraßen und Haussuchungen, be-
sonders wegen Schmuggelei, wobei ein Theil der Straf-
gelder diesen Unterbedienten zufällt, so bleibt kein Zweifel:
der Pächter ist der höchste Gesetzgeber über die Gegenstände
seines eigenen persönlichen Interesses. Um ihrer spähen-
den Habsucht zu entgehen, schließt man heimliche Verträge
über manche Geschäfte, welche der gerichtlichen Beglaubi-
gung bedürften, entgeht so vielleicht der Abgabe, aber
legt den Grund zu einer Menge unabsehlicher Rechtshän-
del, und die Angeberei im Lande ist ohne Ende. Das
sind die Mittel, durch welche mehr als 150 Millionen
jährlich in die königliche Casse kommen. Nicht um Wohl-
wollen fragt es sich, sondern um Gerechtigkeit. Sicher-
lich, diese schweren Auflagen sind nothwendig, mit wel-
chen die Unterthanen fortfahren die Siege der Vorfahren

genüber. Der Vornehme mag noch allenfalls Mittel finden
ſich dieſer willkürlichen Gewalt zu erwehren, Genug-
thuung zu erlangen, aber der gemeine Mann nimmer.
Der Oberſteuerhof (cour des aides) und die ihm unterge-
ordneten Gerichtshöfe ſollen ihrer Beſtimmung nach Rich-
ter über alle Steuern ſeyn, allein man hat die meiſten
Steuerſachen den Intendanten der Provinzen zugewendet,
und in den Sachen, die ihm noch geblieben ſind, wird
ſein Erkenntniß von dem Generalpächter an die Finanz-
verwaltung gebracht und dort caſſirt. Nimmt man dazu
die Unbeſtimmtheit der Vorſchriften über die Rechte der
Pächter, die ihren Unterbedienten freigelaſſenen Unter-
ſuchungen auf den Landſtraßen und Hausſuchungen, be-
ſonders wegen Schmuggelei, wobei ein Theil der Straf-
gelder dieſen Unterbedienten zufällt, ſo bleibt kein Zweifel:
der Pächter iſt der höchſte Geſetzgeber über die Gegenſtände
ſeines eigenen perſönlichen Intereſſes. Um ihrer ſpähen-
den Habſucht zu entgehen, ſchließt man heimliche Verträge
über manche Geſchäfte, welche der gerichtlichen Beglaubi-
gung bedürften, entgeht ſo vielleicht der Abgabe, aber
legt den Grund zu einer Menge unabſehlicher Rechtshän-
del, und die Angeberei im Lande iſt ohne Ende. Das
ſind die Mittel, durch welche mehr als 150 Millionen
jährlich in die königliche Caſſe kommen. Nicht um Wohl-
wollen fragt es ſich, ſondern um Gerechtigkeit. Sicher-
lich, dieſe ſchweren Auflagen ſind nothwendig, mit wel-
chen die Unterthanen fortfahren die Siege der Vorfahren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="38"/>
genüber. Der Vornehme mag noch allenfalls Mittel finden<lb/>
&#x017F;ich die&#x017F;er willkürlichen Gewalt zu erwehren, Genug-<lb/>
thuung zu erlangen, aber der gemeine Mann nimmer.<lb/>
Der Ober&#x017F;teuerhof (<hi rendition="#aq">cour des aides</hi>) und die ihm unterge-<lb/>
ordneten Gerichtshöfe &#x017F;ollen ihrer Be&#x017F;timmung nach Rich-<lb/>
ter über alle Steuern &#x017F;eyn, allein man hat die mei&#x017F;ten<lb/>
Steuer&#x017F;achen den Intendanten der Provinzen zugewendet,<lb/>
und in den Sachen, die ihm noch geblieben &#x017F;ind, wird<lb/>
&#x017F;ein Erkenntniß von dem Generalpächter an die Finanz-<lb/>
verwaltung gebracht und dort ca&#x017F;&#x017F;irt. Nimmt man dazu<lb/>
die Unbe&#x017F;timmtheit der Vor&#x017F;chriften über die Rechte der<lb/>
Pächter, die ihren Unterbedienten freigela&#x017F;&#x017F;enen Unter-<lb/>
&#x017F;uchungen auf den Land&#x017F;traßen und Haus&#x017F;uchungen, be-<lb/>
&#x017F;onders wegen Schmuggelei, wobei ein Theil der Straf-<lb/>
gelder die&#x017F;en Unterbedienten zufällt, &#x017F;o bleibt kein Zweifel:<lb/>
der Pächter i&#x017F;t der höch&#x017F;te Ge&#x017F;etzgeber über die Gegen&#x017F;tände<lb/>
&#x017F;eines eigenen per&#x017F;önlichen Intere&#x017F;&#x017F;es. Um ihrer &#x017F;pähen-<lb/>
den Hab&#x017F;ucht zu entgehen, &#x017F;chließt man heimliche Verträge<lb/>
über manche Ge&#x017F;chäfte, welche der gerichtlichen Beglaubi-<lb/>
gung bedürften, entgeht &#x017F;o vielleicht der Abgabe, aber<lb/>
legt den Grund zu einer Menge unab&#x017F;ehlicher Rechtshän-<lb/>
del, und die Angeberei im Lande i&#x017F;t ohne Ende. Das<lb/>
&#x017F;ind die Mittel, durch welche mehr als 150 Millionen<lb/>
jährlich in die königliche Ca&#x017F;&#x017F;e kommen. Nicht um Wohl-<lb/>
wollen fragt es &#x017F;ich, &#x017F;ondern um Gerechtigkeit. Sicher-<lb/>
lich, die&#x017F;e &#x017F;chweren Auflagen &#x017F;ind nothwendig, mit wel-<lb/>
chen die Unterthanen fortfahren die Siege der Vorfahren<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0048] genüber. Der Vornehme mag noch allenfalls Mittel finden ſich dieſer willkürlichen Gewalt zu erwehren, Genug- thuung zu erlangen, aber der gemeine Mann nimmer. Der Oberſteuerhof (cour des aides) und die ihm unterge- ordneten Gerichtshöfe ſollen ihrer Beſtimmung nach Rich- ter über alle Steuern ſeyn, allein man hat die meiſten Steuerſachen den Intendanten der Provinzen zugewendet, und in den Sachen, die ihm noch geblieben ſind, wird ſein Erkenntniß von dem Generalpächter an die Finanz- verwaltung gebracht und dort caſſirt. Nimmt man dazu die Unbeſtimmtheit der Vorſchriften über die Rechte der Pächter, die ihren Unterbedienten freigelaſſenen Unter- ſuchungen auf den Landſtraßen und Hausſuchungen, be- ſonders wegen Schmuggelei, wobei ein Theil der Straf- gelder dieſen Unterbedienten zufällt, ſo bleibt kein Zweifel: der Pächter iſt der höchſte Geſetzgeber über die Gegenſtände ſeines eigenen perſönlichen Intereſſes. Um ihrer ſpähen- den Habſucht zu entgehen, ſchließt man heimliche Verträge über manche Geſchäfte, welche der gerichtlichen Beglaubi- gung bedürften, entgeht ſo vielleicht der Abgabe, aber legt den Grund zu einer Menge unabſehlicher Rechtshän- del, und die Angeberei im Lande iſt ohne Ende. Das ſind die Mittel, durch welche mehr als 150 Millionen jährlich in die königliche Caſſe kommen. Nicht um Wohl- wollen fragt es ſich, ſondern um Gerechtigkeit. Sicher- lich, dieſe ſchweren Auflagen ſind nothwendig, mit wel- chen die Unterthanen fortfahren die Siege der Vorfahren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/48
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/48>, abgerufen am 29.12.2024.