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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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folger dieser Gebilde, deren Nasal wohl schwerlich noch einen
ganz vollen Klang hatte, waren die zuerst von Ahrens (de dial.
dor. p. 173) richtig gedeuteten kurzvocalischen Ausgänge im
dorischen praxas, Aias, melas, Manloes. Das Verschwinden
des Nasals erklärt sich am leichtesten bei jenem a, das, wenn
wir es als ein irrationales auffassen, wohl nicht im Stande
war, dem Nasal als Stütze zu dienen, und das eben deshalb
auch nicht durch Ersatzdehnung zu einer Länge zu werden
vermochte. Fasst man diese Erscheinung so auf, wie wir es
eben versuchten, so ist auf keinen Fall der mindeste Grund
vorhanden, jenen nicht eben angenehmen Brummton dem Grie-
chischen selbst aufzudrängen, also z. B. Formen wie podm
(poda) oder bmjo (baino) oder dnsus (dasus) als griechische
Wörter vorzuführen. Selbst wenn man das n sonans für die
Ursprache zugeben wollte, wäre es ein Fehler, seine Existenz
auch für die griechische Sprache zu behaupten. Man könnte
ebenso gut wlqos als ältere Form für lukos annehmen. Das
n sonans hat meines Erachtens für das Griechische höchstens
als sprachhistorische Hieroglyphe oder, was davon nicht sehr
verschieden ist, als algebraisches Zeichen, eine Art von Be-
rechtigung. Aber verkennen wir nicht, dass mit der Auf-
stellung dieses Lautes zugleich ein wirkliches Factum der
Sprachgeschichte zu Tage trat, das wir dankbar annehmen
wollen.

Auch andre Lautgruppen sind zu Tage gefördert, mit
deren Sprechbarkeit es misslich bestellt ist. Dieser Vorgang
ist nicht neu. Schon längst versuchte man Grundformen für
schwierige und mannichfaltige Gebilde der Einzelsprachen da-
durch zu gewinnen, dass man unklar intonirte, schwer sprech-
bare Lautgruppen ersann. So stellte Benfey eine Wurzel thwri
auf. Weiter geht Joh. Schmidt, z. B. wenn er Ztschr. XXV
S. 47 für das Zahlwort "vier" die Grundform *ptwar oder
*ptwra heischte, um auf diese Weise der Einräumung auszu-
weichen, dass trapeza und truphaleia im Anlaut die Silbe te

folger dieser Gebilde, deren Nasal wohl schwerlich noch einen
ganz vollen Klang hatte, waren die zuerst von Ahrens (de dial.
dor. p. 173) richtig gedeuteten kurzvocalischen Ausgänge im
dorischen πρᾶξᾰς, Αἶᾰς, μέλᾰς, Μᾱλόες. Das Verschwinden
des Nasals erklärt sich am leichtesten bei jenem α, das, wenn
wir es als ein irrationales auffassen, wohl nicht im Stande
war, dem Nasal als Stütze zu dienen, und das eben deshalb
auch nicht durch Ersatzdehnung zu einer Länge zu werden
vermochte. Fasst man diese Erscheinung so auf, wie wir es
eben versuchten, so ist auf keinen Fall der mindeste Grund
vorhanden, jenen nicht eben angenehmen Brummton dem Grie-
chischen selbst aufzudrängen, also z. B. Formen wie ποδm̥
(πόδα) oder βm̥ϳω (βαίνω) oder δn̥σύς (δασύς) als griechische
Wörter vorzuführen. Selbst wenn man das n sonans für die
Ursprache zugeben wollte, wäre es ein Fehler, seine Existenz
auch für die griechische Sprache zu behaupten. Man könnte
ebenso gut ϝl̥qος als ältere Form für λύκος annehmen. Das
n sonans hat meines Erachtens für das Griechische höchstens
als sprachhistorische Hieroglyphe oder, was davon nicht sehr
verschieden ist, als algebraisches Zeichen, eine Art von Be-
rechtigung. Aber verkennen wir nicht, dass mit der Auf-
stellung dieses Lautes zugleich ein wirkliches Factum der
Sprachgeschichte zu Tage trat, das wir dankbar annehmen
wollen.

Auch andre Lautgruppen sind zu Tage gefördert, mit
deren Sprechbarkeit es misslich bestellt ist. Dieser Vorgang
ist nicht neu. Schon längst versuchte man Grundformen für
schwierige und mannichfaltige Gebilde der Einzelsprachen da-
durch zu gewinnen, dass man unklar intonirte, schwer sprech-
bare Lautgruppen ersann. So stellte Benfey eine Wurzel θϝρῐ
auf. Weiter geht Joh. Schmidt, z. B. wenn er Ztschr. XXV
S. 47 für das Zahlwort „vier“ die Grundform *πτϝαρ oder
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[128/0136] folger dieser Gebilde, deren Nasal wohl schwerlich noch einen ganz vollen Klang hatte, waren die zuerst von Ahrens (de dial. dor. p. 173) richtig gedeuteten kurzvocalischen Ausgänge im dorischen πρᾶξᾰς, Αἶᾰς, μέλᾰς, Μᾱλόες. Das Verschwinden des Nasals erklärt sich am leichtesten bei jenem α, das, wenn wir es als ein irrationales auffassen, wohl nicht im Stande war, dem Nasal als Stütze zu dienen, und das eben deshalb auch nicht durch Ersatzdehnung zu einer Länge zu werden vermochte. Fasst man diese Erscheinung so auf, wie wir es eben versuchten, so ist auf keinen Fall der mindeste Grund vorhanden, jenen nicht eben angenehmen Brummton dem Grie- chischen selbst aufzudrängen, also z. B. Formen wie ποδm̥ (πόδα) oder βm̥ϳω (βαίνω) oder δn̥σύς (δασύς) als griechische Wörter vorzuführen. Selbst wenn man das n sonans für die Ursprache zugeben wollte, wäre es ein Fehler, seine Existenz auch für die griechische Sprache zu behaupten. Man könnte ebenso gut ϝl̥qος als ältere Form für λύκος annehmen. Das n sonans hat meines Erachtens für das Griechische höchstens als sprachhistorische Hieroglyphe oder, was davon nicht sehr verschieden ist, als algebraisches Zeichen, eine Art von Be- rechtigung. Aber verkennen wir nicht, dass mit der Auf- stellung dieses Lautes zugleich ein wirkliches Factum der Sprachgeschichte zu Tage trat, das wir dankbar annehmen wollen. Auch andre Lautgruppen sind zu Tage gefördert, mit deren Sprechbarkeit es misslich bestellt ist. Dieser Vorgang ist nicht neu. Schon längst versuchte man Grundformen für schwierige und mannichfaltige Gebilde der Einzelsprachen da- durch zu gewinnen, dass man unklar intonirte, schwer sprech- bare Lautgruppen ersann. So stellte Benfey eine Wurzel θϝρῐ auf. Weiter geht Joh. Schmidt, z. B. wenn er Ztschr. XXV S. 47 für das Zahlwort „vier“ die Grundform *πτϝαρ oder *πτϝρα heischte, um auf diese Weise der Einräumung auszu- weichen, dass τράπεζα und τρυφάλεια im Anlaut die Silbe τε

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/136>, abgerufen am 25.11.2024.