Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XXXVIII. Betrachtung. recht nützlich werden könnten. Bey manchen istTrägheit und Liebe zur Bequemlichkeit die Quelle von dieser unedlen Unthätigkeit; bey andern hingegen ist es Stolz auf den Besitz eines hinlänglichen Ver- mögens, welches sie nicht nur gegen Mangel und Dürftigkeit schützt, sondern ihnen auch alle Bequem- lichkeiten verschaft, und jede Befriedigung ihrer Wünsche erleichtert. Sie glauben, es sey unter ihrer Würde, sich einem bestimten Berufe zu wid- men, und in einer gewissen Abhängigkeit von andern zu leben; da doch Jesus, der mehr als der beste Mensch, ja der Sohn Gottes war, nie außer den Schranken eines nützlichen Berufs lebte, da er wäh- rend seines Privatlebens bis zum Antritt seines Lehr- amts, seinem Vater sogar in der Zimmerarbeit bey- stund.*) Allein, wer ein Christ, wer ein nützliches Mitglied der Gesellschaft seyn will; der muß sich ei- nen ordentlichen Beruf wählen, wozu er grade die meisten Kräfte und Fähigkeiten hat, und zur gewis- senhaften Verwaltung desselben, sich von früher Ju- gend an vorbereiten. Wohl dem, der in dieser Wahl sich selbst nicht irrt, und von andern nicht miß- geleitet wird! Wohl dem, der die Jahre der Ju- gend und Vorbereitung so anwendet, daß er alsdann seiner Bestimmung gehörig vorstehen, und die Früch- te seines Fleißes mit Ehren genießen kann! Wohl dem, der sich in Zeiten die nützlichsten Kenntnisse und solche *) Marc. 6, 1-6
XXXVIII. Betrachtung. recht nützlich werden könnten. Bey manchen iſtTrägheit und Liebe zur Bequemlichkeit die Quelle von dieſer unedlen Unthätigkeit; bey andern hingegen iſt es Stolz auf den Beſitz eines hinlänglichen Ver- mögens, welches ſie nicht nur gegen Mangel und Dürftigkeit ſchützt, ſondern ihnen auch alle Bequem- lichkeiten verſchaft, und jede Befriedigung ihrer Wünſche erleichtert. Sie glauben, es ſey unter ihrer Würde, ſich einem beſtimten Berufe zu wid- men, und in einer gewiſſen Abhängigkeit von andern zu leben; da doch Jeſus, der mehr als der beſte Menſch, ja der Sohn Gottes war, nie außer den Schranken eines nützlichen Berufs lebte, da er wäh- rend ſeines Privatlebens bis zum Antritt ſeines Lehr- amts, ſeinem Vater ſogar in der Zimmerarbeit bey- ſtund.*) Allein, wer ein Chriſt, wer ein nützliches Mitglied der Geſellſchaft ſeyn will; der muß ſich ei- nen ordentlichen Beruf wählen, wozu er grade die meiſten Kräfte und Fähigkeiten hat, und zur gewiſ- ſenhaften Verwaltung deſſelben, ſich von früher Ju- gend an vorbereiten. Wohl dem, der in dieſer Wahl ſich ſelbſt nicht irrt, und von andern nicht miß- geleitet wird! Wohl dem, der die Jahre der Ju- gend und Vorbereitung ſo anwendet, daß er alsdann ſeiner Beſtimmung gehörig vorſtehen, und die Früch- te ſeines Fleißes mit Ehren genießen kann! Wohl dem, der ſich in Zeiten die nützlichſten Kenntniſſe und ſolche *) Marc. 6, 1-6
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XXXVIII. Betrachtung.
recht nützlich werden könnten. Bey manchen iſt
Trägheit und Liebe zur Bequemlichkeit die Quelle
von dieſer unedlen Unthätigkeit; bey andern hingegen
iſt es Stolz auf den Beſitz eines hinlänglichen Ver-
mögens, welches ſie nicht nur gegen Mangel und
Dürftigkeit ſchützt, ſondern ihnen auch alle Bequem-
lichkeiten verſchaft, und jede Befriedigung ihrer
Wünſche erleichtert. Sie glauben, es ſey unter
ihrer Würde, ſich einem beſtimten Berufe zu wid-
men, und in einer gewiſſen Abhängigkeit von andern
zu leben; da doch Jeſus, der mehr als der beſte
Menſch, ja der Sohn Gottes war, nie außer den
Schranken eines nützlichen Berufs lebte, da er wäh-
rend ſeines Privatlebens bis zum Antritt ſeines Lehr-
amts, ſeinem Vater ſogar in der Zimmerarbeit bey-
ſtund. *) Allein, wer ein Chriſt, wer ein nützliches
Mitglied der Geſellſchaft ſeyn will; der muß ſich ei-
nen ordentlichen Beruf wählen, wozu er grade die
meiſten Kräfte und Fähigkeiten hat, und zur gewiſ-
ſenhaften Verwaltung deſſelben, ſich von früher Ju-
gend an vorbereiten. Wohl dem, der in dieſer
Wahl ſich ſelbſt nicht irrt, und von andern nicht miß-
geleitet wird! Wohl dem, der die Jahre der Ju-
gend und Vorbereitung ſo anwendet, daß er alsdann
ſeiner Beſtimmung gehörig vorſtehen, und die Früch-
te ſeines Fleißes mit Ehren genießen kann! Wohl
dem, der ſich in Zeiten die nützlichſten Kenntniſſe und
ſolche
*) Marc. 6, 1-6
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