Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Philosophie und Geschichte. die Grundlage unserer jetzigen Einrichtung, zurückkomme, sogeschieht es nicht, um dieselbe einer Kritik zu unterziehen, son¬ dern nur um daran über die Stellung der akademischen Wissen¬ schaften zu einander und ins Besondere über das Verhältniß der Philosophie zur Geschichte einige Bemerkungen anzuknüpfen, welche an dem Ehrentage des großen Philosophen und Histo¬ rikers nicht unangemessen scheinen dürften. Es kann zunächst befremden, die Philosophie von der Die Mathematik wird ja seit alten Zeiten als die unent¬ Die Geschichte aber ist bei der unermeßlichen Fülle ein¬ Es sind auch von ihrer Seite im Ganzen wenig ernst¬ Curtius, Alterthum. 19
Philoſophie und Geſchichte. die Grundlage unſerer jetzigen Einrichtung, zurückkomme, ſogeſchieht es nicht, um dieſelbe einer Kritik zu unterziehen, ſon¬ dern nur um daran über die Stellung der akademiſchen Wiſſen¬ ſchaften zu einander und ins Beſondere über das Verhältniß der Philoſophie zur Geſchichte einige Bemerkungen anzuknüpfen, welche an dem Ehrentage des großen Philoſophen und Hiſto¬ rikers nicht unangemeſſen ſcheinen dürften. Es kann zunächſt befremden, die Philoſophie von der Die Mathematik wird ja ſeit alten Zeiten als die unent¬ Die Geſchichte aber iſt bei der unermeßlichen Fülle ein¬ Es ſind auch von ihrer Seite im Ganzen wenig ernſt¬ Curtius, Alterthum. 19
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Philoſophie und Geſchichte.
die Grundlage unſerer jetzigen Einrichtung, zurückkomme, ſo
geſchieht es nicht, um dieſelbe einer Kritik zu unterziehen, ſon¬
dern nur um daran über die Stellung der akademiſchen Wiſſen¬
ſchaften zu einander und ins Beſondere über das Verhältniß
der Philoſophie zur Geſchichte einige Bemerkungen anzuknüpfen,
welche an dem Ehrentage des großen Philoſophen und Hiſto¬
rikers nicht unangemeſſen ſcheinen dürften.
Es kann zunächſt befremden, die Philoſophie von der
mathematiſch-phyſikaliſchen Klaſſe getrennt und mit der Ge¬
ſchichte verbunden zu ſehen.
Die Mathematik wird ja ſeit alten Zeiten als die unent¬
behrliche Schule des philoſophiſchen Denkens angeſehen und die
Forſchung des Mathematikers in ihren höchſten Sphären iſt ja
der reinen Spekulation am nächſten verwandt; ſie iſt die voll¬
endetſte Vereinigung zwiſchen exaktem Wiſſen und theoretiſchem
Denken. Und wenn die Naturforſcher auch gegen alle voreiligen
Conſtructionen und gegen jede von Seiten der Philoſophie be¬
anſpruchte Bevormundung ihrer Arbeiten energiſchen Proteſt er¬
hoben haben, ſo ſtrebt doch auch von ihren Forſchungen jede
vom Einzelnen zum Allgemeinen, vom Thatſächlichen zum Geſetz.
Jedes richtig angeſtellte Experiment ſetzt ein philoſophiſches Den¬
ken voraus; die Fragen nach Materie, Kraft, Zweck, denen Keiner
aus dem Wege gehen kann, ſind philoſophiſche Probleme und der
größte Skeptiker kann die Berechtigung ſeines Standpunkts nur
durch philoſophiſche Argumente erweiſen.
Die Geſchichte aber iſt bei der unermeßlichen Fülle ein¬
zelner, nach Zeit und Raum entlegener, nur in zufälliger Aus¬
wahl überlieferter Thatſachen für philoſophiſches Denken un¬
zweifelhaft der allerſprödeſte und widerſtrebendſte Stoff, und
zu keinem Fache iſt es der Philoſophie weniger gelungen feſte
Stellung zu gewinnen.
Es ſind auch von ihrer Seite im Ganzen wenig ernſt¬
hafte Verſuche dazu gemacht. Denn die Liebe zur Geſchichte
ſetzt ein reges Intereſſe für ſtaatliches Leben in ſeinen ver¬
ſchiednen Formen voraus. Dies iſt aber ſeit den Tagen des
Ariſtoteles bei den Männern der philoſophiſchen Speculation
Curtius, Alterthum. 19
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