Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

VI. Betrachtung.
Erstaunen setzet. Lasset euch die Zeit nicht dauern,
die ihr darauf verwendet, ihr werdet gewiß am Ende
die herrlichsten Früchte davon einerndten. Suchet
und forschet täglich in dieser Geschichte, denn sie ist
ohnstreitig der wichtigste Theil der heiligen Schrift;
sie ist das schönste Denkmal von dem frommen und
musterhaften Leben Jesu; und hätten auch seine
Schüler sonst keine Verdienste um die Welt, so wä-
re das schon ein sehr großes, daß sie uns diese Nach-
richten, unter der Leitung und Mitwürkung des heili-
gen Geistes, aufgezeichnet haben. Sie erzählen über
dieses das Leben Jesu ohne allen Schmuck und ohne
alle Kunst, weil seine Tugenden dadurch nichts ver-
lieren, weil sie dem ohngeachtet in gefühlvollen See-
len Bewunderung erregen, wenn sie gleich mit der
größten Einfalt des Ausdrucks geschildert werden.
Nimmermehr hätten auch diese Männer, ohne alle
Gelehrsamkeit, einen solchen Charakter schildern kön-
nen, wozu sich sonst nirgends ein Original findet,
wenn es nicht würklich in der Person Jesu vorhan-
den gewesen wäre. So bald euch aber das schöne
Verhalten Jesu rührt, so laßt es bey dieser Bewun-
derung nicht bewenden, sondern gehet von Stund
an hin und thut desgleichen. Denn

Was nützt uns seines Beyspiels Licht,
Was hilft uns aller Unterricht,
Wenn wir nicht darnach handeln.


Sie-
C 2

VI. Betrachtung.
Erſtaunen ſetzet. Laſſet euch die Zeit nicht dauern,
die ihr darauf verwendet, ihr werdet gewiß am Ende
die herrlichſten Früchte davon einerndten. Suchet
und forſchet täglich in dieſer Geſchichte, denn ſie iſt
ohnſtreitig der wichtigſte Theil der heiligen Schrift;
ſie iſt das ſchönſte Denkmal von dem frommen und
muſterhaften Leben Jeſu; und hätten auch ſeine
Schüler ſonſt keine Verdienſte um die Welt, ſo wä-
re das ſchon ein ſehr großes, daß ſie uns dieſe Nach-
richten, unter der Leitung und Mitwürkung des heili-
gen Geiſtes, aufgezeichnet haben. Sie erzählen über
dieſes das Leben Jeſu ohne allen Schmuck und ohne
alle Kunſt, weil ſeine Tugenden dadurch nichts ver-
lieren, weil ſie dem ohngeachtet in gefühlvollen See-
len Bewunderung erregen, wenn ſie gleich mit der
größten Einfalt des Ausdrucks geſchildert werden.
Nimmermehr hätten auch dieſe Männer, ohne alle
Gelehrſamkeit, einen ſolchen Charakter ſchildern kön-
nen, wozu ſich ſonſt nirgends ein Original findet,
wenn es nicht würklich in der Perſon Jeſu vorhan-
den geweſen wäre. So bald euch aber das ſchöne
Verhalten Jeſu rührt, ſo laßt es bey dieſer Bewun-
derung nicht bewenden, ſondern gehet von Stund
an hin und thut desgleichen. Denn

Was nützt uns ſeines Beyſpiels Licht,
Was hilft uns aller Unterricht,
Wenn wir nicht darnach handeln.


Sie-
C 2
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0061" n="35"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
Er&#x017F;taunen &#x017F;etzet. La&#x017F;&#x017F;et euch die Zeit nicht dauern,<lb/>
die ihr darauf verwendet, ihr werdet gewiß am Ende<lb/>
die herrlich&#x017F;ten Früchte davon einerndten. Suchet<lb/>
und for&#x017F;chet täglich in die&#x017F;er Ge&#x017F;chichte, denn &#x017F;ie i&#x017F;t<lb/>
ohn&#x017F;treitig der wichtig&#x017F;te Theil der heiligen Schrift;<lb/>
&#x017F;ie i&#x017F;t das &#x017F;chön&#x017F;te Denkmal von dem frommen und<lb/>
mu&#x017F;terhaften Leben Je&#x017F;u; und hätten auch &#x017F;eine<lb/>
Schüler &#x017F;on&#x017F;t keine Verdien&#x017F;te um die Welt, &#x017F;o wä-<lb/>
re das &#x017F;chon ein &#x017F;ehr großes, daß &#x017F;ie uns die&#x017F;e Nach-<lb/>
richten, unter der Leitung und Mitwürkung des heili-<lb/>
gen Gei&#x017F;tes, aufgezeichnet haben. Sie erzählen über<lb/>
die&#x017F;es das Leben Je&#x017F;u ohne allen Schmuck und ohne<lb/>
alle Kun&#x017F;t, weil &#x017F;eine Tugenden dadurch nichts ver-<lb/>
lieren, weil &#x017F;ie dem ohngeachtet in gefühlvollen See-<lb/>
len Bewunderung erregen, wenn &#x017F;ie gleich mit der<lb/>
größten Einfalt des Ausdrucks ge&#x017F;childert werden.<lb/>
Nimmermehr hätten auch die&#x017F;e Männer, ohne alle<lb/>
Gelehr&#x017F;amkeit, einen &#x017F;olchen Charakter &#x017F;childern kön-<lb/>
nen, wozu &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t nirgends ein Original findet,<lb/>
wenn es nicht würklich in der Per&#x017F;on Je&#x017F;u vorhan-<lb/>
den gewe&#x017F;en wäre. So bald euch aber das &#x017F;chöne<lb/>
Verhalten Je&#x017F;u rührt, &#x017F;o laßt es bey die&#x017F;er Bewun-<lb/>
derung nicht bewenden, &#x017F;ondern gehet von Stund<lb/>
an hin und thut desgleichen. Denn</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Was nützt uns &#x017F;eines Bey&#x017F;piels Licht,</l><lb/>
            <l>Was hilft uns aller Unterricht,</l><lb/>
            <l>Wenn wir nicht darnach handeln.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Sie-</fw><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[35/0061] VI. Betrachtung. Erſtaunen ſetzet. Laſſet euch die Zeit nicht dauern, die ihr darauf verwendet, ihr werdet gewiß am Ende die herrlichſten Früchte davon einerndten. Suchet und forſchet täglich in dieſer Geſchichte, denn ſie iſt ohnſtreitig der wichtigſte Theil der heiligen Schrift; ſie iſt das ſchönſte Denkmal von dem frommen und muſterhaften Leben Jeſu; und hätten auch ſeine Schüler ſonſt keine Verdienſte um die Welt, ſo wä- re das ſchon ein ſehr großes, daß ſie uns dieſe Nach- richten, unter der Leitung und Mitwürkung des heili- gen Geiſtes, aufgezeichnet haben. Sie erzählen über dieſes das Leben Jeſu ohne allen Schmuck und ohne alle Kunſt, weil ſeine Tugenden dadurch nichts ver- lieren, weil ſie dem ohngeachtet in gefühlvollen See- len Bewunderung erregen, wenn ſie gleich mit der größten Einfalt des Ausdrucks geſchildert werden. Nimmermehr hätten auch dieſe Männer, ohne alle Gelehrſamkeit, einen ſolchen Charakter ſchildern kön- nen, wozu ſich ſonſt nirgends ein Original findet, wenn es nicht würklich in der Perſon Jeſu vorhan- den geweſen wäre. So bald euch aber das ſchöne Verhalten Jeſu rührt, ſo laßt es bey dieſer Bewun- derung nicht bewenden, ſondern gehet von Stund an hin und thut desgleichen. Denn Was nützt uns ſeines Beyſpiels Licht, Was hilft uns aller Unterricht, Wenn wir nicht darnach handeln. Sie- C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/61
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/61>, abgerufen am 23.11.2024.