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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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XLIV. Betrachtung.
Geiz warnte, und sie versicherte, daß die Zufrieden-
heit des Menschen keinesweges von dem Besitze vieler
irdischen Güter abhänge. Niemand lebet davon, daß
er viel Güter hat.
Hätte sich Jesus einmal mit sol-
chen Geschäften, die außer seinem Berufe lagen, ab-
gegeben, so würden alle Tage solche und ähnliche An-
träge an ihn geschehen seyn, und darzu hatte er nicht
Zeit. Auch würde er bey der Entscheidung solcher
Streitigkeiten immer nach der höchsten Billigkeit ent-
schieden haben, und eben das würde vielen nicht recht
gewesen seyn, und ihm manchen Verdruß zugezogen
haben. Er, der als Lehrer der Wahrheit und Reli-
gion, Er, der als Versöhner und Mittler der Men-
schen sich unmittelbar mit der Wiederherstellung ih-
rer Seligkeit beschäftigte, hatte schon mit diesem
wichtigen Geschäfte Tag und Nacht zu thun, so daß
er sich oft alle Ruhe, alle Bequemlichkeit versagen
mußte, um nur dieses abzuwarten. Weise, sehr weise
handelte also Jesus, daß er sich nicht in die bürger-
lichen und häuslichen Angelegenheiten seiner Zeitge-
nossen mengte, sondern daß er bey seinem von Gott
ihm eigenthümlich angewiesenem Berufe blieb.

Jn diesem ganzen Betragen Jesu liegt also für
uns die nöthige und heilsame Erinnerung, daß wir
doch ja nicht in ein fremdes Amt greifen,
son-
dern unsers Berufs warten, und bey dem bleiben sol-
len, was uns zu thun befohlen ist. Es ist daher

eben

XLIV. Betrachtung.
Geiz warnte, und ſie verſicherte, daß die Zufrieden-
heit des Menſchen keinesweges von dem Beſitze vieler
irdiſchen Güter abhänge. Niemand lebet davon, daß
er viel Güter hat.
Hätte ſich Jeſus einmal mit ſol-
chen Geſchäften, die außer ſeinem Berufe lagen, ab-
gegeben, ſo würden alle Tage ſolche und ähnliche An-
träge an ihn geſchehen ſeyn, und darzu hatte er nicht
Zeit. Auch würde er bey der Entſcheidung ſolcher
Streitigkeiten immer nach der höchſten Billigkeit ent-
ſchieden haben, und eben das würde vielen nicht recht
geweſen ſeyn, und ihm manchen Verdruß zugezogen
haben. Er, der als Lehrer der Wahrheit und Reli-
gion, Er, der als Verſöhner und Mittler der Men-
ſchen ſich unmittelbar mit der Wiederherſtellung ih-
rer Seligkeit beſchäftigte, hatte ſchon mit dieſem
wichtigen Geſchäfte Tag und Nacht zu thun, ſo daß
er ſich oft alle Ruhe, alle Bequemlichkeit verſagen
mußte, um nur dieſes abzuwarten. Weiſe, ſehr weiſe
handelte alſo Jeſus, daß er ſich nicht in die bürger-
lichen und häuslichen Angelegenheiten ſeiner Zeitge-
noſſen mengte, ſondern daß er bey ſeinem von Gott
ihm eigenthümlich angewieſenem Berufe blieb.

Jn dieſem ganzen Betragen Jeſu liegt alſo für
uns die nöthige und heilſame Erinnerung, daß wir
doch ja nicht in ein fremdes Amt greifen,
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dern unſers Berufs warten, und bey dem bleiben ſol-
len, was uns zu thun befohlen iſt. Es iſt daher

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[288/0314] XLIV. Betrachtung. Geiz warnte, und ſie verſicherte, daß die Zufrieden- heit des Menſchen keinesweges von dem Beſitze vieler irdiſchen Güter abhänge. Niemand lebet davon, daß er viel Güter hat. Hätte ſich Jeſus einmal mit ſol- chen Geſchäften, die außer ſeinem Berufe lagen, ab- gegeben, ſo würden alle Tage ſolche und ähnliche An- träge an ihn geſchehen ſeyn, und darzu hatte er nicht Zeit. Auch würde er bey der Entſcheidung ſolcher Streitigkeiten immer nach der höchſten Billigkeit ent- ſchieden haben, und eben das würde vielen nicht recht geweſen ſeyn, und ihm manchen Verdruß zugezogen haben. Er, der als Lehrer der Wahrheit und Reli- gion, Er, der als Verſöhner und Mittler der Men- ſchen ſich unmittelbar mit der Wiederherſtellung ih- rer Seligkeit beſchäftigte, hatte ſchon mit dieſem wichtigen Geſchäfte Tag und Nacht zu thun, ſo daß er ſich oft alle Ruhe, alle Bequemlichkeit verſagen mußte, um nur dieſes abzuwarten. Weiſe, ſehr weiſe handelte alſo Jeſus, daß er ſich nicht in die bürger- lichen und häuslichen Angelegenheiten ſeiner Zeitge- noſſen mengte, ſondern daß er bey ſeinem von Gott ihm eigenthümlich angewieſenem Berufe blieb. Jn dieſem ganzen Betragen Jeſu liegt alſo für uns die nöthige und heilſame Erinnerung, daß wir doch ja nicht in ein fremdes Amt greifen, ſon- dern unſers Berufs warten, und bey dem bleiben ſol- len, was uns zu thun befohlen iſt. Es iſt daher eben

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/314>, abgerufen am 23.11.2024.