Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

LI. Betrachtung.
so waren auch einzelne Personen, die seinen Unter-
richt suchten, ihm sehr willkommen, er lösete ihre
Zweifel, und beantwortete ihre Fragen mit der ihm
ganz eigenen Geduld und Sanftmuth, ja er belohnte
ihre Wißbegierde mit sichtbarer Werthschätzung, wie
man das besonders aus seinem Betragen gegen den
Zachäus wahrnehmen kann. Denn dieser Mann,
der Jesum nur zu sehen wünschte, erreichte diese sei-
ne Absicht ganz, ja er wurde auch von ihm mit einer
überaus zuvorkommenden Freundlichkeit eines Be-
suchs in seinem Hause, und bey dieser Gelegenheit ei-
ner nähern Belehrung gewürdiget.*)

Niemand hat also die Pflichten eines Lehrers in
einem so hohen Grade und auf eine so vollkommene
Art erfüllet, als Jesus, unser Erlöser. Nach ihm
kann sich folglich jeder Lehrer bilden, dem es darum
zu thun ist, seinen großen edlen Beruf ganz zu erfül-
len, und durch denselben sich recht gemeinnützig zu
machen. Denn die Würde des Lehramts gründet
sich nicht auf außerordentliche Vorzüge, wie etwa
das Amt der Apostel, sondern lediglich auf den Nuz-
zen, der dadurch gestiftet werden kann und soll, und
auf den sittlich guten Charakter derer, die es führen.
Bist du also als Lehrer bereits angestellt, oder willst
du dich erst noch diesem Berufe widmen, und dich
dazu vorbereiten: nun so bilde dich nach dem größten
Lehrer, dergleichen die Erde nicht wieder gesehen hat.

Lebe
*) Luc. 19, 1-10.

LI. Betrachtung.
ſo waren auch einzelne Perſonen, die ſeinen Unter-
richt ſuchten, ihm ſehr willkommen, er löſete ihre
Zweifel, und beantwortete ihre Fragen mit der ihm
ganz eigenen Geduld und Sanftmuth, ja er belohnte
ihre Wißbegierde mit ſichtbarer Werthſchätzung, wie
man das beſonders aus ſeinem Betragen gegen den
Zachäus wahrnehmen kann. Denn dieſer Mann,
der Jeſum nur zu ſehen wünſchte, erreichte dieſe ſei-
ne Abſicht ganz, ja er wurde auch von ihm mit einer
überaus zuvorkommenden Freundlichkeit eines Be-
ſuchs in ſeinem Hauſe, und bey dieſer Gelegenheit ei-
ner nähern Belehrung gewürdiget.*)

Niemand hat alſo die Pflichten eines Lehrers in
einem ſo hohen Grade und auf eine ſo vollkommene
Art erfüllet, als Jeſus, unſer Erlöſer. Nach ihm
kann ſich folglich jeder Lehrer bilden, dem es darum
zu thun iſt, ſeinen großen edlen Beruf ganz zu erfül-
len, und durch denſelben ſich recht gemeinnützig zu
machen. Denn die Würde des Lehramts gründet
ſich nicht auf außerordentliche Vorzüge, wie etwa
das Amt der Apoſtel, ſondern lediglich auf den Nuz-
zen, der dadurch geſtiftet werden kann und ſoll, und
auf den ſittlich guten Charakter derer, die es führen.
Biſt du alſo als Lehrer bereits angeſtellt, oder willſt
du dich erſt noch dieſem Berufe widmen, und dich
dazu vorbereiten: nun ſo bilde dich nach dem größten
Lehrer, dergleichen die Erde nicht wieder geſehen hat.

Lebe
*) Luc. 19, 1-10.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0362" n="336"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">LI.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
&#x017F;o waren auch einzelne Per&#x017F;onen, die &#x017F;einen Unter-<lb/>
richt &#x017F;uchten, ihm &#x017F;ehr willkommen, er lö&#x017F;ete ihre<lb/>
Zweifel, und beantwortete ihre Fragen mit der ihm<lb/>
ganz eigenen Geduld und Sanftmuth, ja er belohnte<lb/>
ihre Wißbegierde mit &#x017F;ichtbarer Werth&#x017F;chätzung, wie<lb/>
man das be&#x017F;onders aus &#x017F;einem Betragen gegen den<lb/>
Zachäus wahrnehmen kann. Denn die&#x017F;er Mann,<lb/>
der Je&#x017F;um nur zu &#x017F;ehen wün&#x017F;chte, erreichte die&#x017F;e &#x017F;ei-<lb/>
ne Ab&#x017F;icht ganz, ja er wurde auch von ihm mit einer<lb/>
überaus zuvorkommenden Freundlichkeit eines Be-<lb/>
&#x017F;uchs in &#x017F;einem Hau&#x017F;e, und bey die&#x017F;er Gelegenheit ei-<lb/>
ner nähern Belehrung gewürdiget.<note place="foot" n="*)">Luc. 19, 1-10.</note></p><lb/>
          <p>Niemand hat al&#x017F;o die Pflichten eines Lehrers in<lb/>
einem &#x017F;o hohen Grade und auf eine &#x017F;o vollkommene<lb/>
Art erfüllet, als Je&#x017F;us, un&#x017F;er Erlö&#x017F;er. Nach ihm<lb/>
kann &#x017F;ich folglich jeder Lehrer bilden, dem es darum<lb/>
zu thun i&#x017F;t, &#x017F;einen großen edlen Beruf ganz zu erfül-<lb/>
len, und durch den&#x017F;elben &#x017F;ich recht gemeinnützig zu<lb/>
machen. Denn die Würde des Lehramts gründet<lb/>
&#x017F;ich nicht auf außerordentliche Vorzüge, wie etwa<lb/>
das Amt der Apo&#x017F;tel, &#x017F;ondern lediglich auf den Nuz-<lb/>
zen, der dadurch ge&#x017F;tiftet werden kann und &#x017F;oll, und<lb/>
auf den &#x017F;ittlich guten Charakter derer, die es führen.<lb/>
Bi&#x017F;t du al&#x017F;o als Lehrer bereits ange&#x017F;tellt, oder will&#x017F;t<lb/>
du dich er&#x017F;t noch die&#x017F;em Berufe widmen, und dich<lb/>
dazu vorbereiten: nun &#x017F;o bilde dich nach dem größten<lb/>
Lehrer, dergleichen die Erde nicht wieder ge&#x017F;ehen hat.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Lebe</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0362] LI. Betrachtung. ſo waren auch einzelne Perſonen, die ſeinen Unter- richt ſuchten, ihm ſehr willkommen, er löſete ihre Zweifel, und beantwortete ihre Fragen mit der ihm ganz eigenen Geduld und Sanftmuth, ja er belohnte ihre Wißbegierde mit ſichtbarer Werthſchätzung, wie man das beſonders aus ſeinem Betragen gegen den Zachäus wahrnehmen kann. Denn dieſer Mann, der Jeſum nur zu ſehen wünſchte, erreichte dieſe ſei- ne Abſicht ganz, ja er wurde auch von ihm mit einer überaus zuvorkommenden Freundlichkeit eines Be- ſuchs in ſeinem Hauſe, und bey dieſer Gelegenheit ei- ner nähern Belehrung gewürdiget. *) Niemand hat alſo die Pflichten eines Lehrers in einem ſo hohen Grade und auf eine ſo vollkommene Art erfüllet, als Jeſus, unſer Erlöſer. Nach ihm kann ſich folglich jeder Lehrer bilden, dem es darum zu thun iſt, ſeinen großen edlen Beruf ganz zu erfül- len, und durch denſelben ſich recht gemeinnützig zu machen. Denn die Würde des Lehramts gründet ſich nicht auf außerordentliche Vorzüge, wie etwa das Amt der Apoſtel, ſondern lediglich auf den Nuz- zen, der dadurch geſtiftet werden kann und ſoll, und auf den ſittlich guten Charakter derer, die es führen. Biſt du alſo als Lehrer bereits angeſtellt, oder willſt du dich erſt noch dieſem Berufe widmen, und dich dazu vorbereiten: nun ſo bilde dich nach dem größten Lehrer, dergleichen die Erde nicht wieder geſehen hat. Lebe *) Luc. 19, 1-10.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/362
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/362>, abgerufen am 23.11.2024.