Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

XXXVIII. Betrachtung.
Leben nicht an Trost im Tode fehlen. Heilig und
ehrwürdig sey dir also dein Stand, in dem du lebst;
wichtig sey dir dein Beruf, denn er ist von Gott, und
du hast ihn unter seiner weisen Führung gewählt.
Wende aber auch deine Zeit und Kräfte allemal zu-
erst auf die nöthigsten und wichtigsten Geschäfte;
thue nicht nur das leichtere, sondern auch das schwe-
rere, nicht nur das angenehme, sondern auch das
unangenehme. Verwickle dich nicht zu sehr in Ne-
bendinge, und laß dich nicht von der so schädlichen
Zerstreuungssucht hinreissen; du würdest sonst bald
deine wahre Bestimmung aus den Augen verliehren,
du würdest nie das werden und nie das leisten, was
du doch leisten und werden könntest. Denn die Men-
schen, die in einem beständigen Wirbel von Zerstreu-
ungen leben, die sich mit vielen Dingen unnöthiger
Weise abgeben, und ihren Beruf nur als Nebensa-
che betrachten, kommen selten zum Besinnen. Sie
unterlassen ihre Bildung und Besserung, sie verab-
säumen die Untersuchung ihres Seelenzustandes, sie
verliehren alle Aufmerksamkeit auf sich selbst, sie ver-
nachlässigen die Geschäfte ihres Berufs, und verges-
sen es endlich ganz, daß sie hier weise und fromm,
nützlich und brauchbar, und dort glücklich und selig
werden sollen.

Hast du ein Amt, so warte sein,
Das ist, o Herr! dein Wille.
Laß

XXXVIII. Betrachtung.
Leben nicht an Troſt im Tode fehlen. Heilig und
ehrwürdig ſey dir alſo dein Stand, in dem du lebſt;
wichtig ſey dir dein Beruf, denn er iſt von Gott, und
du haſt ihn unter ſeiner weiſen Führung gewählt.
Wende aber auch deine Zeit und Kräfte allemal zu-
erſt auf die nöthigſten und wichtigſten Geſchäfte;
thue nicht nur das leichtere, ſondern auch das ſchwe-
rere, nicht nur das angenehme, ſondern auch das
unangenehme. Verwickle dich nicht zu ſehr in Ne-
bendinge, und laß dich nicht von der ſo ſchädlichen
Zerſtreuungsſucht hinreiſſen; du würdeſt ſonſt bald
deine wahre Beſtimmung aus den Augen verliehren,
du würdeſt nie das werden und nie das leiſten, was
du doch leiſten und werden könnteſt. Denn die Men-
ſchen, die in einem beſtändigen Wirbel von Zerſtreu-
ungen leben, die ſich mit vielen Dingen unnöthiger
Weiſe abgeben, und ihren Beruf nur als Nebenſa-
che betrachten, kommen ſelten zum Beſinnen. Sie
unterlaſſen ihre Bildung und Beſſerung, ſie verab-
ſäumen die Unterſuchung ihres Seelenzuſtandes, ſie
verliehren alle Aufmerkſamkeit auf ſich ſelbſt, ſie ver-
nachläſſigen die Geſchäfte ihres Berufs, und vergeſ-
ſen es endlich ganz, daß ſie hier weiſe und fromm,
nützlich und brauchbar, und dort glücklich und ſelig
werden ſollen.

Haſt du ein Amt, ſo warte ſein,
Das iſt, o Herr! dein Wille.
Laß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0280" n="254"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XXXVIII.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
Leben nicht an Tro&#x017F;t im Tode fehlen. Heilig und<lb/>
ehrwürdig &#x017F;ey dir al&#x017F;o dein Stand, in dem du leb&#x017F;t;<lb/>
wichtig &#x017F;ey dir dein Beruf, denn er i&#x017F;t von Gott, und<lb/>
du ha&#x017F;t ihn unter &#x017F;einer wei&#x017F;en Führung gewählt.<lb/>
Wende aber auch deine Zeit und Kräfte allemal zu-<lb/>
er&#x017F;t auf die nöthig&#x017F;ten und wichtig&#x017F;ten Ge&#x017F;chäfte;<lb/>
thue nicht nur das leichtere, &#x017F;ondern auch das &#x017F;chwe-<lb/>
rere, nicht nur das angenehme, &#x017F;ondern auch das<lb/>
unangenehme. Verwickle dich nicht zu &#x017F;ehr in Ne-<lb/>
bendinge, und laß dich nicht von der &#x017F;o &#x017F;chädlichen<lb/>
Zer&#x017F;treuungs&#x017F;ucht hinrei&#x017F;&#x017F;en; du würde&#x017F;t &#x017F;on&#x017F;t bald<lb/>
deine wahre Be&#x017F;timmung aus den Augen verliehren,<lb/>
du würde&#x017F;t nie das werden und nie das lei&#x017F;ten, was<lb/>
du doch lei&#x017F;ten und werden könnte&#x017F;t. Denn die Men-<lb/>
&#x017F;chen, die in einem be&#x017F;tändigen Wirbel von Zer&#x017F;treu-<lb/>
ungen leben, die &#x017F;ich mit vielen Dingen unnöthiger<lb/>
Wei&#x017F;e abgeben, und ihren Beruf nur als Neben&#x017F;a-<lb/>
che betrachten, kommen &#x017F;elten zum Be&#x017F;innen. Sie<lb/>
unterla&#x017F;&#x017F;en ihre Bildung und Be&#x017F;&#x017F;erung, &#x017F;ie verab-<lb/>
&#x017F;äumen die Unter&#x017F;uchung ihres Seelenzu&#x017F;tandes, &#x017F;ie<lb/>
verliehren alle Aufmerk&#x017F;amkeit auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ie ver-<lb/>
nachlä&#x017F;&#x017F;igen die Ge&#x017F;chäfte ihres Berufs, und verge&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en es endlich ganz, daß &#x017F;ie hier wei&#x017F;e und fromm,<lb/>
nützlich und brauchbar, und dort glücklich und &#x017F;elig<lb/>
werden &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Ha&#x017F;t du ein Amt, &#x017F;o warte &#x017F;ein,</l><lb/>
            <l>Das i&#x017F;t, o Herr! dein Wille.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Laß</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0280] XXXVIII. Betrachtung. Leben nicht an Troſt im Tode fehlen. Heilig und ehrwürdig ſey dir alſo dein Stand, in dem du lebſt; wichtig ſey dir dein Beruf, denn er iſt von Gott, und du haſt ihn unter ſeiner weiſen Führung gewählt. Wende aber auch deine Zeit und Kräfte allemal zu- erſt auf die nöthigſten und wichtigſten Geſchäfte; thue nicht nur das leichtere, ſondern auch das ſchwe- rere, nicht nur das angenehme, ſondern auch das unangenehme. Verwickle dich nicht zu ſehr in Ne- bendinge, und laß dich nicht von der ſo ſchädlichen Zerſtreuungsſucht hinreiſſen; du würdeſt ſonſt bald deine wahre Beſtimmung aus den Augen verliehren, du würdeſt nie das werden und nie das leiſten, was du doch leiſten und werden könnteſt. Denn die Men- ſchen, die in einem beſtändigen Wirbel von Zerſtreu- ungen leben, die ſich mit vielen Dingen unnöthiger Weiſe abgeben, und ihren Beruf nur als Nebenſa- che betrachten, kommen ſelten zum Beſinnen. Sie unterlaſſen ihre Bildung und Beſſerung, ſie verab- ſäumen die Unterſuchung ihres Seelenzuſtandes, ſie verliehren alle Aufmerkſamkeit auf ſich ſelbſt, ſie ver- nachläſſigen die Geſchäfte ihres Berufs, und vergeſ- ſen es endlich ganz, daß ſie hier weiſe und fromm, nützlich und brauchbar, und dort glücklich und ſelig werden ſollen. Haſt du ein Amt, ſo warte ſein, Das iſt, o Herr! dein Wille. Laß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/280
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/280>, abgerufen am 22.11.2024.