Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XLVIII. Betrachtung. vortrefliche Original dieser Tugend hinsehen; dannwill ich an deinen Ausspruch denken: selig sind die Sanftmüthigen, denn sie werden das Erdreich be- sitzen.*) Sollte ich auch in manchen Fällen genöthi- get werden, mich nachdrücklich zu vertheidigen, und vor künftigen Beleidigungen zu sichern, so will ichs doch mit möglichster Gelindigkeit, und nur durch rechtmäßige Mittel thun; ich will nie der angreifen- de Theil seyn, sondern immer Vertheidigungsweise verfahren. Wie ruhig wird mein Leben dahin flies- sen, wenn ich ein Freund der Sanftmuth bin: tau- send Feindseligkeiten werde ich mir ersparen! selbst mein Feind wird mir seine Achtung nicht versagen, er wird durch mein sanftes Nachgeben gerührt werden, und mich vielleicht am Ende noch gar lieb gewinnen. Wenigstens wird die ruhige Heiterkeit des Gemüths bey der Ertragung zugefügter Beleidigungen mir stets eine süsse Belohnung seyn; da hingegen der Zorn- und Rachsüchtige stets mit sich selbst unzufrieden bleibt, und ein quaalvolles Leben führet. Unter- stütze du mich nur, o Jesu! durch deine allmächtige Kraft, daß ich auch in diesen Stücke dir ähnlich, und so zum Himmel geschickt werde, der das Vaterland, der ewig ruhige Wohnplatz aller sanfmüthigen und menschenfreundlichen Seelen seyn wird. Herr, *) Matth. 5, 5.
XLVIII. Betrachtung. vortrefliche Original dieſer Tugend hinſehen; dannwill ich an deinen Ausſpruch denken: ſelig ſind die Sanftmüthigen, denn ſie werden das Erdreich be- ſitzen.*) Sollte ich auch in manchen Fällen genöthi- get werden, mich nachdrücklich zu vertheidigen, und vor künftigen Beleidigungen zu ſichern, ſo will ichs doch mit möglichſter Gelindigkeit, und nur durch rechtmäßige Mittel thun; ich will nie der angreifen- de Theil ſeyn, ſondern immer Vertheidigungsweiſe verfahren. Wie ruhig wird mein Leben dahin flieſ- ſen, wenn ich ein Freund der Sanftmuth bin: tau- ſend Feindſeligkeiten werde ich mir erſparen! ſelbſt mein Feind wird mir ſeine Achtung nicht verſagen, er wird durch mein ſanftes Nachgeben gerührt werden, und mich vielleicht am Ende noch gar lieb gewinnen. Wenigſtens wird die ruhige Heiterkeit des Gemüths bey der Ertragung zugefügter Beleidigungen mir ſtets eine ſüſſe Belohnung ſeyn; da hingegen der Zorn- und Rachſüchtige ſtets mit ſich ſelbſt unzufrieden bleibt, und ein quaalvolles Leben führet. Unter- ſtütze du mich nur, o Jeſu! durch deine allmächtige Kraft, daß ich auch in dieſen Stücke dir ähnlich, und ſo zum Himmel geſchickt werde, der das Vaterland, der ewig ruhige Wohnplatz aller ſanfmüthigen und menſchenfreundlichen Seelen ſeyn wird. Herr, *) Matth. 5, 5.
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XLVIII. Betrachtung.
vortrefliche Original dieſer Tugend hinſehen; dann
will ich an deinen Ausſpruch denken: ſelig ſind die
Sanftmüthigen, denn ſie werden das Erdreich be-
ſitzen. *) Sollte ich auch in manchen Fällen genöthi-
get werden, mich nachdrücklich zu vertheidigen, und
vor künftigen Beleidigungen zu ſichern, ſo will ichs
doch mit möglichſter Gelindigkeit, und nur durch
rechtmäßige Mittel thun; ich will nie der angreifen-
de Theil ſeyn, ſondern immer Vertheidigungsweiſe
verfahren. Wie ruhig wird mein Leben dahin flieſ-
ſen, wenn ich ein Freund der Sanftmuth bin: tau-
ſend Feindſeligkeiten werde ich mir erſparen! ſelbſt
mein Feind wird mir ſeine Achtung nicht verſagen, er
wird durch mein ſanftes Nachgeben gerührt werden,
und mich vielleicht am Ende noch gar lieb gewinnen.
Wenigſtens wird die ruhige Heiterkeit des Gemüths
bey der Ertragung zugefügter Beleidigungen mir ſtets
eine ſüſſe Belohnung ſeyn; da hingegen der Zorn-
und Rachſüchtige ſtets mit ſich ſelbſt unzufrieden
bleibt, und ein quaalvolles Leben führet. Unter-
ſtütze du mich nur, o Jeſu! durch deine allmächtige
Kraft, daß ich auch in dieſen Stücke dir ähnlich, und
ſo zum Himmel geſchickt werde, der das Vaterland,
der ewig ruhige Wohnplatz aller ſanfmüthigen und
menſchenfreundlichen Seelen ſeyn wird.
Herr,
*) Matth. 5, 5.
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