Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

LVIII. Betrachtung.
schen, er wolle der Obrigkeit Vorschriften geben.*)
Vielmehr unterwarf er sich selbst den Gesetzen des
Landes, und ehrte dadurch stillschweigend die Obrig-
keit, die es beherrschte, und ihre Verordnungen, die
sie gemacht hatte. Tadelte er gleich die Vorsteher
der jüdischen Nation, so betraf dieser Tadel nicht ih-
ren Stand, nicht ihre obrigkeitlichen Verordnungen,
sondern ihr sündliches Leben, welches sie führten, und
welches ihren Geboten oft gradezu widersprach. Er
weigerte sich nicht, die Steuer zu Capernaum zu ge-
ben, welche die Priesterschaft von den Juden zur Be-
streitung der Unkosten im Tempel einsammlen ließ.
Denn ob er gleich zeigte, wie unschicklich es sey, dem
etwas abzufordern, der mit dem Gott, zu dessen Eh-
re der Tempel erbauet war, in der genausten Ver-
bindung stand, der der Sohn Gottes war, für des-
sen Tempel die Steuer gesammlet wurde: so wollte
er doch Niemanden anstößig werden, und ließ durch
Petrum den verlangten Beytrag auszahlen.**) Hat-
te er einen Aussätzigen gesund gemacht, so befahl er
ihm, hinzugehen, und sich vom Priester untersuchen
zu lassen, weil man von diesem erst für rein erklärt
werden mußte, wenn man an den nähern Umgange
der Menschen wieder Theil nehmen wollte.+) Zwar

mußte
*) Joh. 6, 15. 8, 11. Luc. 12, 13. 14.
**) Matth. 17, 24-27.
+) Marc. 1, 44.

LVIII. Betrachtung.
ſchen, er wolle der Obrigkeit Vorſchriften geben.*)
Vielmehr unterwarf er ſich ſelbſt den Geſetzen des
Landes, und ehrte dadurch ſtillſchweigend die Obrig-
keit, die es beherrſchte, und ihre Verordnungen, die
ſie gemacht hatte. Tadelte er gleich die Vorſteher
der jüdiſchen Nation, ſo betraf dieſer Tadel nicht ih-
ren Stand, nicht ihre obrigkeitlichen Verordnungen,
ſondern ihr ſündliches Leben, welches ſie führten, und
welches ihren Geboten oft gradezu widerſprach. Er
weigerte ſich nicht, die Steuer zu Capernaum zu ge-
ben, welche die Prieſterſchaft von den Juden zur Be-
ſtreitung der Unkoſten im Tempel einſammlen ließ.
Denn ob er gleich zeigte, wie unſchicklich es ſey, dem
etwas abzufordern, der mit dem Gott, zu deſſen Eh-
re der Tempel erbauet war, in der genauſten Ver-
bindung ſtand, der der Sohn Gottes war, für deſ-
ſen Tempel die Steuer geſammlet wurde: ſo wollte
er doch Niemanden anſtößig werden, und ließ durch
Petrum den verlangten Beytrag auszahlen.**) Hat-
te er einen Ausſätzigen geſund gemacht, ſo befahl er
ihm, hinzugehen, und ſich vom Prieſter unterſuchen
zu laſſen, weil man von dieſem erſt für rein erklärt
werden mußte, wenn man an den nähern Umgange
der Menſchen wieder Theil nehmen wollte.†) Zwar

mußte
*) Joh. 6, 15. 8, 11. Luc. 12, 13. 14.
**) Matth. 17, 24-27.
†) Marc. 1, 44.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0411" n="385"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">LVIII.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
&#x017F;chen, er wolle der Obrigkeit Vor&#x017F;chriften geben.<note place="foot" n="*)">Joh. 6, 15. 8, 11. Luc. 12, 13. 14.</note><lb/>
Vielmehr unterwarf er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t den Ge&#x017F;etzen des<lb/>
Landes, und ehrte dadurch &#x017F;till&#x017F;chweigend die Obrig-<lb/>
keit, die es beherr&#x017F;chte, und ihre Verordnungen, die<lb/>
&#x017F;ie gemacht hatte. Tadelte er gleich die Vor&#x017F;teher<lb/>
der jüdi&#x017F;chen Nation, &#x017F;o betraf die&#x017F;er Tadel nicht ih-<lb/>
ren Stand, nicht ihre obrigkeitlichen Verordnungen,<lb/>
&#x017F;ondern ihr &#x017F;ündliches Leben, welches &#x017F;ie führten, und<lb/>
welches ihren Geboten oft gradezu wider&#x017F;prach. Er<lb/>
weigerte &#x017F;ich nicht, die Steuer zu Capernaum zu ge-<lb/>
ben, welche die Prie&#x017F;ter&#x017F;chaft von den Juden zur Be-<lb/>
&#x017F;treitung der Unko&#x017F;ten im Tempel ein&#x017F;ammlen ließ.<lb/>
Denn ob er gleich zeigte, wie un&#x017F;chicklich es &#x017F;ey, dem<lb/>
etwas abzufordern, der mit dem Gott, zu de&#x017F;&#x017F;en Eh-<lb/>
re der Tempel erbauet war, in der genau&#x017F;ten Ver-<lb/>
bindung &#x017F;tand, der der Sohn Gottes war, für de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Tempel die Steuer ge&#x017F;ammlet wurde: &#x017F;o wollte<lb/>
er doch Niemanden an&#x017F;tößig werden, und ließ durch<lb/>
Petrum den verlangten Beytrag auszahlen.<note place="foot" n="**)">Matth. 17, 24-27.</note> Hat-<lb/>
te er einen Aus&#x017F;ätzigen ge&#x017F;und gemacht, &#x017F;o befahl er<lb/>
ihm, hinzugehen, und &#x017F;ich vom Prie&#x017F;ter unter&#x017F;uchen<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en, weil man von die&#x017F;em er&#x017F;t für rein erklärt<lb/>
werden mußte, wenn man an den nähern Umgange<lb/>
der Men&#x017F;chen wieder Theil nehmen wollte.<note place="foot" n="&#x2020;)">Marc. 1, 44.</note> Zwar<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mußte</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[385/0411] LVIII. Betrachtung. ſchen, er wolle der Obrigkeit Vorſchriften geben. *) Vielmehr unterwarf er ſich ſelbſt den Geſetzen des Landes, und ehrte dadurch ſtillſchweigend die Obrig- keit, die es beherrſchte, und ihre Verordnungen, die ſie gemacht hatte. Tadelte er gleich die Vorſteher der jüdiſchen Nation, ſo betraf dieſer Tadel nicht ih- ren Stand, nicht ihre obrigkeitlichen Verordnungen, ſondern ihr ſündliches Leben, welches ſie führten, und welches ihren Geboten oft gradezu widerſprach. Er weigerte ſich nicht, die Steuer zu Capernaum zu ge- ben, welche die Prieſterſchaft von den Juden zur Be- ſtreitung der Unkoſten im Tempel einſammlen ließ. Denn ob er gleich zeigte, wie unſchicklich es ſey, dem etwas abzufordern, der mit dem Gott, zu deſſen Eh- re der Tempel erbauet war, in der genauſten Ver- bindung ſtand, der der Sohn Gottes war, für deſ- ſen Tempel die Steuer geſammlet wurde: ſo wollte er doch Niemanden anſtößig werden, und ließ durch Petrum den verlangten Beytrag auszahlen. **) Hat- te er einen Ausſätzigen geſund gemacht, ſo befahl er ihm, hinzugehen, und ſich vom Prieſter unterſuchen zu laſſen, weil man von dieſem erſt für rein erklärt werden mußte, wenn man an den nähern Umgange der Menſchen wieder Theil nehmen wollte. †) Zwar mußte *) Joh. 6, 15. 8, 11. Luc. 12, 13. 14. **) Matth. 17, 24-27. †) Marc. 1, 44.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/411
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/411>, abgerufen am 16.07.2024.