Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Bedingungen eines glücklichen Staatslebens.
Kraft seines monarchischen Regiments, und so dürfen wir
wohl sagen, daß sich das Gute der verschiedenen Staatsformen
auf die seltenste Weise in dieser Staatsleitung vereinigte.

Aber was den Inhalt der perikleischen Politik betrifft,
lag nicht in ihr der Keim des Bürgerkriegs, war nicht die
Schwäche und Demüthigung der anderen Bundesstaaten Vor¬
aussetzung und Ziel der Größe von Athen, war Perikles' Re¬
giment nicht eine Herausforderung gegen Sparta und wie
kann man die Vorbereitung des entsetzlichsten Bürgerkriegs
eine glückliche Periode nennen?

Freilich haben schon im Alterthume Feinde und Spötter
Perikles den Anstifter des Kriegs genannt; freilich war er
vorzugsweise der Gegenstand des Hasses von Sparta, das
seine Ausweisung als Unterpfand des Friedens verlangte;
aber diese Forderung beruhte nur darauf, daß man in Perikles
die Macht Athens erkannte, wie aus gleichem Grunde der
Feind unsers deutschen Vaterlandes die Ausweisung seines
größten Staatsmanns verlangte. Perikles hat nie einen Haß
gegen die anderen Staaten gezeigt. Er hat alle unberechtigten
Oberhoheitsgelüste ruhig und entschlossen zurückgewiesen; er
hat die Ummauerung Athens vollendet, Heer und Flotte ge¬
ordnet, den Staatsschatz gesammelt, damit seine Vaterstadt
jeden Augenblick kriegsbereit sei und selbstgenugsam; er hielt
die Bündner auch wider ihren Willen fest, weil er den kleinen
Inselstädten nicht das Recht zugestehen konnte, nach eigener
Laune ihre Politik zu bestimmen und dadurch die mit viel
Blut erkaufte Sicherheit des griechischen Meers in Frage zu
stellen, aber er war ein entschiedener Gegner aller Eroberungs¬
gelüste, er war ein Mann des Friedens, weil nur im Frieden
Athen das Werk, zu dem es berufen war, ausführen konnte,
und dies Werk war ein nationales.

Ein politisches Vaterland gab es nicht mehr. Der in
den Freiheitskriegen erneuerte Staatenbund war aus einem
Schutze der nationalen Entwickelung eine Fessel derselben ge¬
worden und endlich durch Sparta's Schuld aufgelöst worden.
Perikles versuchte neue Einigungen, aber umsonst. Athen

Die Bedingungen eines glücklichen Staatslebens.
Kraft ſeines monarchiſchen Regiments, und ſo dürfen wir
wohl ſagen, daß ſich das Gute der verſchiedenen Staatsformen
auf die ſeltenſte Weiſe in dieſer Staatsleitung vereinigte.

Aber was den Inhalt der perikleiſchen Politik betrifft,
lag nicht in ihr der Keim des Bürgerkriegs, war nicht die
Schwäche und Demüthigung der anderen Bundesſtaaten Vor¬
ausſetzung und Ziel der Größe von Athen, war Perikles' Re¬
giment nicht eine Herausforderung gegen Sparta und wie
kann man die Vorbereitung des entſetzlichſten Bürgerkriegs
eine glückliche Periode nennen?

Freilich haben ſchon im Alterthume Feinde und Spötter
Perikles den Anſtifter des Kriegs genannt; freilich war er
vorzugsweiſe der Gegenſtand des Haſſes von Sparta, das
ſeine Ausweiſung als Unterpfand des Friedens verlangte;
aber dieſe Forderung beruhte nur darauf, daß man in Perikles
die Macht Athens erkannte, wie aus gleichem Grunde der
Feind unſers deutſchen Vaterlandes die Ausweiſung ſeines
größten Staatsmanns verlangte. Perikles hat nie einen Haß
gegen die anderen Staaten gezeigt. Er hat alle unberechtigten
Oberhoheitsgelüſte ruhig und entſchloſſen zurückgewieſen; er
hat die Ummauerung Athens vollendet, Heer und Flotte ge¬
ordnet, den Staatsſchatz geſammelt, damit ſeine Vaterſtadt
jeden Augenblick kriegsbereit ſei und ſelbſtgenugſam; er hielt
die Bündner auch wider ihren Willen feſt, weil er den kleinen
Inſelſtädten nicht das Recht zugeſtehen konnte, nach eigener
Laune ihre Politik zu beſtimmen und dadurch die mit viel
Blut erkaufte Sicherheit des griechiſchen Meers in Frage zu
ſtellen, aber er war ein entſchiedener Gegner aller Eroberungs¬
gelüſte, er war ein Mann des Friedens, weil nur im Frieden
Athen das Werk, zu dem es berufen war, ausführen konnte,
und dies Werk war ein nationales.

Ein politiſches Vaterland gab es nicht mehr. Der in
den Freiheitskriegen erneuerte Staatenbund war aus einem
Schutze der nationalen Entwickelung eine Feſſel derſelben ge¬
worden und endlich durch Sparta's Schuld aufgelöſt worden.
Perikles verſuchte neue Einigungen, aber umſonſt. Athen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0331" n="315"/><fw place="top" type="header">Die Bedingungen eines glücklichen Staatslebens.<lb/></fw> Kraft &#x017F;eines monarchi&#x017F;chen Regiments, und &#x017F;o dürfen wir<lb/>
wohl &#x017F;agen, daß &#x017F;ich das Gute der ver&#x017F;chiedenen Staatsformen<lb/>
auf die &#x017F;elten&#x017F;te Wei&#x017F;e in die&#x017F;er Staatsleitung vereinigte.</p><lb/>
        <p>Aber was den Inhalt der periklei&#x017F;chen Politik betrifft,<lb/>
lag nicht in ihr der Keim des Bürgerkriegs, war nicht die<lb/>
Schwäche und Demüthigung der anderen Bundes&#x017F;taaten Vor¬<lb/>
aus&#x017F;etzung und Ziel der Größe von Athen, war Perikles' Re¬<lb/>
giment nicht eine Herausforderung gegen Sparta und wie<lb/>
kann man die Vorbereitung des ent&#x017F;etzlich&#x017F;ten Bürgerkriegs<lb/>
eine glückliche Periode nennen?</p><lb/>
        <p>Freilich haben &#x017F;chon im Alterthume Feinde und Spötter<lb/>
Perikles den An&#x017F;tifter des Kriegs genannt; freilich war er<lb/>
vorzugswei&#x017F;e der Gegen&#x017F;tand des Ha&#x017F;&#x017F;es von Sparta, das<lb/>
&#x017F;eine Auswei&#x017F;ung als Unterpfand des Friedens verlangte;<lb/>
aber die&#x017F;e Forderung beruhte nur darauf, daß man in Perikles<lb/>
die Macht Athens erkannte, wie aus gleichem Grunde der<lb/>
Feind un&#x017F;ers deut&#x017F;chen Vaterlandes die Auswei&#x017F;ung &#x017F;eines<lb/>
größten Staatsmanns verlangte. Perikles hat nie einen Haß<lb/>
gegen die anderen Staaten gezeigt. Er hat alle unberechtigten<lb/>
Oberhoheitsgelü&#x017F;te ruhig und ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en zurückgewie&#x017F;en; er<lb/>
hat die Ummauerung Athens vollendet, Heer und Flotte ge¬<lb/>
ordnet, den Staats&#x017F;chatz ge&#x017F;ammelt, damit &#x017F;eine Vater&#x017F;tadt<lb/>
jeden Augenblick kriegsbereit &#x017F;ei und &#x017F;elb&#x017F;tgenug&#x017F;am; er hielt<lb/>
die Bündner auch wider ihren Willen fe&#x017F;t, weil er den kleinen<lb/>
In&#x017F;el&#x017F;tädten nicht das Recht zuge&#x017F;tehen konnte, nach eigener<lb/>
Laune ihre Politik zu be&#x017F;timmen und dadurch die mit viel<lb/>
Blut erkaufte Sicherheit des griechi&#x017F;chen Meers in Frage zu<lb/>
&#x017F;tellen, aber er war ein ent&#x017F;chiedener Gegner aller Eroberungs¬<lb/>
gelü&#x017F;te, er war ein Mann des Friedens, weil nur im Frieden<lb/>
Athen das Werk, zu dem es berufen war, ausführen konnte,<lb/>
und dies Werk war ein nationales.</p><lb/>
        <p>Ein politi&#x017F;ches Vaterland gab es nicht mehr. Der in<lb/>
den Freiheitskriegen erneuerte Staatenbund war aus einem<lb/>
Schutze der nationalen Entwickelung eine Fe&#x017F;&#x017F;el der&#x017F;elben ge¬<lb/>
worden und endlich durch Sparta's Schuld aufgelö&#x017F;t worden.<lb/>
Perikles ver&#x017F;uchte neue Einigungen, aber um&#x017F;on&#x017F;t. Athen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0331] Die Bedingungen eines glücklichen Staatslebens. Kraft ſeines monarchiſchen Regiments, und ſo dürfen wir wohl ſagen, daß ſich das Gute der verſchiedenen Staatsformen auf die ſeltenſte Weiſe in dieſer Staatsleitung vereinigte. Aber was den Inhalt der perikleiſchen Politik betrifft, lag nicht in ihr der Keim des Bürgerkriegs, war nicht die Schwäche und Demüthigung der anderen Bundesſtaaten Vor¬ ausſetzung und Ziel der Größe von Athen, war Perikles' Re¬ giment nicht eine Herausforderung gegen Sparta und wie kann man die Vorbereitung des entſetzlichſten Bürgerkriegs eine glückliche Periode nennen? Freilich haben ſchon im Alterthume Feinde und Spötter Perikles den Anſtifter des Kriegs genannt; freilich war er vorzugsweiſe der Gegenſtand des Haſſes von Sparta, das ſeine Ausweiſung als Unterpfand des Friedens verlangte; aber dieſe Forderung beruhte nur darauf, daß man in Perikles die Macht Athens erkannte, wie aus gleichem Grunde der Feind unſers deutſchen Vaterlandes die Ausweiſung ſeines größten Staatsmanns verlangte. Perikles hat nie einen Haß gegen die anderen Staaten gezeigt. Er hat alle unberechtigten Oberhoheitsgelüſte ruhig und entſchloſſen zurückgewieſen; er hat die Ummauerung Athens vollendet, Heer und Flotte ge¬ ordnet, den Staatsſchatz geſammelt, damit ſeine Vaterſtadt jeden Augenblick kriegsbereit ſei und ſelbſtgenugſam; er hielt die Bündner auch wider ihren Willen feſt, weil er den kleinen Inſelſtädten nicht das Recht zugeſtehen konnte, nach eigener Laune ihre Politik zu beſtimmen und dadurch die mit viel Blut erkaufte Sicherheit des griechiſchen Meers in Frage zu ſtellen, aber er war ein entſchiedener Gegner aller Eroberungs¬ gelüſte, er war ein Mann des Friedens, weil nur im Frieden Athen das Werk, zu dem es berufen war, ausführen konnte, und dies Werk war ein nationales. Ein politiſches Vaterland gab es nicht mehr. Der in den Freiheitskriegen erneuerte Staatenbund war aus einem Schutze der nationalen Entwickelung eine Feſſel derſelben ge¬ worden und endlich durch Sparta's Schuld aufgelöſt worden. Perikles verſuchte neue Einigungen, aber umſonſt. Athen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/331
Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/331>, abgerufen am 23.11.2024.