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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die öffentliche Pflege von Wissenschaft und Kunst.
hellenischen Bildung, und die hervorragenden Träger derselben
waren also in der That die Stützen der Throne und Bürgen
ihres Ansehens. Daher auch die Eifersucht der Höfe auf ein¬
ander, welche selbst auf die Richtung der Studien Einfluß
hatte. Die Gelehrten von Pergamon mußten den Alexan¬
drinern entgegentreten, weil die Höfe sich einander anfeindeten.

Uneigennütziger, freier waren die Bestrebungen der Rhodier.
Sie hatten keinen Hof als Reizmittel zu bieten, aber die
Ehre ihres Bürgerrechts lockte die Auswärtigen; sie konnten
an Umfang der Sammlungen und an Glanz der wissenschaft¬
lichen Institute den fürstlichen Rivalen nicht nachkommen, aber
an wissenschaftlichem Ruhme blieb die Stadt nicht zurück.
Man war bestrebt, die Forschung mit dem Jugendunterrichte
in fruchtbare Verbindung zu setzen, man suchte die gewonnenen
Resultate übersichtlich zu ordnen, um die einzelnen Fächer der
Gelehrsamkeit in ihrer geschichtlichen Entwickelung darzustellen.
Rhodos ist in weiser Pflege der Wissenschaften am meisten in
die Fußtapfen der Athener getreten.

Athen selbst war inzwischen eine hellenistische Stadt ge¬
worden, d. h. es lebte von den Erinnerungen der Vergangen¬
heit, und die aus allen Gegenden besuchten Gymnasien der
Stadt, in denen leibliche und geistige Jugendbildung jetzt ver¬
einigt war, machten die vornehmste Sorge der öffentlichen
Behörden aus, während die Philosophenschulen sich nach wie
vor in voller Unabhängigkeit erhielten.

Ein Gesetz, welches ihren Bestand von obrigkeitlicher Be¬
willigung abhängig machte, mußte zurückgenommen werden,
weil Lehrer und Schüler auswanderten und die Athener bald
inne wurden, daß sie die Stadt ihres schönsten Schmucks be¬
raubten. Denn auf diesem Gebiete behaupteten sie noch zu¬
letzt eine gewisse Hegemonie und konnten sich kraft der Weihe,
die auf ihrem Boden ruhte, den Prachtanlagen von Alexandreia
und den vielen unter römischem Principate entstehenden grie¬
chischen Schulen gegenüber als die wahre Metropolis aller
höheren Erkenntniß in Ehren erhalten.

Die Römer traten unwillkürlich in die Fußtapfen der hel¬

Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt.
helleniſchen Bildung, und die hervorragenden Träger derſelben
waren alſo in der That die Stützen der Throne und Bürgen
ihres Anſehens. Daher auch die Eiferſucht der Höfe auf ein¬
ander, welche ſelbſt auf die Richtung der Studien Einfluß
hatte. Die Gelehrten von Pergamon mußten den Alexan¬
drinern entgegentreten, weil die Höfe ſich einander anfeindeten.

Uneigennütziger, freier waren die Beſtrebungen der Rhodier.
Sie hatten keinen Hof als Reizmittel zu bieten, aber die
Ehre ihres Bürgerrechts lockte die Auswärtigen; ſie konnten
an Umfang der Sammlungen und an Glanz der wiſſenſchaft¬
lichen Inſtitute den fürſtlichen Rivalen nicht nachkommen, aber
an wiſſenſchaftlichem Ruhme blieb die Stadt nicht zurück.
Man war beſtrebt, die Forſchung mit dem Jugendunterrichte
in fruchtbare Verbindung zu ſetzen, man ſuchte die gewonnenen
Reſultate überſichtlich zu ordnen, um die einzelnen Fächer der
Gelehrſamkeit in ihrer geſchichtlichen Entwickelung darzuſtellen.
Rhodos iſt in weiſer Pflege der Wiſſenſchaften am meiſten in
die Fußtapfen der Athener getreten.

Athen ſelbſt war inzwiſchen eine helleniſtiſche Stadt ge¬
worden, d. h. es lebte von den Erinnerungen der Vergangen¬
heit, und die aus allen Gegenden beſuchten Gymnaſien der
Stadt, in denen leibliche und geiſtige Jugendbildung jetzt ver¬
einigt war, machten die vornehmſte Sorge der öffentlichen
Behörden aus, während die Philoſophenſchulen ſich nach wie
vor in voller Unabhängigkeit erhielten.

Ein Geſetz, welches ihren Beſtand von obrigkeitlicher Be¬
willigung abhängig machte, mußte zurückgenommen werden,
weil Lehrer und Schüler auswanderten und die Athener bald
inne wurden, daß ſie die Stadt ihres ſchönſten Schmucks be¬
raubten. Denn auf dieſem Gebiete behaupteten ſie noch zu¬
letzt eine gewiſſe Hegemonie und konnten ſich kraft der Weihe,
die auf ihrem Boden ruhte, den Prachtanlagen von Alexandreia
und den vielen unter römiſchem Principate entſtehenden grie¬
chiſchen Schulen gegenüber als die wahre Metropolis aller
höheren Erkenntniß in Ehren erhalten.

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[124/0140] Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt. helleniſchen Bildung, und die hervorragenden Träger derſelben waren alſo in der That die Stützen der Throne und Bürgen ihres Anſehens. Daher auch die Eiferſucht der Höfe auf ein¬ ander, welche ſelbſt auf die Richtung der Studien Einfluß hatte. Die Gelehrten von Pergamon mußten den Alexan¬ drinern entgegentreten, weil die Höfe ſich einander anfeindeten. Uneigennütziger, freier waren die Beſtrebungen der Rhodier. Sie hatten keinen Hof als Reizmittel zu bieten, aber die Ehre ihres Bürgerrechts lockte die Auswärtigen; ſie konnten an Umfang der Sammlungen und an Glanz der wiſſenſchaft¬ lichen Inſtitute den fürſtlichen Rivalen nicht nachkommen, aber an wiſſenſchaftlichem Ruhme blieb die Stadt nicht zurück. Man war beſtrebt, die Forſchung mit dem Jugendunterrichte in fruchtbare Verbindung zu ſetzen, man ſuchte die gewonnenen Reſultate überſichtlich zu ordnen, um die einzelnen Fächer der Gelehrſamkeit in ihrer geſchichtlichen Entwickelung darzuſtellen. Rhodos iſt in weiſer Pflege der Wiſſenſchaften am meiſten in die Fußtapfen der Athener getreten. Athen ſelbſt war inzwiſchen eine helleniſtiſche Stadt ge¬ worden, d. h. es lebte von den Erinnerungen der Vergangen¬ heit, und die aus allen Gegenden beſuchten Gymnaſien der Stadt, in denen leibliche und geiſtige Jugendbildung jetzt ver¬ einigt war, machten die vornehmſte Sorge der öffentlichen Behörden aus, während die Philoſophenſchulen ſich nach wie vor in voller Unabhängigkeit erhielten. Ein Geſetz, welches ihren Beſtand von obrigkeitlicher Be¬ willigung abhängig machte, mußte zurückgenommen werden, weil Lehrer und Schüler auswanderten und die Athener bald inne wurden, daß ſie die Stadt ihres ſchönſten Schmucks be¬ raubten. Denn auf dieſem Gebiete behaupteten ſie noch zu¬ letzt eine gewiſſe Hegemonie und konnten ſich kraft der Weihe, die auf ihrem Boden ruhte, den Prachtanlagen von Alexandreia und den vielen unter römiſchem Principate entſtehenden grie¬ chiſchen Schulen gegenüber als die wahre Metropolis aller höheren Erkenntniß in Ehren erhalten. Die Römer traten unwillkürlich in die Fußtapfen der hel¬

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Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/140>, abgerufen am 27.11.2024.