auch unüberwindliches Volk werden könnten. Lange saßen sie ruhig an den Gränzen, ja sie stellten Rom ihre Kräfte zur Verfügung und trugen wesentlich dazu bei, den morschen Reichs¬ bau aufrecht zu erhalten. So ging ganz allmählich und in Rom selbst die Wehrkraft und mit ihr die Macht des Staats an die Deutschen über, und sie waren daher, als des Reichs Auf¬ rechterhaltung endlich unmöglich wurde, die berufenen Erben.
Ein deutscher Heerführer nach dem andern griff nun nach der Krone Italiens; von den Deutschen hing es ab, ob Rom nach seinen zwölf Jahrhunderten noch ferner fortbestehen sollte oder nicht. Die Gefahr war groß. Wie von einem Dämon, sagte Alarich, fühle er sich immer von Neuem gegen Rom getrieben, daß er die Stadt zerstören solle, und die Christen dachten nicht anders, als daß Rom so gut wie Ninive und wie Jerusalem durch Feuer vertilgt werden müsse. Wie er aber die Stadt in seiner Gewalt hatte, hielt eine wunderbare Scheu den Arm des Gothenkönigs zurück; er konnte das Un¬ geheure nicht ausführen, denn die Vernichtung Roms schien dem Weltuntergange gleich zu sein.
Wenn die Schonung Roms bei den Westgothen die Folge eines dunkeln Gefühls war, so war sie bei Theodorich das Ergebniß einer klaren und besonnenen Politik. Er wollte nicht als Barbarenkönig in die Stadt einziehen, sondern als ein römischer Imperator; in ihm finden wir den Sinn der Deut¬ schen für geschichtliche Größe und ihre ehrerbietige Achtung des Alterthums schon deutlich ausgesprochen. Er liebt Rom, er schützt es gegen die Barbaren wie gegen die Römer selbst, und in seinem Sinne fuhr seine Tochter Amalasunta fort, an der friedlichen Verschmelzung der Deutschen und Römer in Rom zu arbeiten. Große Culturaufgaben wurden schon klar erkannt und kräftig in Angriff genommen; aber die Gegensätze des Alten und Neuen waren zu unvermittelt; es bedurfte eines neuen Bindemittels zwischen Rom und den Deutschen und das war die Kirche.
Das gesetzgebende Ansehen des römischen Bisthums be¬ ruhte wesentlich auf den deutschen Stämmen und namentlich
Rom und die Deutſchen.
auch unüberwindliches Volk werden könnten. Lange ſaßen ſie ruhig an den Gränzen, ja ſie ſtellten Rom ihre Kräfte zur Verfügung und trugen weſentlich dazu bei, den morſchen Reichs¬ bau aufrecht zu erhalten. So ging ganz allmählich und in Rom ſelbſt die Wehrkraft und mit ihr die Macht des Staats an die Deutſchen über, und ſie waren daher, als des Reichs Auf¬ rechterhaltung endlich unmöglich wurde, die berufenen Erben.
Ein deutſcher Heerführer nach dem andern griff nun nach der Krone Italiens; von den Deutſchen hing es ab, ob Rom nach ſeinen zwölf Jahrhunderten noch ferner fortbeſtehen ſollte oder nicht. Die Gefahr war groß. Wie von einem Dämon, ſagte Alarich, fühle er ſich immer von Neuem gegen Rom getrieben, daß er die Stadt zerſtören ſolle, und die Chriſten dachten nicht anders, als daß Rom ſo gut wie Ninive und wie Jeruſalem durch Feuer vertilgt werden müſſe. Wie er aber die Stadt in ſeiner Gewalt hatte, hielt eine wunderbare Scheu den Arm des Gothenkönigs zurück; er konnte das Un¬ geheure nicht ausführen, denn die Vernichtung Roms ſchien dem Weltuntergange gleich zu ſein.
Wenn die Schonung Roms bei den Weſtgothen die Folge eines dunkeln Gefühls war, ſo war ſie bei Theodorich das Ergebniß einer klaren und beſonnenen Politik. Er wollte nicht als Barbarenkönig in die Stadt einziehen, ſondern als ein römiſcher Imperator; in ihm finden wir den Sinn der Deut¬ ſchen für geſchichtliche Größe und ihre ehrerbietige Achtung des Alterthums ſchon deutlich ausgeſprochen. Er liebt Rom, er ſchützt es gegen die Barbaren wie gegen die Römer ſelbſt, und in ſeinem Sinne fuhr ſeine Tochter Amalaſunta fort, an der friedlichen Verſchmelzung der Deutſchen und Römer in Rom zu arbeiten. Große Culturaufgaben wurden ſchon klar erkannt und kräftig in Angriff genommen; aber die Gegenſätze des Alten und Neuen waren zu unvermittelt; es bedurfte eines neuen Bindemittels zwiſchen Rom und den Deutſchen und das war die Kirche.
Das geſetzgebende Anſehen des römiſchen Bisthums be¬ ruhte weſentlich auf den deutſchen Stämmen und namentlich
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Rom und die Deutſchen.
auch unüberwindliches Volk werden könnten. Lange ſaßen ſie
ruhig an den Gränzen, ja ſie ſtellten Rom ihre Kräfte zur
Verfügung und trugen weſentlich dazu bei, den morſchen Reichs¬
bau aufrecht zu erhalten. So ging ganz allmählich und in
Rom ſelbſt die Wehrkraft und mit ihr die Macht des Staats
an die Deutſchen über, und ſie waren daher, als des Reichs Auf¬
rechterhaltung endlich unmöglich wurde, die berufenen Erben.
Ein deutſcher Heerführer nach dem andern griff nun nach
der Krone Italiens; von den Deutſchen hing es ab, ob Rom
nach ſeinen zwölf Jahrhunderten noch ferner fortbeſtehen ſollte
oder nicht. Die Gefahr war groß. Wie von einem Dämon,
ſagte Alarich, fühle er ſich immer von Neuem gegen Rom
getrieben, daß er die Stadt zerſtören ſolle, und die Chriſten
dachten nicht anders, als daß Rom ſo gut wie Ninive und
wie Jeruſalem durch Feuer vertilgt werden müſſe. Wie er
aber die Stadt in ſeiner Gewalt hatte, hielt eine wunderbare
Scheu den Arm des Gothenkönigs zurück; er konnte das Un¬
geheure nicht ausführen, denn die Vernichtung Roms ſchien
dem Weltuntergange gleich zu ſein.
Wenn die Schonung Roms bei den Weſtgothen die Folge
eines dunkeln Gefühls war, ſo war ſie bei Theodorich das
Ergebniß einer klaren und beſonnenen Politik. Er wollte nicht
als Barbarenkönig in die Stadt einziehen, ſondern als ein
römiſcher Imperator; in ihm finden wir den Sinn der Deut¬
ſchen für geſchichtliche Größe und ihre ehrerbietige Achtung
des Alterthums ſchon deutlich ausgeſprochen. Er liebt Rom,
er ſchützt es gegen die Barbaren wie gegen die Römer ſelbſt,
und in ſeinem Sinne fuhr ſeine Tochter Amalaſunta fort, an
der friedlichen Verſchmelzung der Deutſchen und Römer in
Rom zu arbeiten. Große Culturaufgaben wurden ſchon klar
erkannt und kräftig in Angriff genommen; aber die Gegenſätze
des Alten und Neuen waren zu unvermittelt; es bedurfte eines
neuen Bindemittels zwiſchen Rom und den Deutſchen und das
war die Kirche.
Das geſetzgebende Anſehen des römiſchen Bisthums be¬
ruhte weſentlich auf den deutſchen Stämmen und namentlich
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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/59>, abgerufen am 22.07.2024.
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