Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

LIII. Betrachtung.
unser Herr, ist also auch darinnen uns, seinen Brü-
dern, ähnlich geworden, indem er auf mancherley
Weise versucht wurde, weil er bey seiner großen
Würde doch allemal ein Mensch blieb, der sich durch
Prüfungen immer vollkommner, und so der genauern
Verbindung mit der Gottheit immer würdiger ma-
chen sollte. Denn daß man zu allerley Sünden ge-
reizt und versucht wird, ist ein Schicksal, welches,
wie wir wissen, bösen und guten Menschen begegnet;
und es darf uns gar nicht befremden, wenn das auch
unserm Erlöser wiederfuhr, da er nach Gottes Wil-
len, ein recht geübter Anführer, und ein recht mit-
leidiger Regente für uns auf dem Wege zur Selig-
keit werden sollte. Ja es gereicht ihm zum großen
Ruhme, daß er alle diese Versuchungen aushielt, oh-
ne einer einzigen unter zu liegen. Die Versuchun-
gen übrigens, denen hier Jesus ausgesetzt wurde, wa-
ren so beschaffen, daß er schlechterdings in die ihm ge-
machten Zumuthungen des Satans nicht willigen
konnte, ohne sich an Gott zu versündigen, ohne von
seinen religiösen Grundsätzen abzuweichen, an die er
sich so gut, wie jeder andre Mensch, gebunden glaub-
te. Mit fester Standhaftigkeit besiegte er alle diese
Verführungen zum Mißtrauen gegen Gott, zur Ver-
messenheit und Habsucht, und seine Entschlüssungen
wurden nicht einmal wankend, wenn es auf die Wahl
zwischen Guten und Bösen, wenn es auf die Voll-

brin-

LIII. Betrachtung.
unſer Herr, iſt alſo auch darinnen uns, ſeinen Brü-
dern, ähnlich geworden, indem er auf mancherley
Weiſe verſucht wurde, weil er bey ſeiner großen
Würde doch allemal ein Menſch blieb, der ſich durch
Prüfungen immer vollkommner, und ſo der genauern
Verbindung mit der Gottheit immer würdiger ma-
chen ſollte. Denn daß man zu allerley Sünden ge-
reizt und verſucht wird, iſt ein Schickſal, welches,
wie wir wiſſen, böſen und guten Menſchen begegnet;
und es darf uns gar nicht befremden, wenn das auch
unſerm Erlöſer wiederfuhr, da er nach Gottes Wil-
len, ein recht geübter Anführer, und ein recht mit-
leidiger Regente für uns auf dem Wege zur Selig-
keit werden ſollte. Ja es gereicht ihm zum großen
Ruhme, daß er alle dieſe Verſuchungen aushielt, oh-
ne einer einzigen unter zu liegen. Die Verſuchun-
gen übrigens, denen hier Jeſus ausgeſetzt wurde, wa-
ren ſo beſchaffen, daß er ſchlechterdings in die ihm ge-
machten Zumuthungen des Satans nicht willigen
konnte, ohne ſich an Gott zu verſündigen, ohne von
ſeinen religiöſen Grundſätzen abzuweichen, an die er
ſich ſo gut, wie jeder andre Menſch, gebunden glaub-
te. Mit feſter Standhaftigkeit beſiegte er alle dieſe
Verführungen zum Mißtrauen gegen Gott, zur Ver-
meſſenheit und Habſucht, und ſeine Entſchlüſſungen
wurden nicht einmal wankend, wenn es auf die Wahl
zwiſchen Guten und Böſen, wenn es auf die Voll-

brin-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0375" n="349"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">LIII.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
un&#x017F;er Herr, i&#x017F;t al&#x017F;o auch darinnen uns, &#x017F;einen Brü-<lb/>
dern, ähnlich geworden, indem er auf mancherley<lb/>
Wei&#x017F;e ver&#x017F;ucht wurde, weil er bey &#x017F;einer großen<lb/>
Würde doch allemal ein Men&#x017F;ch blieb, der &#x017F;ich durch<lb/>
Prüfungen immer vollkommner, und &#x017F;o der genauern<lb/>
Verbindung mit der Gottheit immer würdiger ma-<lb/>
chen &#x017F;ollte. Denn daß man zu allerley Sünden ge-<lb/>
reizt und ver&#x017F;ucht wird, i&#x017F;t ein Schick&#x017F;al, welches,<lb/>
wie wir wi&#x017F;&#x017F;en, bö&#x017F;en und guten Men&#x017F;chen begegnet;<lb/>
und es darf uns gar nicht befremden, wenn das auch<lb/>
un&#x017F;erm Erlö&#x017F;er wiederfuhr, da er nach Gottes Wil-<lb/>
len, ein recht geübter Anführer, und ein recht mit-<lb/>
leidiger Regente für uns auf dem Wege zur Selig-<lb/>
keit werden &#x017F;ollte. Ja es gereicht ihm zum großen<lb/>
Ruhme, daß er alle die&#x017F;e Ver&#x017F;uchungen aushielt, oh-<lb/>
ne einer einzigen unter zu liegen. Die Ver&#x017F;uchun-<lb/>
gen übrigens, denen hier Je&#x017F;us ausge&#x017F;etzt wurde, wa-<lb/>
ren &#x017F;o be&#x017F;chaffen, daß er &#x017F;chlechterdings in die ihm ge-<lb/>
machten Zumuthungen des Satans nicht willigen<lb/>
konnte, ohne &#x017F;ich an Gott zu ver&#x017F;ündigen, ohne von<lb/>
&#x017F;einen religiö&#x017F;en Grund&#x017F;ätzen abzuweichen, an die er<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o gut, wie jeder andre Men&#x017F;ch, gebunden glaub-<lb/>
te. Mit fe&#x017F;ter Standhaftigkeit be&#x017F;iegte er alle die&#x017F;e<lb/>
Verführungen zum Mißtrauen gegen Gott, zur Ver-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;enheit und Hab&#x017F;ucht, und &#x017F;eine Ent&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;ungen<lb/>
wurden nicht einmal wankend, wenn es auf die Wahl<lb/>
zwi&#x017F;chen Guten und Bö&#x017F;en, wenn es auf die Voll-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">brin-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0375] LIII. Betrachtung. unſer Herr, iſt alſo auch darinnen uns, ſeinen Brü- dern, ähnlich geworden, indem er auf mancherley Weiſe verſucht wurde, weil er bey ſeiner großen Würde doch allemal ein Menſch blieb, der ſich durch Prüfungen immer vollkommner, und ſo der genauern Verbindung mit der Gottheit immer würdiger ma- chen ſollte. Denn daß man zu allerley Sünden ge- reizt und verſucht wird, iſt ein Schickſal, welches, wie wir wiſſen, böſen und guten Menſchen begegnet; und es darf uns gar nicht befremden, wenn das auch unſerm Erlöſer wiederfuhr, da er nach Gottes Wil- len, ein recht geübter Anführer, und ein recht mit- leidiger Regente für uns auf dem Wege zur Selig- keit werden ſollte. Ja es gereicht ihm zum großen Ruhme, daß er alle dieſe Verſuchungen aushielt, oh- ne einer einzigen unter zu liegen. Die Verſuchun- gen übrigens, denen hier Jeſus ausgeſetzt wurde, wa- ren ſo beſchaffen, daß er ſchlechterdings in die ihm ge- machten Zumuthungen des Satans nicht willigen konnte, ohne ſich an Gott zu verſündigen, ohne von ſeinen religiöſen Grundſätzen abzuweichen, an die er ſich ſo gut, wie jeder andre Menſch, gebunden glaub- te. Mit feſter Standhaftigkeit beſiegte er alle dieſe Verführungen zum Mißtrauen gegen Gott, zur Ver- meſſenheit und Habſucht, und ſeine Entſchlüſſungen wurden nicht einmal wankend, wenn es auf die Wahl zwiſchen Guten und Böſen, wenn es auf die Voll- brin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/375
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/375>, abgerufen am 27.11.2024.