Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

von dritten Personen in einem der Numeri oder von sich selbst,
auch mit Einschluss anderer, zu reden, oder einen einzelnen
anzureden, als das gleiche in Bezug auf eine Mehrzahl von
Personen zu thun. In andern Fällen hat jedenfalls die 2. PL
keinen Einfluss auf die 3. Pl. geübt. Die beiden vereinzelten
homerischen Formen ereredatai, erradatai zeigen nicht die
leiseste Beziehung zur 2. Pl., welche auf -sthe ausgehn müsste.
Thatsächlich ist uns ferner zu keiner der 4 hier in Betracht
kommenden homerischen dritten Personen des Perfects und
Plusquamperfects auf atai, ato, nämlich deidekatai, erkhatai,
ororekhatai, tetraphato, eine entsprechende zweite Person über-
liefert. Ob zu den 5 übrigen Beispielen dieser Bildung, näm-
lich den herodoteischen eilikhato, esesakhato, anamemikhatai,
tetakhatai (das auch bei Thukydides vorkommt), tetriphatai,
zweite Personen vorhanden sind, lässt sich aus Mangel ent-
sprechender Sammlungen nicht entscheiden. Mehr als diese
9 von mir Verb. II2 239 f. nachgewiesenen Formen *) sind nicht
bekannt, und dass das herodoteische apikato der einzige Fall
ist, in welchem innerhalb dieser Tempora ein harter Explosiv-
laut unverändert bleibt, habe ich selbst ebendort S. 240 aus-
gesprochen. Diesem Thatbestand gegenüber sage ich S. 219,
"diese Bildungen beruhten auf einer vereinzelten Affection und
seien später ganz verschwunden". Mein Gegner tadelt dies.
Es sei vielmehr die Aspiration fast zum Gesetz geworden.
Nun, ob man eine Erscheinung, die bei 10 vorliegenden gleich-
artigen Fällen sich 9 mal realisirt, einmal aber nicht reali-
sirt, mit dem feierlichen Namen Gesetz belegen will, ist Ge-
schmackssache. Bei meiner Bemerkung über das spätere Ver-
schwinden der Form dachte ich natürlich an die im jüngeren
Atticismus allein übliche Bildungsweise durch Umschreibung

*) Auch v. d. Pfordten "Zur Geschichte des griech. Perfects" (Mün-
chen 1882) hat nichts hinzugefügt. Er schliesst sich in Bezug der Aspi-
ration vor atai, ato der meines Erachtens von Joh. Schmidt widerlegten
Erklärung Gust. Meyer's (§ 546) an.

von dritten Personen in einem der Numeri oder von sich selbst,
auch mit Einschluss anderer, zu reden, oder einen einzelnen
anzureden, als das gleiche in Bezug auf eine Mehrzahl von
Personen zu thun. In andern Fällen hat jedenfalls die 2. PL
keinen Einfluss auf die 3. Pl. geübt. Die beiden vereinzelten
homerischen Formen ἐρηρέδαται, ἐρράδαται zeigen nicht die
leiseste Beziehung zur 2. Pl., welche auf -σθε ausgehn müsste.
Thatsächlich ist uns ferner zu keiner der 4 hier in Betracht
kommenden homerischen dritten Personen des Perfects und
Plusquamperfects auf αται, ατο, nämlich δειδέκαται, ἔρχαται,
ὀρωρέχαται, τετράφατο, eine entsprechende zweite Person über-
liefert. Ob zu den 5 übrigen Beispielen dieser Bildung, näm-
lich den herodoteischen εἱλίχατο, ἐσεσάχατο, ἂναμεμίχαται,
τετάχαται (das auch bei Thukydides vorkommt), τετρίφαται,
zweite Personen vorhanden sind, lässt sich aus Mangel ent-
sprechender Sammlungen nicht entscheiden. Mehr als diese
9 von mir Verb. II2 239 f. nachgewiesenen Formen *) sind nicht
bekannt, und dass das herodoteische ἀπίκατο der einzige Fall
ist, in welchem innerhalb dieser Tempora ein harter Explosiv-
laut unverändert bleibt, habe ich selbst ebendort S. 240 aus-
gesprochen. Diesem Thatbestand gegenüber sage ich S. 219,
„diese Bildungen beruhten auf einer vereinzelten Affection und
seien später ganz verschwunden“. Mein Gegner tadelt dies.
Es sei vielmehr die Aspiration fast zum Gesetz geworden.
Nun, ob man eine Erscheinung, die bei 10 vorliegenden gleich-
artigen Fällen sich 9 mal realisirt, einmal aber nicht reali-
sirt, mit dem feierlichen Namen Gesetz belegen will, ist Ge-
schmackssache. Bei meiner Bemerkung über das spätere Ver-
schwinden der Form dachte ich natürlich an die im jüngeren
Atticismus allein übliche Bildungsweise durch Umschreibung

*) Auch v. d. Pfordten „Zur Geschichte des griech. Perfects“ (Mün-
chen 1882) hat nichts hinzugefügt. Er schliesst sich in Bezug der Aspi-
ration vor αται, ατο der meines Erachtens von Joh. Schmidt widerlegten
Erklärung Gust. Meyer's (§ 546) an.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0071" n="63"/>
von dritten Personen in einem der Numeri oder von sich selbst,<lb/>
auch mit Einschluss anderer, zu reden, oder einen einzelnen<lb/>
anzureden, als das gleiche in Bezug auf eine Mehrzahl von<lb/>
Personen zu thun. In andern Fällen hat jedenfalls die 2. PL<lb/>
keinen Einfluss auf die 3. Pl. geübt. Die beiden vereinzelten<lb/>
homerischen Formen <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x1F10;&#x03C1;&#x03B7;&#x03C1;&#x03AD;&#x03B4;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x1F10;&#x03C1;&#x03C1;&#x03AC;&#x03B4;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</foreign></hi> zeigen nicht die<lb/>
leiseste Beziehung zur 2. Pl., welche auf <hi rendition="#i">-&#x03C3;&#x03B8;&#x03B5;</hi> ausgehn müsste.<lb/>
Thatsächlich ist uns ferner zu keiner der 4 hier in Betracht<lb/>
kommenden homerischen dritten Personen des Perfects und<lb/>
Plusquamperfects auf <hi rendition="#i">&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</hi>, <hi rendition="#i">&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;</hi>, nämlich <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03B4;&#x03B5;&#x03B9;&#x03B4;&#x03AD;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x1F14;&#x03C1;&#x03C7;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</foreign></hi>,<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x1F40;&#x03C1;&#x03C9;&#x03C1;&#x03AD;&#x03C7;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03B5;&#x03C4;&#x03C1;&#x03AC;&#x03C6;&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;</foreign></hi>, eine entsprechende zweite Person über-<lb/>
liefert. Ob zu den 5 übrigen Beispielen dieser Bildung, näm-<lb/>
lich den herodoteischen <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03B5;&#x1F31;&#x03BB;&#x03AF;&#x03C7;&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x1F10;&#x03C3;&#x03B5;&#x03C3;&#x03AC;&#x03C7;&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x1F02;&#x03BD;&#x03B1;&#x03BC;&#x03B5;&#x03BC;&#x03AF;&#x03C7;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</foreign></hi>,<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03B5;&#x03C4;&#x03AC;&#x03C7;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</foreign></hi> (das auch bei Thukydides vorkommt), <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03B5;&#x03C4;&#x03C1;&#x03AF;&#x03C6;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</foreign></hi>,<lb/>
zweite Personen vorhanden sind, lässt sich aus Mangel ent-<lb/>
sprechender Sammlungen nicht entscheiden. Mehr als diese<lb/>
9 von mir Verb. II<hi rendition="#sup">2</hi> 239 f. nachgewiesenen Formen      <note place="foot" n="*)">Auch v. d. Pfordten &#x201E;Zur Geschichte des griech. Perfects&#x201C; (Mün-<lb/>
chen 1882) hat nichts hinzugefügt. Er schliesst sich in Bezug der Aspi-<lb/>
ration vor <hi rendition="#i">&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</hi>, <hi rendition="#i">&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;</hi> der meines Erachtens von Joh. Schmidt widerlegten<lb/>
Erklärung Gust. Meyer's (§ 546) an.<lb/></note> sind nicht<lb/>
bekannt, und dass das herodoteische <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x1F00;&#x03C0;&#x03AF;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;</foreign></hi> der einzige Fall<lb/>
ist, in welchem innerhalb dieser Tempora ein harter Explosiv-<lb/>
laut unverändert bleibt, habe ich selbst ebendort S. 240 aus-<lb/>
gesprochen. Diesem Thatbestand gegenüber sage ich S. 219,<lb/>
&#x201E;diese Bildungen beruhten auf einer vereinzelten Affection und<lb/>
seien später ganz verschwunden&#x201C;. Mein Gegner tadelt dies.<lb/>
Es sei vielmehr die Aspiration fast zum Gesetz geworden.<lb/>
Nun, ob man eine Erscheinung, die bei 10 vorliegenden gleich-<lb/>
artigen Fällen sich 9 mal realisirt, einmal aber nicht reali-<lb/>
sirt, mit dem feierlichen Namen Gesetz belegen will, ist Ge-<lb/>
schmackssache. Bei meiner Bemerkung über das spätere Ver-<lb/>
schwinden der Form dachte ich natürlich an die im jüngeren<lb/>
Atticismus allein übliche Bildungsweise durch Umschreibung<lb/><lb/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0071] von dritten Personen in einem der Numeri oder von sich selbst, auch mit Einschluss anderer, zu reden, oder einen einzelnen anzureden, als das gleiche in Bezug auf eine Mehrzahl von Personen zu thun. In andern Fällen hat jedenfalls die 2. PL keinen Einfluss auf die 3. Pl. geübt. Die beiden vereinzelten homerischen Formen ἐρηρέδαται, ἐρράδαται zeigen nicht die leiseste Beziehung zur 2. Pl., welche auf -σθε ausgehn müsste. Thatsächlich ist uns ferner zu keiner der 4 hier in Betracht kommenden homerischen dritten Personen des Perfects und Plusquamperfects auf αται, ατο, nämlich δειδέκαται, ἔρχαται, ὀρωρέχαται, τετράφατο, eine entsprechende zweite Person über- liefert. Ob zu den 5 übrigen Beispielen dieser Bildung, näm- lich den herodoteischen εἱλίχατο, ἐσεσάχατο, ἂναμεμίχαται, τετάχαται (das auch bei Thukydides vorkommt), τετρίφαται, zweite Personen vorhanden sind, lässt sich aus Mangel ent- sprechender Sammlungen nicht entscheiden. Mehr als diese 9 von mir Verb. II2 239 f. nachgewiesenen Formen *) sind nicht bekannt, und dass das herodoteische ἀπίκατο der einzige Fall ist, in welchem innerhalb dieser Tempora ein harter Explosiv- laut unverändert bleibt, habe ich selbst ebendort S. 240 aus- gesprochen. Diesem Thatbestand gegenüber sage ich S. 219, „diese Bildungen beruhten auf einer vereinzelten Affection und seien später ganz verschwunden“. Mein Gegner tadelt dies. Es sei vielmehr die Aspiration fast zum Gesetz geworden. Nun, ob man eine Erscheinung, die bei 10 vorliegenden gleich- artigen Fällen sich 9 mal realisirt, einmal aber nicht reali- sirt, mit dem feierlichen Namen Gesetz belegen will, ist Ge- schmackssache. Bei meiner Bemerkung über das spätere Ver- schwinden der Form dachte ich natürlich an die im jüngeren Atticismus allein übliche Bildungsweise durch Umschreibung *) Auch v. d. Pfordten „Zur Geschichte des griech. Perfects“ (Mün- chen 1882) hat nichts hinzugefügt. Er schliesst sich in Bezug der Aspi- ration vor αται, ατο der meines Erachtens von Joh. Schmidt widerlegten Erklärung Gust. Meyer's (§ 546) an.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/71
Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/71>, abgerufen am 24.11.2024.