Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.LI. Betrachtung. ne Vorstellungen den stärksten Eindruck machen kön-nen. Schränke übrigens deine Bemühungen nicht aufs bloße Lehren und auf die eigentlichen Verrich- tungen deines Amtes ein, sondern sey auch außerdem der Freund, der Rathgeber, der Tröster deiner Ge- meindesgenossen, und nimm an ihren freudigen und traurigen Schicksalen jederzeit einen herzlichen An- theil, damit sie es gewahr werden, daß du es gut mit ihnen meynst, und daß Liebe, nach Jesu Muster ge- bildet, dich bey allen deinen Bemühungen leite. Ent- ziehe dich nicht ihrem nähern Umgange, du würdest dir sonst manche schöne Gelegenheit rauben, ein Wort zu seiner Zeit zu reden. Zeichne dich eben sowohl durch Tugend und Frömmigkeit, als durch deine Kenntnisse und Einsichten vor andern aus, sonst bist du mehr verächtlich als ehrwürdig. Sollen andre deine Lehren glauben, und deinen Ermahnungen ge- horchen, so mußt du nicht selbst das Gegentheil da- von thun, sonst predigest du andern umsonst, und wirst selbst verwerflich. Werde vielmehr das Mu- ster und der Vorgänger derer, die deiner Führung anvertraut sind. Gehe selbst standhaft den Weg, den du andern zeigest, und sey einem jeden das lehr- reichste Beyspiel der Tugend: dann wirst du deinen ehrenvollen Beruf ganz erfüllen, und das wichtige Ge- schäfte eines evangelischen Lehrers treu ausrichten. Wohl
LI. Betrachtung. ne Vorſtellungen den ſtärkſten Eindruck machen kön-nen. Schränke übrigens deine Bemühungen nicht aufs bloße Lehren und auf die eigentlichen Verrich- tungen deines Amtes ein, ſondern ſey auch außerdem der Freund, der Rathgeber, der Tröſter deiner Ge- meindesgenoſſen, und nimm an ihren freudigen und traurigen Schickſalen jederzeit einen herzlichen An- theil, damit ſie es gewahr werden, daß du es gut mit ihnen meynſt, und daß Liebe, nach Jeſu Muſter ge- bildet, dich bey allen deinen Bemühungen leite. Ent- ziehe dich nicht ihrem nähern Umgange, du würdeſt dir ſonſt manche ſchöne Gelegenheit rauben, ein Wort zu ſeiner Zeit zu reden. Zeichne dich eben ſowohl durch Tugend und Frömmigkeit, als durch deine Kenntniſſe und Einſichten vor andern aus, ſonſt biſt du mehr verächtlich als ehrwürdig. Sollen andre deine Lehren glauben, und deinen Ermahnungen ge- horchen, ſo mußt du nicht ſelbſt das Gegentheil da- von thun, ſonſt predigeſt du andern umſonſt, und wirſt ſelbſt verwerflich. Werde vielmehr das Mu- ſter und der Vorgänger derer, die deiner Führung anvertraut ſind. Gehe ſelbſt ſtandhaft den Weg, den du andern zeigeſt, und ſey einem jeden das lehr- reichſte Beyſpiel der Tugend: dann wirſt du deinen ehrenvollen Beruf ganz erfüllen, und das wichtige Ge- ſchäfte eines evangeliſchen Lehrers treu ausrichten. Wohl
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LI. Betrachtung.
ne Vorſtellungen den ſtärkſten Eindruck machen kön-
nen. Schränke übrigens deine Bemühungen nicht
aufs bloße Lehren und auf die eigentlichen Verrich-
tungen deines Amtes ein, ſondern ſey auch außerdem
der Freund, der Rathgeber, der Tröſter deiner Ge-
meindesgenoſſen, und nimm an ihren freudigen und
traurigen Schickſalen jederzeit einen herzlichen An-
theil, damit ſie es gewahr werden, daß du es gut mit
ihnen meynſt, und daß Liebe, nach Jeſu Muſter ge-
bildet, dich bey allen deinen Bemühungen leite. Ent-
ziehe dich nicht ihrem nähern Umgange, du würdeſt
dir ſonſt manche ſchöne Gelegenheit rauben, ein Wort
zu ſeiner Zeit zu reden. Zeichne dich eben ſowohl
durch Tugend und Frömmigkeit, als durch deine
Kenntniſſe und Einſichten vor andern aus, ſonſt biſt
du mehr verächtlich als ehrwürdig. Sollen andre
deine Lehren glauben, und deinen Ermahnungen ge-
horchen, ſo mußt du nicht ſelbſt das Gegentheil da-
von thun, ſonſt predigeſt du andern umſonſt, und
wirſt ſelbſt verwerflich. Werde vielmehr das Mu-
ſter und der Vorgänger derer, die deiner Führung
anvertraut ſind. Gehe ſelbſt ſtandhaft den Weg,
den du andern zeigeſt, und ſey einem jeden das lehr-
reichſte Beyſpiel der Tugend: dann wirſt du deinen
ehrenvollen Beruf ganz erfüllen, und das wichtige Ge-
ſchäfte eines evangeliſchen Lehrers treu ausrichten.
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