Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.LXIII. Betrachtung. hete nicht, da er litte, er stellte alles dem heim, derrecht richtet.*) Uebrigens sahe er seine traurigen Begegnisse nicht für Merkmale des göttlichen Miß- fallens an; denn so wie es seine Speise war, das zu thun, was ihm Gott aufgetragen hatte, eben so war es auch sein Wille, das zu leiden, was ihm Gott zu leiden auflegte. Gottes Rathschlüsse auszuführen, als Versöhner für die Menschen zu sterben, und über- haupt ihr Wohlthäter zu werden, das war sein höch- ster Ruhm. Deswegen wurde auch mitten im Lei- den sein Eifer, Gutes zu thun, und seine Menschenlie- be nicht geschwächt, sondern er blieb der zärtlichste Menschenfreund, der immer geschäftige Wohlthäter, der er im ganzen Leben gewesen war. Mit zärtlicher Theilnehmung sorgte er bey seiner Gefangennehmung für die Sicherheit seiner Freunde, indem er sprach: sucht ihr mich, so laßt diese gehen; auch erwähnte er seine Schüler nicht vor Gerichte, um sie nicht in Gefahr zu verwickeln; mit schonender Nachsicht sa- he er sich nach dem gefallenen Petrus um, großmü- thig heilte er den bey seiner Gefangennehmung ge- schäftigen und verwundeten Malchus, und willig nahm er sich am Kreuze des Unglücklichen an, der von allen verlassen, Hülfe und Trost nur bey ihm suchte. Weder die Menge noch die Größe seiner Leiden konnte seine Geduld schwächen, er litte, so lan- ge es Gott wollte, und ließ sich ohne Wiederrede al- les *) 1 Petr. 2, 23. Dd
LXIII. Betrachtung. hete nicht, da er litte, er ſtellte alles dem heim, derrecht richtet.*) Uebrigens ſahe er ſeine traurigen Begegniſſe nicht für Merkmale des göttlichen Miß- fallens an; denn ſo wie es ſeine Speiſe war, das zu thun, was ihm Gott aufgetragen hatte, eben ſo war es auch ſein Wille, das zu leiden, was ihm Gott zu leiden auflegte. Gottes Rathſchlüſſe auszuführen, als Verſöhner für die Menſchen zu ſterben, und über- haupt ihr Wohlthäter zu werden, das war ſein höch- ſter Ruhm. Deswegen wurde auch mitten im Lei- den ſein Eifer, Gutes zu thun, und ſeine Menſchenlie- be nicht geſchwächt, ſondern er blieb der zärtlichſte Menſchenfreund, der immer geſchäftige Wohlthäter, der er im ganzen Leben geweſen war. Mit zärtlicher Theilnehmung ſorgte er bey ſeiner Gefangennehmung für die Sicherheit ſeiner Freunde, indem er ſprach: ſucht ihr mich, ſo laßt dieſe gehen; auch erwähnte er ſeine Schüler nicht vor Gerichte, um ſie nicht in Gefahr zu verwickeln; mit ſchonender Nachſicht ſa- he er ſich nach dem gefallenen Petrus um, großmü- thig heilte er den bey ſeiner Gefangennehmung ge- ſchäftigen und verwundeten Malchus, und willig nahm er ſich am Kreuze des Unglücklichen an, der von allen verlaſſen, Hülfe und Troſt nur bey ihm ſuchte. Weder die Menge noch die Größe ſeiner Leiden konnte ſeine Geduld ſchwächen, er litte, ſo lan- ge es Gott wollte, und ließ ſich ohne Wiederrede al- les *) 1 Petr. 2, 23. Dd
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LXIII. Betrachtung.
hete nicht, da er litte, er ſtellte alles dem heim, der
recht richtet. *) Uebrigens ſahe er ſeine traurigen
Begegniſſe nicht für Merkmale des göttlichen Miß-
fallens an; denn ſo wie es ſeine Speiſe war, das zu
thun, was ihm Gott aufgetragen hatte, eben ſo war
es auch ſein Wille, das zu leiden, was ihm Gott zu
leiden auflegte. Gottes Rathſchlüſſe auszuführen,
als Verſöhner für die Menſchen zu ſterben, und über-
haupt ihr Wohlthäter zu werden, das war ſein höch-
ſter Ruhm. Deswegen wurde auch mitten im Lei-
den ſein Eifer, Gutes zu thun, und ſeine Menſchenlie-
be nicht geſchwächt, ſondern er blieb der zärtlichſte
Menſchenfreund, der immer geſchäftige Wohlthäter,
der er im ganzen Leben geweſen war. Mit zärtlicher
Theilnehmung ſorgte er bey ſeiner Gefangennehmung
für die Sicherheit ſeiner Freunde, indem er ſprach:
ſucht ihr mich, ſo laßt dieſe gehen; auch erwähnte
er ſeine Schüler nicht vor Gerichte, um ſie nicht in
Gefahr zu verwickeln; mit ſchonender Nachſicht ſa-
he er ſich nach dem gefallenen Petrus um, großmü-
thig heilte er den bey ſeiner Gefangennehmung ge-
ſchäftigen und verwundeten Malchus, und willig
nahm er ſich am Kreuze des Unglücklichen an, der
von allen verlaſſen, Hülfe und Troſt nur bey ihm
ſuchte. Weder die Menge noch die Größe ſeiner
Leiden konnte ſeine Geduld ſchwächen, er litte, ſo lan-
ge es Gott wollte, und ließ ſich ohne Wiederrede al-
les
*) 1 Petr. 2, 23.
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